Kalchreuter

Kalchreuter

Heribert Kalchreuter (* 1939) ist ein deutscher Jagdwissenschaftler und Wildbiologe. Internationale Bekanntheit erlangte er vor allem durch sein Buch Die Sache mit der Jagd (erstmals 1977). Kalchreuthers Veröffentlichungen wurden und werden in der wissenschaftlichen Ornithologie regelmäßig als einseitig, polemisch und unwissenschaftlich klassifiziert, insbesondere wurde ihm immer wieder der Vorwurf mangelnder Seriosität bei der Zitierung und Bewertung wissenschaftlicher Arbeiten gemacht.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Heribert Kalchreuter studierte Geologie in München und Forstwissenschaften mit dem Abschluss als Diplom-Forstwirt an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. An deren Naturwissenschaftlich-mathematischer Fakultät wurde er 1970 mit der Dissertation Untersuchungen an Populationen der Rabenkrähe (Corvus c. corone) zum Dr. rer. nat. promoviert.

Kalchreuter unternahm zahlreiche Studienreisen in Europa, Nord-, Mittel- und Südamerika und war Dozent am College of African Wildlife Management in Tansania. In Bonndorf-Glashütte im Schwarzwald gründete er 1977 die Arbeitsstelle für Wildforschung in Baden-Württemberg. Im gleichen Jahr veröffentlichte er sein Buch Die Sache mit der Jagd. pro und contra, das im In- und Ausland breite Beachtung fand und kontroverse Diskussionen auslöste. Während es von Jagdwissenschaftlern wie Kurt Lindner und der Jägerschaft große Zustimmung erfuhr und der Deutsche Jagdschutz-Verband (DJV) ihm dafür 1978 den DJV-Preis für Öffentlichkeitsarbeit verlieh, stieß es in naturschützerischen und speziell ornithologischen Fachzeitschriften als Apologie der Jagd auf erhebliche Kritik. [1] Horst Stern meinte über den Autor sogar: „Die Jäger sehen in Kalchreuter ihren Erlöser.“ [2] Neben zahlreichen Übersetzungen in fremde Sprachen legte Kalchreuter in den folgenden Jahren immer wieder aktualisierte Neuauflagen dieses Bestsellers vor, so zuletzt im Jahr 2003 unter dem Titel Die Sache mit der Jagd. Perspektiven für die Zukunft des Waidwerks.

Ab 1978 war Kalchreuter im Jagdreferat des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten tätig und leitete ab 1981 das Fachgebiet „Wild- und Jagdökologie“ der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie.

Daneben war und ist Kalchreuter in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien aktiv, so in der Species Survival Commission der Weltnaturschutzunion (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources, IUCN), als Vorstandsmitglied von Wetlands International, Mitglied im Wissenschaftlichen Ausschuss des Abkommens zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasservögel (AEWA), Präsident und später Ehrenpräsident der Zugvogelkommission des Internationalen Jagdrates zur Erhaltung des Wildes (CIC), Mitglied im DJV-Niederwildausschuss oder im Vorstand der Jägervereinigung Hochschwarzwald e. V.. Kalchreuter ist seit 1977 Mitglied der CDU. [3]

Neben allgemeinen Fragen zur Jagd hat sich Kalchreuter vor allem auf das Federwild spezialisiert. So legte er 1979 das Werk Die Waldschnepfe vor und verfasste mehrere Bücher über das Rebhuhn und das Wasserwild. Auch in die zwischen Jägern und Naturschützern oft erbittert geführte Debatte um eine mögliche Bejagung der Rabenvögel schaltete er sich ein, unter anderem mit der Zusammenschau Rabenvögel und Artenschutz. Erkenntnisse internationaler Forschung (2001). Einen Großteil seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse veröffentlichte er in der Schriftenreihe Informationen aus der Wildforschung. Auch an der Erarbeitung der „Roten Liste“ der in Baden-Württemberg gefährdeten Vogelarten war er beteiligt.

Neben Sachbüchern veröffentlichte Kalchreuter unter dem Titel Zurück in die Wildnis. Jagdliche Abenteuer in Alaska, Afrika und Asien 1990 aber auch Erlebnisberichte über seine Jagd-Aufenthalte in Tansania, Alaska und der Mongolei. 2007 ergänzte er diese Schilderungen durch das autobiografische Buch Zwischen Wildnis und Zivilisation. Erlebnisse eines jagenden Weltenbummlers, das aus Gesprächen mit seiner langjährigen Mitarbeiterin Susanne Köneke heraus entstand. Präparate des von Kalchreuter erlegten Wildes werden im Museum des Europäischen Wildforschungsinstituts in Bonndorf-Glashütte aufbewahrt.

