Ladino (Sprache)

Ladino (Sprache)
Sephardisch

Gesprochen in

Israel, Türkei, Griechenland, Bulgarien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien
Sprecher 150.000
Linguistische
Klassifikation

Indogermanische Sprachen

Sprachcodes
ISO 639-2: (B) lad (T) lad
SIL:

lad

Ladino, Judenspanisch oder auch Spaniolisch (לאדינו/Ladino, (ג׳אודיו(־איספאנײל/Djudeo(-Espanyol) oder Djudezmo; in Marokko auch Hakitia) ist die traditionelle romanische Sprache der sephardischen Juden. Daher wird sie manchmal auch sephardische Sprache genannt. „Ladino“ ist nicht mit der ladinischen Sprache zu verwechseln.

Judenspanisch hat für die Sephardim die gleiche Funktion, wie Jiddisch für die Aschkenasim. Es sind die einzigen nicht-semitischen jüdischen Sprachen, die häufig in hebräischer Schrift geschrieben werden.[1]

Charakteristisches Merkmal des Judenspanischen gegenüber dem Spanischen ist die nicht durchgeführte kastilische Desonorisierung.

In den 1990er-Jahren wurde Ladino noch von etwa 150.000 Menschen gesprochen, zwei Drittel davon in Israel. Alle Sprecher beherrschen zumindest eine weitere Sprache fließend. Die Sprache besitzt nirgendwo offiziellen Status. Es gibt Zeitungen, Magazine und Radioprogramme in der Sprache in Israel und der Türkei. Außerhalb Israels gibt es Sprecher vor allem in der Türkei und in Bulgarien, sowie vereinzelt in Griechenland, Bosnien und Herzegowina und Mazedonien. Ladino ist vor allem in Israel und in der Türkei vom Aussterben bedroht, da es dort von Ivrith beziehungsweise vom Türkischen verdrängt wird. Auch in anderen Ländern ist es sehr stark im Rückgang begriffen und dort fast ausgestorben.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Während des Mittelalters waren Juden wesentlich an der Verbreitung des Kastilischen als Wissenschaftssprache beteiligt. Das damals von ihnen gesprochene Spanisch unterschied sich nur leicht von dem der übrigen Bevölkerung: So wurde das Wort Dios (Gott) in Dio umgewandelt, da die (vermeintliche) Pluralbildung dem monotheistischen Glauben widersprach. Das Wort domingo (Sonntag) wurde aufgrund des christlichen Hintergrundes nicht verwendet; statt dessen benutzte man den Begriff alhad, der auf das arabische Wort ‏الأحد‎ al-ahad, ‚der Erste; Sonntag‘ zurückgeht[2] . Zur Beschreibung des religiösen Lebens dienen wie in den anderen jüdischen Sprachen hebräische und aramäische Wörter. Zudem behielten die spanischen Juden das laryngale „ch“ des Arabischen bei, das im Spanischen dieser Zeit nicht existierte.

Nach der Vertreibung der Juden aus Spanien 1492 im Zuge der Reconquista (christliche Wiedereroberung) durch die Katholischen Könige breitete sich das Judenspanische über Südosteuropa, den Nahen Osten und Nordafrika aus. Erst zu diesem Zeitpunkt bildete sich eine eigene Sprache heraus.

Während der (sprachliche) Kontakt zum spanischen Mutterland in den sephardischen Gemeinschaften Englands, Italiens und Amsterdams nie ganz abriss, hatten die in das osmanische Reich (Griechenland, Türkei, Balkan, Nordafrika) geflüchteten Juden kaum mehr Kontakt dorthin. In Westeuropa machte das Sephardische daher eine ähnliche Entwicklung mit wie das Kastilisch-Spanische. Im Mittelmeerraum erhielten sich dagegen viele ältere Formen.

Durch die Modernisierung des Lebens auf dem Balkan und die damit einhergehende Zerstörung traditioneller jüdischer Lebensformen wurde das Judenspanische schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugunsten der Nationalsprachen Türkisch, Griechisch, Bulgarisch und Serbokroatisch verdrängt.[1] Während der Shoa wurden Ladino sprechende wie alle anderen Juden verfolgt und ermordet. Städte, in denen ehemals mehrheitlich Ladino gesprochen wurde, wie Saloniki, haben heute keine nennenswerte jüdisch-sephardische Minderheit mehr.

