Johannes XXIII. (Gegenpapst)

Johannes XXIII. (Gegenpapst)
Johannes XXIII. (Gegenpapst) in der zeitgenössischen Konstanzer Konzilschronik von Ulrich Richental.
Wappen des Gegenpapstes Johannes XXIII.
Sturz Johannes' XXIII. auf der Fahrt zum Konstanzer Konzil (Richental-Chronik)
Johannes XXIII.(Gegenpapst) in der Haft zu Mannheim, Stich, 1697

Johannes (XXIII.) (* um 1370 in Neapel; † 22. Dezember 1419 in Florenz), eigentlich Baldassare Cossa, Sohn des Grafen von Troia, war zunächst Offizier, wurde als Laie Kardinal, später erhielt er die geistlichen Weihen und amtierte von 1410 bis 1415 als Gegenpapst.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühes Wirken

Baldassare Cossa entstammte einer vornehmen Familie aus Neapel. Über seine frühe Zeit ist kaum etwas bekannt. Er studierte in Bologna, schlug zunächst eine militärische Laufbahn ein und wurde 1389 von Papst Bonifatius IX. – ebenfalls ein Neapolitaner – an die römische Kurie berufen. Ob der Papst mit Cossa verwandt war, wie man öfter behauptet, steht nicht fest. Ein geistliches Amt bekleidete Cossa nicht, vielmehr erschöpfte sich seine Kurientätigkeit in Militär- und Verwaltungsaufgaben, umfasste gelegentlich aber auch die Vorbereitung simonistischer Geschäfte.[1] Erst war er der Kämmerer des Papstes, wurde von ihm am 27. Februar 1402 zum Kardinal erhoben und dann als Vikar nach Bologna entsandt, das ihm von seiner Studienzeit her bekannt war. Er bewährte sich als hervorragender Sachverwalter der päpstlichen Interessen und die bedeutende Kommune kehrte völlig unter die Hoheit des römischen Papstes zurück. Zu dieser Zeit gab es nämlich zwei Päpste, den römischen, dem Baldassare Cossa diente und einen Gegenpapst im französischen Avignon.

Sein Gönner, der römische Papst Bonifatius IX. verschied 1404, gefolgt von Innozenz VII., der nur zwei Jahre regierte und schon 1406 starb. In diesem Jahr wählte man in Rom den 70-jährigen Venezianer Angelo Correr als Gregor XII. zum Papst. Mit jenem überwarf sich Baldassare Cossa 1408. Seither engagierte er sich für ein Konzil, von dem er sich einen neuen Papst erhoffte und das er nach seinen Vorstellungen zu beeinflussen suchte. Das weder vom römischen Papst noch vom Avignoner Gegenpapst anerkannte Konzil konstituierte sich Anfang 1409 in Pisa und endete – hauptsächlich auf Betreiben von Kardinal Cossa – mit der Wahl eines dritten Kirchenoberhaupts am 26. Juni 1409, nämlich dem Pisaner Gegenpapst Alexander V. Das zur Kircheneinheit einberufene Konzil hatte also aus der „verruchten Zweiheit eine verfluchte Dreiheit“ gemacht, wie es ein zeitgenössisches Traktat formulierte.[2]

Gegenpapst

Der Pisaner Alexander V. regierte hauptsächlich in Bologna und starb am 3. Mai 1410. Als seinen Nachfolger wählte man am 17. Mai 1410 Baldassare Cossa, der den Namen Johannes XXIII. annahm. Dass er seinen Vorgänger ermordet habe, wird heute allgemein als Verleumdung angesehen, die man später bei seiner Absetzung erdichtete. Cossa erhielt am 24. Mai 1410 die Priesterweihe, am folgenden Tag die Bischofskonsekration und wurde am Spätmittag des gleichen Tages zum Papst gekrönt.[3] Sitz seines Papsttums blieb zunächst Bologna, erst knapp ein Jahr später begab er sich über einen Zwischenaufenthalt in Rom nach Lodi. Der neue deutsche König Sigismund wollte das dreifache Schisma ein für alle Mal beenden. Neben religiösen Aspekten verband er damit die Hoffnung auf die Kaiserkrone. Sigismund traf sich 1413 mit Papst Johannes in Lodi und zwang diesen zur Einberufung des Konzils von Konstanz.

