Jüdische Studien

Jüdische Studien

Jüdische Studien und Judaistik sind die offiziellen Bezeichnungen einer wissenschaftlichen Disziplin, die an mehreren deutschsprachigen Universitäten studiert werden kann und nach ihrem Selbstverständnis an die Tradition der Wissenschaft des Judentums anknüpft, die sich im 19. Jh. als eigenständige akademische Disziplin entwickelte. Die neuere Bezeichnung Jüdische Studien lehnt sich an die nach der Shoa (Holocaust) zunächst im angloamerikanischen Raum und Israel fortgesetzte Disziplin Jewish Studies an; als Begründer gilt in den USA Salo W. Baron (1895-1989), Historiker an der Columbia-Universität, zuerst Hochschullehrer in Wien. Judaistik ist die traditionelle Fachbezeichnung, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg im deutschsprachigen Raum durchsetzte, in Anlehnung an die Namen anderer Disziplinen wie Orientalistik, Romanistik, Hebraistik. Die ersten Gründungen deutschsprachiger judaistischer Institute an Philosophischen Fakultäten erfolgten seit den 1960er Jahren in Wien (Prof. Kurt Schubert), Berlin-West (Prof. Jacob Taubes), Köln (Prof. Johann Maier) und Frankfurt/Main (Prof. Arnold Goldberg). An der Humboldt-Universität in Berlin-Ost gab es das Fach Israelstudien. Laut der Homepage des Verbands der Judaisten in Deutschland besteht kein inhaltlicher oder methodischer Unterschied zwischen Jüdische Studien und Judaistik.

Das Fach hat die Vermittlung und Erforschung der über 3000-jährigen Geschichte von Religion und Kultur des Judentums zum Ziel. Jüdische Religions- und Kulturgeschichte werden hierbei nicht als passives Objekt äußerer Einflüsse, sondern als aktiv handelnder Teil der allgemeinen Kultur aufgefasst. Unabdingbar für die Auseinandersetzung mit der jüdischen Religions- und Kulturgeschichte ist die Kenntnis der Quellensprachen des Judentums, insbesondere Hebräisch, aber auch Aramäisch, Judäo-Arabisch, Jiddisch, Ladino, Judeo-Persisch und Judaeo-Griechisch. Das Studium der hebräischen Sprache möglichst in all ihren Entwicklungsstufen (biblisch, rabbinisch, mittelalterlich, modern) wird als Grundvoraussetzung für die kritische Quellenlektüre angesehen. Dieses Prinzip gilt nicht erst für die Postgraduate-Phase, sondern bereits in den Bachelorstudiengängen, in denen an angelsächsischen Hochschulen meist noch mit Übersetzungen, also mit Texten aus zweiter Hand, gearbeitet wird. Mit dieser spezifisch judaistischen Expertise hebt sich Jüdische Studien/Judaistik auch von anderen Fächern der Philosophischen Fakultät ab, die sich punktuell mit Judentum beschäftigen (Semitistik, Geschichte, Philosophie etc.).

Jüdische Studien/Judaistik sieht sich zwar in der Tradition der Wissenschaft des Judentums, was den philologischen und kulturhistorischen Anspruch angeht, dennoch gibt es einen Unterschied: Während die Wissenschaft des Judentums eine Disziplin von Juden für Juden war, die unter anderem der Neudefinition der eigenen Identität im modernen Staat dienen sollte, wird in Jüdische Studien/Judaistik Wert darauf gelegt, das Judentum von einem neutralen Standpunkt aus zu erforschen. Daher ist das Fach normalerweise an Philosophischen Fakultäten (oder, wo diese in ihrer klassischen Form nicht mehr bestehen, in geschichts- und kulturwissenschaftlichen Fachbereichen) angesiedelt und nicht an den Theologischen Fakultäten. Das Fach soll weder konfessionell gebunden noch darauf beschränkt sein, das Judentum allein als Religion zu betrachten.