Die sephardische Gemeinschaft der Türkei blieb hingegen von diesen Entwicklungen weitgehend verschont. Das Judenspanische wird in Istanbul unter den älteren Generationen noch häufig gesprochen, aber unter den jüngeren Generationen durch das Türkische verdrängt. Viele nordafrikanische Juden flohen nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem arabischen Nationalismus nach Israel, so dass es dort heute seine Hochburg hat, aber allmählich durch das Neuhebräische verdrängt wird. In den USA muss es sich gegen das Englische und Spanische behaupten.[1]

Ladino als Schriftsprache

Ursprünglich wurde Ladino mit hebräischen Buchstaben geschrieben. Diese als aljamiado bezeichnete Schreibweise blieb im Nahen Osten und Nordafrika die Norm. Als Druckbuchstaben dienten dabei sowohl die sogenannte Raschi-Schrift als auch die eckige oder Quadratschrift. Der Raschidruck erschien immer ohne die Vokalmarkierungen, die Quadratschrift diente hauptsächlich dem Druck von Überschriften und dem Druck von religiösen Texten mit den masoretischen Vokalzeichen. Diese beiden Schriftarten wurden hauptsächlich in den großen Verlagsorten Saloniki und Konstantinopel genutzt, während die Mehrheit der sephardischen marokkanischen Literatur im handschriftlichen solitero oder soletro-Stil (auch letra de carta, letras españolas oder Judezmo) erschien, da es dort an Verlegern für judenspanische Literatur mangelte.

Die Sprache wird heute hauptsächlich in lateinischer und hebräischer Schrift geschrieben. Vor der Shoa wurden auch das kyrillische und insbesondere das griechische Alphabet für Ladino verwendet.

Die lateinische Orthographie des Judenspanischen folgt wahlweise dem Spanischen, Französischen oder Türkischen.[1]

Übersetzungen aus dem Hebräischen

Fachsprachlich wird mit „Ladino“, im Gegensatz zu Juden-Spanisch, auch eine andere Variante des Spanischen bezeichnet, die im 15. Jahrhundert entstand. Sie diente ausschließlich der Interlinearübersetzung von hebräischen Texte aus dem Tanach und aus Gebetbüchern und folgte in der Syntax und Wortwahl streng der hebräischen Vorlage. Das Ziel war also eine möglichst genaue Wiedergabe des Hebräischen Textes auch wenn die Übersetzung die spanische Grammatik nicht einhielt.

Dieses Ladino spielte eine Rolle bei der Rückkehr der zwangskonvertierten Conversos und ihren Nachkommen zum Judentum, da sie keine jüdische Bildung mehr erhalten hatten und das sakrale Hebräisch nicht verstanden. Ein berühmtes Werk in dieser Sprache ist die Ferrara-Bibel, eine Übersetzung des Tanach ins Ladino, die 1553 in Ferrara gedruckt wurde.

Dialekte

Bedingt durch das ausgedehnte geografische Verbreitungsgebiet haben sich verschiedene Dialekte entwickelt.

Die Dialekte des Balkans (orientalisches Ladino) sind stärker durch die türkische Sprache und die griechische Sprache beeinflusst, die nordafrikanischen Dialekte (westliches Ladino) verstärkt von arabischen und französischen Elementen.

Westliches Sephardisch

Language code nach ISO 639-2: lad.

Musik

Seit dem Mittelalter sind sowohl Lieder religiösen Inhalts wie auch weltliche Romanzen und Kinderlieder auf Ladino bezeugt. Der israelische Sänger Yehoram Gaon, selbst ein Abkömmling einer sephardischen Familie, hat zahlreiche Lieder auf Ladino aufgenommen. Daneben gibt es zahlreiche Aufnahmen von weiteren zeitgenössischen Künstlern. Die deutsche Mittelalter-Band In Extremo nahm den Song „Sephardim“ auf.

Literatur

  • Paloma Diaz-Mas: Sephardim. The jews from Spain. University of Chicago Press 1992, ISBN 0-226-14483-6
  • Georg Reimer: Wörterbuch Ladino – Deutsch – Englisch. Judenspanisches Wörterbuch. Enzyklopädie. ISBN 3-929076-05-5
  • Sabine Kowallik: Beiträge zum Ladino und seiner Orthographiegeschichte. Verlag Helmut Buske 1998, ISBN 3-87118-886-7
  • Socolovsky, Jerome. Lost Language of Ladino Revived in Spain, Morning Edition, National Public Radio, March 19, 2007. [1]
  • Armin Hetzer: Sephardisch: Einführung in die Umgangssprache der südosteuropäischen Juden. Wiesbaden 2001, ISBN 3-447-04465-9

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Johannes Kramer/Sabine Kowallik: Einführung in die hebräische Schrift. Hamburg: Buske 2006 (2. Aufl.)
  2. El contacto lingüístico en el desarrollo de las lenguas occidentales, S. 81

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