Konzil von Konstanz, Absetzung und Haft

Im Spätsommer 1414 brach Johannes XXIII. nach Konstanz auf. Sein Wagen stürzte bei der Anreise am Arlbergpass um, wobei ihm angeblich der zornige und wenig papstmäßige Schrei entfuhr:„Hier liege ich in Teufels Namen!“ Im Hinblick auf sein weiteres Schicksal habe er angesichts der unwegsamen Bergstraßen zu seinen Begleitern gesagt: „So fängt man Füchse.“[4]

Um seine Papstwürde zu erhalten, versuchte er in Konstanz zunächst durch seine Anhänger die Absetzung der beiden Konkurrenten zu erreichen. Dies misslang und man drängte auf die Neuwahl eines Papstes. Johannes XXIII. erklärte sich mit einem Rücktritt einverstanden, falls die beiden anderen Päpste dies auch täten. Entgegen seinen Absichterklärungen, für die er auf dem Konzil gefeiert wurde, flüchtete er, zwecks Erhaltung seiner Macht, am 20. März 1415 heimlich und als Knappe verkleidet von Konstanz nach Schaffhausen. König Sigismund ließ ihn am 29. April in Freiburg im Breisgau gefangen nehmen und befahl dem Reichsvikar und Reichsrichter Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz ihn bis zur Wahl eines neuen Papstes zu inhaftieren. Dies geschah auf dem Heidelberger Schloss. Dort erhielt er am 31. Mai des Jahres seine vom Konzil ausgesprochene Absetzung, der er zustimmte und damit auch formell auf sein Papstamt verzichtete.

Kurfürst Ludwig III., ein religiös sehr engagierter Mann, verhandelte in Konstanz auch mit den Beauftragten des römischen Papstes Gregor XII. und brachte diesen dazu, am 4. Juli 1415 zu resignieren. Man ernannte den Greis im Gegenzug zum päpstlichen Legaten auf Lebenszeit.

Damit war der Weg zur Papstwahl frei, da der Avignoner Gegenpapst Benedikt XIII. gar nicht zum Konzil erschienen war und ohnehin nur über geringe Anhängerschaft verfügte. Das Konzil erachtete sein Papsttum als ungültig und erklärte ihn am Rücktrittstag Gregors XII. für abgesetzt, was er allerdings bis an sein Lebensende ignorierte.

Der resignierte Papst Johannes XXIII. befand sich noch immer in kurpfälzischer Gefangenschaft. Im Frühjahr 1416 deckte man ein Befreiungskomplott auf, weshalb er im Verlauf des Sommers in die sicherere Burg Eichelsheim kam, die sich auf dem Gelände des heutigen Mannheimer Stadtgebietes befand. Am 11. November 1417 erfolgte in Konstanz die Wahl von Papst Martin V. und das Abendländische Schisma galt als beendet. Deshalb hob man die Haft gegen Johannes XXIII. nun auf; er erlangte seine Freiheit allerdings erst im Frühjahr 1419, da Kurfürst Ludwig III. ihn für die durch seine Flucht vom Konzil entstandenen Kosten haftbar machte und nur nach deren Begleichung ziehen ließ.

Über die Haftbedingungen beklagte sich der Gegenpapst - der laut Zeitzeugen ungewöhnlich groß war - in Äußerungen wie dieser:

Meine Unterkunft war beengt, ich schlief mit verkrümmten Gliedmaßen, mein Bett war zu kurz und ich musste schmutzige Kleider tragen. Nichts Gutes ist mir vom Pfalzgrafen widerfahren, sondern Gespött und macherlei Kränkung hatte ich zu erdulden.

Michael Oberweis: „Der gefangene Papst Johannes - Mannheims Beitrag zur Beendigung des großen Abendländischen Schmismas“, Stadtarchiv Mannheim, 2004, Seite 74

In einem Antwortschreiben konterte ein Beauftragter Kurfürst Ludwig III.:

Gemessen an dem was einem Kardinal zusteht hat er Euch vielleicht nicht ganz standesgemäß behandelt. Aber da er Euch als Gefangenen zu traktieren hatte, hat er Euch weit mehr zukommen lassen, als er Euch schuldig war.