Jüdische Studien/Judaistik kann an deutschen Universitäten als Ein- oder Zwei-Fach-Bachelor-Studiengang (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Halle/Saale, Heidelberg, Köln u.a.) sowie zum Teil als Master-Studiengang (Düsseldorf, Heidelberg u.a.) studiert werden. Lehrstühle mit einer kleineren Ausstattung gibt es in Bamberg, Freiburg/Breisgau, Göttingen, Mainz und München. Alle Studiengänge stehen Bewerbern und Bewerberinnen unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit offen. Ausgenommen davon ist die in Kooperation zwischen dem Institut für Jüdische Studien der Universität Potsdam und dem Abraham-Geiger-Kolleg angeschlossene Rabbinerausbildung.

Inhaltsverzeichnis

Universitäten

Deutschland

Österreich

Schweiz

Literatur

  • Wissenschaft vom Judentum. Annäherungen nach dem Holocaust, Hrsg. v. Brenner, Michael / Rohrbacher, Stefan, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2000, ISBN 978-3-525-20807-6
  • Günter Stemberger, Einführung in die Judaistik, München: C.H. Beck Verlag, 2002, ISBN 3406493335

Siehe auch

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hochschule für Jüdische Studien — Vorlage:Infobox Hochschule/Mitarbeiter fehlt Hochschule für Jüdische Studien Gründung 1979 …   Deutsch Wikipedia

  • Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg — Vorlage:Infobox Hochschule/Mitarbeiter fehlt Hochschule für Jüdische Studien Gründung 1979 Trägerschaft …   Deutsch Wikipedia

  • Vereinigung für Jüdische Studien — Die Vereinigung für Jüdische Studien ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Institutionen, welche auf dem Gebiet der jüdischen Religion, Geschichte und Kultur arbeiten. Zweck Die 1996 an der Universität Potsdam gegründete Einrichtung… …   Deutsch Wikipedia

  • Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien — Das Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch jüdische Studien (MMZ) ist ein Forschungsinstitut am Neuen Markt in Potsdam. Es wurde 1992 als An Institut der Universität Potsdam gegründet und ist nach dem Philosophen und Aufklärer Moses Mendelssohn …   Deutsch Wikipedia

  • Zentrum für Jüdische Studien Schanghai — Das Zentrum für Jüdische Studien Schanghai (chinesisch 上海犹太研究中心, engl. Center for Jewish Studies Shanghai (CJSS)) ist ein Institut der Akademie der Sozialwissenschaften Schanghai. Inhaltsverzeichnis 1 Forschung 2 Veröffentlichungen …   Deutsch Wikipedia

  • Hochschule für Jüdische Studien — Hochschule für Jüdische Studi|en,   1979 in Heidelberg gegründete, seit 1981 staatlich anerkannte (wissenschaftliche) Hochschule in der Trägerschaft des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die Hochschule für Jüdische Studien arbeitet auf der… …   Universal-Lexikon

  • Jüdische National- und Universitätsbibliothek — Jüdische National und Universitätsbibliothek …   Deutsch Wikipedia

  • Jüdische Literatur — Jüdische Literatur. Die I. L., die man auch, aber unpassend, Rabbinische Literatur nennt, beginnt in demselben Zeitalter, in welchem der Übergang des Hebraismus in das Judenthum (s.d.) stattfand. Auf der Hebräischen Literatur (s.d.) wurzelnd u.… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Jüdische Literatur — Jüdische Literatur, im weitern Sinne das gesamte Schrifttum der Juden vom Abschluß der Bibel bis zur Gegenwart. Sie wurzelt in der hebräischen Literatur, deren Pflege und Weiterbildung sie übernimmt. Zu der überkommenen eignen Gelehrsamkeit tritt …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Jüdische Musik — ist die Musik des jüdischen Volkes und erstreckt sich über einen Zeitraum von rund 3000 Jahren, von der biblischen Periode über die Diaspora und die Gründung des Staates Israel bis in die Gegenwart. Sie umfasst sowohl religiöse als auch weltliche …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”