Juragewässerkorrektion

Juragewässerkorrektion


Bei den beiden Juragewässerkorrektionen, oft auch als Juragewässerkorrekturen bezeichnet, wurde das Gebiet im Dreieck zwischen dem Bieler-, dem Neuenburger- und dem Murtensee - das Schweizer Seeland im engeren Sinn - und das Flussgebiet der Aare zwischen Aarberg und Solothurn entsumpft und landwirtschaftlich nutzbar gemacht.[1]

Inhaltsverzeichnis

Ausgangslage und Problemlösung

Ein grosser Teil des Seelandes war von einem Moor („Moos“) bedeckt. Dieses bildete sich, als das Flussbett der Aare zwischen Aarberg und Büren durch Geschiebe-Ablagerung immer höher zu liegen kam. Die Entwässerung in die Aare nördlich von Aarberg wurde zunehmend behindert.[2] Bei Hochwasser floss sogar Aarewasser in das tiefer liegende Seeland zurück. Andererseits hatte dieses etwa die gleiche Höhe wie die drei Seespiegel, weshalb es auch von diesen schlecht entwässert wurde und oft überschwemmt war. Für die Trockenlegung bot sich die Absenkung der drei Seen an, was einen grösseren Abfluss aus ihnen (beziehungsweise aus dem Bielersee, dem letzten der drei miteinander verbundenen Seen) erforderte. Die Zihl, die das Seewasser in die Aare leitete, musste zum Nidau-Büren-Kanal erweitert werden. Die Verbindungen zischen den Seen waren ebenfalls zu erweitern: Broye-Kanal zwischen Murten- und Neuenburger-See und Zihl-Kanal zwischen Neuenburger- und Bielersee.

Das Grosse Moos vor der Juragewässerkorrektion
Denkmal in Nidau für Johann Rudolf Schneider und Richard La Nicca

Auch die mittlere Aare (Aarberg bis Solothurn) war oft überschwemmt und ihr Umland meist versumpft. Sie floss zwischen Aarberg und Büren so langsam, dass immer neues Geschiebe abgelagert wurde. Es bot sich die Umleitung der Aare durch den Bielersee als Auffangbecken für das Geschiebe an. Der Nidau-Büren-Kanal hatte zusätzlich das Wasser der Aare aufzunehmen. Bis Solothurn war die alte Aare wegen ihres geringen Gefälles zu verbreitern, zu begradigen und unterhalb von Solothurn zu vertiefen (Beseitigung des sogenannten Emme-Riegels).

Ab dem 16. Jahrhundert versumpfte die Landschaft immer mehr, durch verschiedene Bittschriften der Bevölkerung an die Berner Patrizier wurde im Jahre 1704 die Erarbeitung eines ersten Korrektionsvorschlags erreicht.

Nach verheerenden Überschwemmungen in den Jahren 1831 und 1832 gründeten die Bewohner des Seelandes ein Korrektionskomitee, dessen Präsident Johann Rudolf Schneider wurde.

1. Juragewässerkorrektion

Ein Bundesbeitrag von fünf Millionen Franken sicherte die Planung und Realisierung der ersten Massnahmen. Der Bündner Kantonsoberingenieur Richard La Nicca arbeitete – nach nicht durchgeführten Vorplanungen von Jan Pawel Lelewel 1834 - im Auftrag der Kantone Bern, Solothurn, Freiburg, Neuenburg und Waadt, ein Projekt aus. Es sah folgende bauliche Massnahmen und Neuanlagen vor:

  • Die Ableitung der Aare von Aarberg in den Bielersee durch den neuen Hagneckkanal
  • Senkung der drei Seen um 2.5 m
  • Ableitung des im Bielersee vereinigten Wassers von Aare, Broye, Zihl und Schüss durch den neuen Nidau-Büren-Kanal
  • Korrektion der oberen Zihl zwischen Neuenburger- und Bielersee
  • Korrektion der unteren Broye zwischen Murten- und Neuenburgersee
  • Anpassungsarbeiten auf der Flussstrecke Büren bis zur Emme-Mündung unterhalb Solothurns.
 