Michael Oberweis: „Der gefangene Papst Johannes - Mannheims Beitrag zur Beendigung des großen Abendländischen Schmismas“, Stadtarchiv Mannheim, 2004, Seite 74

Kardinalbischof und Tod

Baldassare Cossa

Papst Martin V. begnadigte Baldassare Cossa, der ihn in Florenz aufsuchte und sich ihm zu Füßen warf. Versöhnungsbereit ernannte er ihn daraufhin zum Kardinalbischof von Tusculum (heute Bistum Frascati) und zum Dekan des Kardinalskollegiums. Die geringe ihm noch verbleibende Lebensspanne verbrachte Cossa als Geläuterter. Er richtete sogar ein Mahnschreiben an seinen uneinsichtigen Rivalen Benedikt XIII. in Avignon, der in seinem Pseudopapsttum verharrte und es später durch 4 Kardinäle sogar fortzupflanzen suchte. In dem Brief beschwor er den Avigneser, einzulenken und auf die Milde und Gerechtigkeit des neuen Papstes Martin V. zu vertrauen. Nur etwa ein halbes Jahr amtierte Cossa als Kardinalbischof und starb am 22. Dezember 1419 in Florenz, wo man ihn im Baptisterium des Domes beisetzte. Giovanni di Bicci de’ Medici und sein Sohn Cosimo de’ Medici, die beide finanziell reichlich von seinem Papsttum profitiert hatten, ließen ihm dort ein prachtvolles Grabmal errichten.

Historische Beurteilung

Grabmonument Johannes XXIII. in Florenz
Nahaufnahme des Grabes mit der Inschrift, dass er ehemals Papst gewesen sei.

In der offiziellen Leseart der Kirche wurden die beiden Pisaner Päpste Alexander V. und Johannes XXIII. von Anfang an als Gegenpäpste betrachtet auch wenn manche Papstlisten, Lexika und Geschichtswerke sie als legitim führten. Schon Martin V. wehrte sich vehement gegen den Grabspruch Johannes XXIII., den ihm die Florentiner hatten setzen lassen: „...er war einmal Papst“. Der Pontifex beantragte vergeblich bei der Stadtregierung, diese Inschrift in „Kardinal aus Neapel“ zu ändern.[5]

Gleiches gilt für die vom Hl. Stuhl approbierten kirchengeschichtlichen Publikationen. Sowohl das Standardwerk „Wetzers und Weltes Kirchenlexikon“ ab 1847, als auch Kardinal Joseph Hergenröther in seiner 3-bändigen Kirchengeschichte von 1876 vertreten diese Auffassung an verschiedenen Stellen.

Letztendlich nahm Angelo Giuseppe Roncalli bei seiner Papstwahl 1958 den Namen Johannes XXIII. an, den vor ihm schon Baldassare Cossa als Gegenpapst geführt hatte. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn die Kirche letzteren als legitimes Oberhaupt angesehen hätte. Roncalli schrieb dazu selbst beim Amtsantritt:

Zweiundzwanzig Päpste mit dem Namen Johannes sind von unbestrittener Legitimität. Fast alle hatten ein kurzes Pontfikat. Wir wollen die Geringheit Unseres Namens hinter dieser herrlichen Reihe römischer Päpste verbergen.

Bernd-Ulrich Hergemöller: „Die Geschichte der Papstnamen“, Münster 1980, Seite 226

Noch schwieriger ist nach dem langen zeitlichen Abstand seine Person charakterlich zu erfassen. Er war in moralischer Hinsicht ein typisches Kind seiner Zeit und mehr Militär bzw. Politiker als Geistlicher. Zum Zwecke seiner Absetzung erfand oder verschlimmerte man sicher viele Anschuldigungen vorsätzlich. Allein die Tatsache, dass ihn Papst Martin V. nach seiner Unterwerfung ohne Not zum Bischof und Dekan des Kardinalskollegiums einsetzte, ist ein Indiz dafür, dass seine Verfehlungen wohl nicht über die vieler zeitgenössischer Standesgenossen hinausgingen. Wetzers und Weltes Kirchenlexikon konstatiert in seiner Ausgabe von 1889:

Von den Gegenern als moralisches Scheusal gebrandmarkt, wurde er von anderen mit Lob überhäuft. So sehr auch die Anschuldigungen, besonders in Konstanz übertrieben sein mögen, so bleiben doch die Flecken der Habsucht, Grausamkeit, Wollust und Gewalttätigkeit an ihm haften, Laster, die zum Teil in jener verderbten Zeit nicht besonders hoch angeschlagen wurden, zum Teil auch mit seiner früheren Stellung als Kriegsmann und Statthalter zusammenhingen und kein Gegengewicht in einer kirchlich-religiösen Gesinnung fanden.