Für sein Buch Das Wasserwild. Verbreitung und Lebensweise. Jagdliche Nutzung und Erhaltung (2000) verlieh ihm der Internationale Jagdrat zur Erhaltung des Wildes (CIC) den „CIC Literary Technical Prize“ 2002. Sein jagdwissenschaftliches Lebenswerk wurde zudem mit dem „CIC Literary Cultural Prize“ gewürdigt. [4]

Heribert Kalchreuter lebt in Bonndorf-Glashütte. Die frühere Sozialministerin von Baden-Württemberg, Annemarie Griesinger, ist seine Tante.

Wissenschaftliche Rezeption

Nicht nur das oben erwähnte Buch Die Sache mit der Jagd, sondern auch Kalchreuters weitere Veröffentlichungen wurden und werden in der wissenschaftlichen Ornithologie regelmäßig als einseitig, polemisch und unwissenschaftlich klassifiziert, insbesondere wurde ihm immer wieder der Vorwurf mangelnder Seriosität bei der Zitierung und Bewertung wissenschaftlicher Arbeiten gemacht. So schrieb beispielsweise Gerhard Thielcke über eine Veröffentlichung Kalchreuters: „Kalchreuter hat sich mit seiner Art der Beweisführung und seinen verbalen Ausfällen gegen Naturschützer („Öko-Ideologen“) noch unter das Niveau von Wild und Hund der 1960er Jahre angesiedelt. Seine Schrift verdiente kein Wort der Besprechung, wenn sie nicht bei Jagdbehörden den Eindruck einer wissenschaftlich begründeten Notwendigkeit der Habichtbejagung machen könnte und auch schon (in Schleswig-Holstein) gemacht hat.“[5]

Leiter des Europäischen Wildforschungsinstituts

Mehrfach wurden Vorwürfe laut, Kalchreuter versuche mit einer Scheinprofessur, Seriosität vorzutäuschen. Laut Umschlagtext der fünften Auflage von "Die Sache mit der Jagd" leitete Kalchreuter zum damaligen Zeitpunkt (2003) das Europäische Wildforschungsinstitut an der Landwirtschaftlichen Akademie in Posen (Akademia Rolnicza im. Augusta Cieszkowskiego w Poznaniu). Zu jenem Zeitpunkt war allerdings weder über die Internetseite der Akademie noch über telefonische Nachfragen irgendetwas über Kalchreuter oder das Institut in Erfahrung zu bringen. Offensichtlich waren sowohl Kalchreuter als auch sein Institut an der Akademie unbekannt.

Kalchreuter wurde in der Tat 2002 vom polnischen Präsidenten Alexander Kwaśniewski zum Professor ernannt. Jedoch findet sich keinerlei Verbindung zum angeblichen Institut in Posen, sondern lediglich ein Verweis auf das "European Wildlife Research Institute" in Deutschland.[6] Dieses "europäische" Institut hat nicht einmal eine Internetseite, es ist nur über Seiten von oder über Heribert Kalchreuter etwas darüber in Erfahrung zu bringen. Die Kontaktdaten des Instituts sind mit Kalchreuters Privatadresse und -telefonnummer identisch.[7] Insgesamt dürfen sowohl die Existenz des Instituts im Sinne einer wissenschaftlichen Einrichtung als auch Kalchreuters leitende Stellung bezweifelt werden.