Karte des Gebietes vor der 1. Korrektion
 
Karte des Gebietes nach der 1. Korrektion

Die eingesetzten technischen Mittel waren beachtlich: zwei Dampfbaggermaschinen, zwei Dampfkrane, 24 Transportschiffe, 122 Kippkisten, 60 Rollwagen, zwei kleine Dampflokomotiven und vier Kilometer Schienen.

Als erstes wurde ab 1868 der Nidau-Büren-Kanal realisiert. Dann folgte der Bau des Hagneckkanals (Umleitung der Aare von Aarberg in den Bielersee) ab 1875, am 16. August 1878 floss das Wasser der Aare erstmals in den Bielersee. 1891 wurden die Arbeiten abgeschlossen.

Im Bielersee wuchsen die St. Petersinsel und die Chüngeliinsel zu einer größeren Insel zusammen.

2. Juragewässerkorrektion

Auch nach der 1. Juragewässerkorrektion kam es noch zu teilweise katastrophalen Überschwemmungen. Die Probleme waren ungünstige Verhältnisse zwischen Zu- und Abfluss der drei Juraseen und Setzungen der Torfböden im Grossen Moos. Eine 2. Juragewässerkorrektion wurde geplant:

  • Zusammenschluss der drei Juraseen zu einem kommunizierenden System durch Verbreiterung und Vertiefung der Kanäle
  • Erhöhung des Abflussvermögens im Nidau-Büren-Kanal
  • Regulierbarkeit aller drei Seeniveaus durch ein Wehr bei Port
  • Regulierbarkeit des Wasserstands der Aare zwischen Port und der Emmemündung bei Zuchwil
  • Möglichkeit zur künftigen Anpassung der Seespiegel an die voraussichtlich zunehmende Senkung der Böden im Grossen Moos
  • eine weitere Absenkung der Seespiegel um 1 m

Mit dem Bundesbeschluss über die Bewilligung eines Beitrages an den Kanton Bern für die Erstellung einer neuen Wehranlage in Nidau-Port vom 20. September 1935 gab das Schweizer Parlament seine Zustimmung zum Beginn der Planungsarbeiten.

Bis 1939 entstand daraufhin im Kanal das Regulierwehr Port mit einer Schleuse für die Durchfahrt der Schiffe.

1962 begannen die Arbeiten der 2. Juragewässerkorrektion, die bis 1973 dauerten. Dabei wurde vor allem das Profil der Zihl zwischen dem Neuenburgersee und dem Bielersee erweitert und die Aare zwischen Büren an der Aare und Solothurn ausgebaggert.

Nach dieser zweiten Korrektion entwickelte sich das Seeland zum wichtigsten Gemüseanbaugebiet der Schweiz.

Siehe auch: Gewässerkorrektion, Solothurnersee

Literatur

  • Nast, Matthias: überflutet – überlebt – überlistet. Die Geschichte der Juragewässerkorrektionen. Hrsg. vom Verein Schlossmuseum Nidau. Biel 2006. ISBN 3-906140-73-3
  • Przegon, Wojczech: Jan Pawel Lelewels Generalplan zum Projekt der Trockenlegung der Sumpfgebiete des Seelandes (1834). In: Vermessung Photogrammetrie Kulturtechnik Heft 8 (1999) S. 432–434
  • Vischer, Daniel; Feldmann, Hans-Uli: Die erste Juragewässerkorrektion, 1868–1891. In: Cartographica Helvetica Heft 32 (2005) S. 17–32 Volltext

Einzelnachweise

  1. Baudirektion des Kantons Bern: Juragewässerkorrektion [1]
  2. Historisches Lexikon der Schweiz: Grosses Moor: 3 - Juragewässerkorrektionen und Urbarisierung

Weblinks


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