„Wetzers und Weltes Kirchenlexikon“, Herder Verlag, Freiburg, 1889, Band 6, Seite 1598

Sicherlich hat sich Kardinal Cossa am Ende durch die Haft und sein persönliches Schicksal auch gewandelt. Verlässliche Zeitzeugen belegen, dass er „trotz aller Widrigkeiten bis zuletzt eine beeindruckende Würde bewahrte“.[6] Joseph Hergenröther stellt fest: „Man durfte ihm glauben, als er sagte, seit er die Tiara getragen, habe er keinen guten Tag mehr gehabt; er bewies eine Würde, die er früher nicht gezeigt.“[7]

Literatur

  • Walter Brandmüller: Infeliciter electus fuit in Papam. Zur Wahl Johannes' XXIII. In: Dieter Berg, Hans-Werner Goetz (Hrsg.): Ecclesia et Regnum. Beiträge zur Geschichte von Kirche, Recht und Staat im Mittelalter. Festschrift für Franz-Josef Schmale zu seinem 65. Geburtstag. Winkler-Verlag, Bochum 1998, ISBN 978-3-924517-24-3, S. 309–322.
  • Walter Brandmüller: Johannes XXIII. im Urteil der Geschichte - oder die Macht des Klischees. In: Annuarium Historiae Conciliorum. Bd. 32, 2000, ISSN 0003-5157, S. 106–145.
  • Thomas Martin Buck: Text, Bild, Geschichte. Papst Johannes XXIII. wird auf dem Arlberg umgeworfen. In: Annuarium Historiae Conciliorum. Bd. 30, 1998, S. 37–110.
  • Michael Oberweis: Der gefangene Papst Johannes – Mannheims Beitrag zur Beendigung des großen Abendländischen Schismas. In: Ulrich Nieß, Michael Oberweis: Ein rebellisches Dorf und ein gefangener Papst. Mannheim vor der Stadtgründung. 2. verbesserte Auflage. Stadtarchiv Mannheim, Mannheim 2005, ISBN 3-926260-66-1 (Kleine Schriften des Stadtarchivs Mannheim 21).

Weblinks

 Commons: Johannes XXIII. (Gegenpapst) – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vgl. Arnold Esch: Simonie-Geschäft in Rom 1400: "Kein Papst wird das tun, was dieser tut." In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 61, 1974, S. 433-457.
  2. Vgl. Franz Xaver Seppelt: Papstgeschichte, von den Anfängen bis zur Gegenwart. 5. verb. und erw. Aufl., Kösel-Verlag, München 1949, S. 181.
  3. Vgl. zu den Umständen Walter Brandmüller: Infeliciter electus fuit in Papam. Zur Wahl Johannes' XXIII. In: Ecclesia et Regnum. Beiträge zur Geschichte von Kirche, Recht und Staat im Mittelalter. Festschrift für Franz-Josef Schmale zu seinem 65. Geburtstag. Hrsg. von Dieter Berg und Hans-Werner Goetz. Winkler-Verlag, Bochum 1998, S. 309-322.
  4. Zu der Begebenheit ausführlich Thomas Martin Buck: Text, Bild, Geschichte. Papst Johannes XXIII. wird auf dem Arlberg umgeworfen. In: Annuarium Historiae Conciliorum Bd. 30, 1998, S. 37-110.
  5. Michael Oberweis: „Der gefangene Papst Johannes - Mannheims Beitrag zur Beendigung des großen Abendländischen Schmismas“, in: „Ein rebellisches Dorf und ein gefangener Papst - Mannheim vor der Stadtgründung“, Stadtarchiv Mannheim, 2005, Seite 81
  6. Michael Oberweis: „Der gefangene Papst Johannes - Mannheims Beitrag zur Beendigung des großen Abendländischen Schmismas“, in: Ein rebellisches Dorf und ein gefangener Papst - Mannheim vor der Stadtgründung“, Stadtarchiv Mannheim, 2005, Seite 76
  7. Joseph Hergenröther, „Handbuch der allgemeinen Kirchengeschichte“, 1880, Band 2, Seite 81


Vorgänger Amt Nachfolger
Angelo Corner Bischof von Frascati
1419
Antonio Panciera

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