- Islamische Organisationen in der Schweiz
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Der Islam hat in der Schweiz laut der Volkszählung aus dem Jahr 2000 rund 310'000[1] Anhänger, andere Angaben gehen 2007 von über 440'000 Muslimen in der Schweiz aus (5,8%[2]). Die meisten von ihnen sind seit Mitte des 20. Jahrhunderts aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei eingewandert. Der Islam ist damit nach dem Christentum die zweitgrößte Religion in der Schweiz.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Geschichte des Islams in der Schweiz ist älter als die Eidgenossenschaft an sich. Sie beginnt im 10. Jahrhundert[3], als Muslime das Hochburgund beziehungsweise die heutige Schweiz erreichten.
Mittelalter und frühe Neuzeit
Aus dem südfranzösischen Fraxinetum (Provence) vorstossende Araber eroberten 939 Genf. Sie plünderten und zerstörten in den folgenden Jahren das Wallis, Teile Graubündens und der Ostschweiz. Zwischen 952 und 960 beherrschten die Araber nach der Schlacht bei Orbe weite Teile im Süden und Westen der Schweiz einschliesslich des Grossen St. Bernhard-Passes und stiessen im Nordosten ebenfalls bis St. Gallen vor, im Südosten bis Pontresina. Im Wallis gibt es (historisch umstrittene) Spuren einer zeitweiligen arabischen Besiedlung (z.B. Saas-Almagell).
Anfang 20. Jahrhundert
Bereits 1935 fand in der Schweiz ein von Ägyptern inspirierter Kongress Europäischer Muslime statt. Im Jahr 1945 kamen die ersten Türken aus Deutschland in die Schweiz, um sich an schweizerischen Hochschulen – zum Teil mit Unterstützung des türkischen Staates – ausbilden zu lassen (darunter auch der spätere Minister Tahsin Önalp, der an der ETH Zürich promoviert wurde). Die meisten kehrten nach dem Abschluss des Studiums wieder in die Türkei zurück. 1946 kam auch eine Gruppe Ahmadiyya-Missionare ins Land und bauten mit der Mahmud-Moschee in Zürich 1963 die erste Moschee in der Schweiz. 1978 wurde die Genfer Moschee (Moschee Petit-Saconnex) in Genf erbaut.
Verstärkte Einwanderung Ende 20. Jahrhundert
Anfang 1960er bis Mitte der 1970er Jahre kamen türkische Gastarbeiter und etwas später ihre Familien. Zur gleichen Zeit wanderten Gastarbeiter aus den islamisch geprägten Teilen Jugoslawiens in die Schweiz ein. Daher flohen während des Bosnienkrieges und des Kosovokrieges viele Menschen aus diesen Regionen zu ihren Verwandten. Der Islam in der deutschsprachigen Schweiz ist daher vor allem bosnisch-albanisch und türkisch geprägt, in der Romandie sind Araber stärker vertreten. Auffällig ist, dass sich in der Schweiz die grössten muslimischen Bevölkerungsanteile nicht in den Metropolen finden (mit Ausnahme Basels), sondern in Industriekleinstädten und -dörfern der deutschsprachigen Schweiz, die geringsten in der italienischen Schweiz.
Jüngste Rechtsstreite um Minarettbauten
- Hauptartikel: Kontroverse um den Bau von Minaretten in der Schweiz
Rechtsstreite um den Bau von Moscheen oder Moscheeerweiterungen (Minarette) prägten seit 2006 das Zusammenleben mit den Muslimen in der Schweiz. Dabei handelte sich die Errichtung von Minaretten bei den bestehenden muslimischen Gebetsräumlichkeiten in drei Gemeinden (Wangen bei Olten, Langenthal und Wil SG) sowie den Plan zum Bau eines Islamischen Zentrums in Bern.
Die Schweizerische Volkspartei mobilisierte gegen die Bauvorhaben; im Kanton Zürich kam es zu einer Parlamentarischen Initiative, und am 1. Mai 2007 wurde sogar eine Eidgenössische Volksinitiative mit dem Titel «Gegen den Bau von Minaretten», welche den Bau von Minaretten in der Schweiz untersagen wollte, offiziell gestartet.
Islamische Organisationen in der Schweiz
Da unter den Muslimen auf Grund von Herkunft und Kultur starke Unterschiede bestehen, gibt es noch immer viele verschiedene Vereine und Gruppen, die untereinander relativ wenig Kontakt pflegen. Diese Gruppen treffen sich meist in sogenannten Hinterhofmoscheen. Ihre Organisation verbessert sich jedoch konstant.
Die Ahmadiyya-Bewegung des Islams in der Schweiz (Nationalorganisation der Ahmadiyya Muslim Jamaat) hat etwa 700 Mitglieder und ihr Emir (Präsident) ist Walid Tariq Tarnutzer.[4]
In den letzten Jahren gründeten muslimische Migranten in der Schweiz „mehrere sprach- und kulturübergreifende Dachverbände“:[5]
- 1989 die Gemeinschaft islamischer Organisationen der Schweiz (GIOS) in Zürich, der Stadt mit der grössten Zahl von islamischen Einwohnern in der Schweiz;
- 1994 die Organisation Muslime und Musliminnen der Schweiz;
- 1997 die Vereinigung Islamischer Organisationen Zürich (VIOZ) in Zürich;
- 2000 die Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS) in Bern;
- 2002 die Vereinigung islamischer Organisationen des Kantons Luzern (VIOKL) in Luzern;
- 2003 der Dachverband islamischer Gemeinden der Ostschweiz und des Fürstentums Liechtenstein;
- 2006 die Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (FIDS).
Literatur
- Muslime in der Schweiz, in Tangram Nr. 7, 1999, PDF-Version
- Philipp Dreyer: Allahs Kinder sprechen Schweizerdeutsch, Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2001, ISBN 3-280-02674-1
- Islam in Basel-Stadt und Basel-Land, Vorabdruck des Projekts «Führer durch das religiöse Basel», hrsg. von Christoph Peter Baumann, Basel 1999, ISBN 978-3-906981-08-6
Weblinks
- islam.ch, „Infos über den Islam und die Muslime in der Schweiz“
- Liga der Muslime der Schweiz (französisch)
- Islam auf der Seite von Inforel, Information Religion
- Ein Vergleich der Ahmadi- und Alevi-Diaspora in der Schweiz, Institut für Sozialanthropologie der Universität Bern
- ISLAM: Dachorganisationen und Bewegungen in der Schweiz
- Islamische Vielfalt – das Erscheinungsbild des Islam in der Schweiz, Vortrag auf einer katholischen Website
Einzelnachweise
- ↑ Bundesamt für Statistik, Volkszählung 2000
- ↑ Isabella Ackerl: Die Staaten der Erde - Europa und Asien, S. 97. Wiesbaden 2007
- ↑ Artikel im Historischen Lexikon der Schweiz
- ↑ Schweizer entdecken Allah – Walter und Sonja konvertieren zum Islam: SF1 am 30. Juni 2008, 3sat am 18. September 2008
- ↑ Islam – Muslimische Migranten in der Schweiz, religionenschweiz.ch
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