Schriften

  • Untersuchungen an Populationen der Rabenkrähe (Corvus c. corone), Dissertationsschrift, Freiburg im Breisgau 1970
  • Die Sache mit der Jagd. pro und contra, München, Bern und Wien 1977 (5., neu bearbeitete und erweiterte Auflage unter dem Titel Die Sache mit der Jagd. Perspektiven für die Zukunft des Waidwerks, Stuttgart 2003, ISBN 3-440-09323-9)
  • Die Waldschnepfe, Mainz 1979 (ISBN 3-87341-030-3)
  • Habicht, Mensch und Beutetier, Informationen aus der Wildforschung (Nr. 1), Bonndorf-Glashütte 1980
  • Vom Rebhuhn und seiner Umwelt. Ein Überblick über neue Erkenntnisse, Informationen aus der Wildforschung, Mainz 1982 (ISBN 3-87341-040-0)
  • als Herausgeber: Second European Woodcock and Snipe Workshop. Fordinbridge, England, 30th March - 1st April 1982, Slimbridge 1983
  • Wasserwild im Visier. Jagd und Schutz von Wasservögeln, München, Wien und Zürich 1987 (2., vollständig aktualisierte Auflage unter dem Titel Das Wasserwild. Verbreitung und Lebensweise. Jagdliche Nutzung und Erhaltung, Stuttgart 2000, ISBN 3-440-08150-8)
  • Zurück in die Wildnis. Jagdliche Abenteuer in Alaska, Afrika und Asien, Hamburg und Berlin 1990 (ISBN 3-490-40011-9)
  • Rebhuhn aktuell. Ein Überblick über neue Erkenntnisse, Informationen aus der Wildforschung, Mainz 1991 (ISBN 3-87341-074-5)
  • Jäger und Wildtier. Auswirkungen der Jagd auf Tierpopulationen, Informationen aus der Wildforschung, Mainz 1994 (ISBN 3-87341-078-8)
  • als Herausgeber: Fourth European Woodcock and Snipe Workshop. Proceedings of an international symposium of the IWRB Woodcock and Snipe Research Group, Saarbrücken, Germany, 6 - 8 April 1992 = Quatrième Symposium Européen sur la Bécasse et la Bécassine, IWRB publication (31), Slimbridge 1994 (ISBN 0-9505731-4-0)
  • zusammen mit Zygmunt Pielowski: Greifvögel und Niederwildhege, Paris 1996
  • als Herausgeber: Proceedings of the First and the Second International Conference of Baltic Sea States, may 1993 and may 1995, Informationen aus der Wildforschung, Mainz 1996 (ISBN 3-87341-083-4)
  • zusammen mit Volker Guthörl: Wildtiere und menschliche Störungen. Problematik und Management, Informationen aus der Wildforschung, Mainz 1997 (ISBN 3-87341-086-9)
  • als Herausgeber: Fifth European Woodcock and Snipe Workshop. Proceedings of an international symposium of the Wetlands International Woodcock and Snipe Specialist Group, Czempin, Poland, 3 - 5 May 1998, Wetlands International global series (4) / International wader studies (11), Wageningen 2000 (ISBN 90-5882-004-1)
  • Rabenvögel und Artenschutz. Erkenntnisse internationaler Forschung, Informationen aus der Wildforschung, Mainz 2001 (ISBN 3-87341-096-6)
  • zusammen mit Susanne Köneke: Zwischen Wildnis und Zivilisation. Erlebnisse eines jagenden Weltenbummlers, Stuttgart 2007 (ISBN 978-3-440-11199-4 oder ISBN 3-440-11199-7)

Daneben ist Kalchreuter auch Bearbeiter des Kapitels „Federwild“ in der 29. Auflage des von Richard Blase begründeten Lehrbuchs Die Jägerprüfung. Das Lehr-, Lern- und Nachschlagewerk für Ausbildung und Praxis (Wiebelsheim 2007, ISBN 978-3-494-01434-0 oder ISBN 3-494-01434-5). Außerdem verfasste oder bearbeitete er verschiedene Merkblätter des DJV-Niederwildausschusses zu Rebhuhn, Waldschnepfe, Wildgänsen und Wildenten.

Literatur

  • Erhard Ueckermann: Dr. Heribert Kalchreuter Leiter des Fachgebietes Wild- und Jagdökologie in der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie. In: Zeitschrift für Jagdwissenschaft. 27. Jahrgang, Heft 4/1981, S. 293-294, ISSN 0044-2887
  • Thomas Winter: Jagd - Naturschutz oder Blutsport?, Passau 2003, ISBN 3-00-012219-2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heribert Kalchreuter: Vorwort zur zweiten Auflage. In: Die Sache mit der Jagd. pro und contra. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-596-23021-7, S. 11-12
  2. Heribert Kalchreuter: Vorwort zur zweiten Auflage. In: Die Sache mit der Jagd. pro und contra. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-596-23021-7, S. 13
  3. Regina Folkerts: 30 Jahre der CDU die Treue gehalten. Ehrung von Prof. Dr. Heribert Kalchreuter. In: Intern. Das offizielle Mitteilungsblatt des CDU-Kreisverbandes Waldshut, Nr. 12/2007, S. 4 (pdf)
  4. CIC: Literary Prize Winners, 2002 (englisch)
  5. Gerhard Thielcke: Besprechung von: H. Kalchreuter: Habicht, Mensch und Beutetier. Inf. Wildforsch. 1: 1-26. In: Berichte der Deutschen Sektion des Internationalen Rates für Vogelschutz 20, 1980: S. 142-144
  6. http://www.prezydent.pl/x.node?id=6042904&eventId=1507449
  7. http://de.local.yahoo.com/Landkreis_Waldshut/Sommerau/Reisebüros/1011681863-e-20159549.html

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