Karl Schmidt-Hellerau

Karl Schmidt-Hellerau

Karl Camillo Schmidt-Hellerau (* 1. Februar 1873 in Zschopau; † 6. November 1948 in Hellerau) war Tischler, Möbelfabrikant, Sozialreformer und Gründer der ersten deutschen Gartenstadt Hellerau.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach seiner Tischlerlehre in seiner Heimatstadt arbeitete Karl Schmidt (den zusammengesetzten Namen Schmidt-Hellerau nahm er erst 1938 an) als Geselle in deutschen und nordeuropäischen Städten, unter anderem auch in England, wo er die maschinelle Serienfertigung von Möbeln unter Verwendung von Serienbauteilen kennenlernte.

Im Jahr 1898 gründete Karl Schmidt in Dresden-Laubegast seine eigene Bautischlerei und Möbelfabrik, die „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst Schmidt & Engelbrecht“ (ab 1899 „…Schmidt & Müller“). Er war Anhänger der Lebensreformbewegung. Dies spiegelte sich unter anderem darin wider, dass in seiner Fabrik ein herzlicher Umgangston herrschte und dass Karl Schmidt versuchte, seine Arbeiter kulturell und kunsthandwerklich weiterzubilden. Auf Grund seiner ästhetischen und handwerklichen Ideen wurde er „Holz-Goethe“ genannt.

Für den Entwurf seiner Serienmöbel und -gebrauchsgegenstände engagierte er Künstler und Kunsthandwerker. Die Künstler wurden anteilig am Umsatz beteiligt und ihre Namen wurden in den Produktkatalogen angegeben, was beides zu jener Zeit ein Novum darstellte. Unter anderem arbeitete er mit international bekannten Künstlern zusammen, wie zum Beispiel mit Charles Rennie Mackintosh und Mackay Hugh Baillie Scott. Seit 1902 arbeitete er auch mit dem Münchner Künstler und Architekten Richard Riemerschmid zusammen. Später heiratete er dessen Schwester.

Auf der Deutschen Kunstausstellung, die 1899 in Dresden stattfand, stellte Schmidt komplette Wohnausstattungen vor, und als einziger Dresdner Betrieb wurden seine Werkstätten daraufhin zur Weltausstellung von 1900 in Paris eingeladen, wo ihre Reformmöbel mit drei Bronzemedaillen ausgezeichnet wurden.

In den Jahren 1904 und 1905 entwarf Richard Riemerschmid Maschinenmöbel – modern und sachlich gestaltete Möbel, die Formgebung und Funktion im Hinblick auf ein maschinengerechtes Produzieren vorbildlich miteinander verband. Die Möbel wurden aus einer Anzahl typisierter Elemente zusammengesetzt, sie waren vielfältig kombinierbar und konnten in hohen Stückzahlen hergestellt werden. „Dresdner Hausgerät“ nannte sich das Programm. Die Möbel konnten zerlegt bzw. leicht wieder zusammengesetzt werden, sodass sie raumsparend zu den Kunden transportiert und auch verschickt werden konnten. Ab 1912/1913 wurden die Typenmöbel durch Entwürfe anderer Künstler ergänzt und seitdem unter dem Programmnamen „Deutsches Hausgerät“ angeboten.

Grab Karl Schmidt-Helleraus auf dem Alten Friedhof in Dresden-Klotzsche

Im Jahre 1907 schloss sich sein Betrieb mit den Münchner Werkstätten für Wohnungseinrichtung (Karl Bertsch, Adelbert Niemeyer, Willy von Beckerath) zusammen, und das neue Unternehmen wurde Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst GmbH genannt (1913 in eine AG umgewandelt). Um die Produktion zu optimieren, wurde ein Fabrikneubau geplant. Um die Mitarbeiter stärker zu motivieren, sollten sie in der Nähe des neuen Werkes angesiedelt werden und bessere Wohnbedingungen vorfinden, als zu jener Zeit üblich. Das Ergebnis war die Gründung der ersten deutschen Gartenstadt, Hellerau, einer Reformsiedlung am Nordrand von Dresden im Ortsamtsbereich Klotzsche.

Schmidt wurde inspiriert von den Ideen der Lebensreform, der englischen Arts-and-Craft-Bewegung und der von Ebenezer Howard begründeten Gartenstadtbewegung. Der Landkauf für Fabrik- und Siedlungsneubau erfolgte 1906 und die Konzipierungsphase begann im selben Jahr. Schmidt beauftragte Richard Riemerschmid, einen Gesamtplan für die Bebauung zu entwerfen. Im Juni 1909 erfolgte der erste Spatenstich. Bereits 1910 wurde in den neuerbauten Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst Hellerau produziert, und die ersten Bewohner siedelten sich in Hellerau an.

Karl Schmidt ist auch einer der Initiatoren und Gründerväter des 1907 gegründeten Deutschen Werkbunds.

Weitere wichtige Möbelentwicklungen waren 1926/27 das Typenmöbelprogramm „Die billige Wohnung“ (Entwurf durch den Stuttgarter Architekt Adolf Gustav Schneck) und 1935 das Anbaumöbelprogramm „Die wachsende Wohnung“ von Bruno Paul, das auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg bis ca. 1958 produziert wurde.

Zitat

Karl Schmidt in „Offener Brief an die Künstler“, Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst, Dresden, 1898: „Wir wollen … Zimmereinrichtungen … schaffen, die nicht auf den hohlen Schein berechnet sind und nicht das Reiche und Prächtige mit unzulänglichen Mitteln in unsolider Weise nachahmen … Wir schaffen Möbel, die so gestaltet sind, daß jedes Hausgerät gerade seinem Zweck aufs beste dient und seinen Zweck in seiner Form zum Ausdruck bringt.“

Karl Schmidt im „Jahrbuch des Deutschen Werkbundes“, Jena, 1912: „Es ist merkwürdig, wie schwer die einfache Tatsache begriffen wird, nämlich, daß das Rohmaterial – und mit ihm natürlich auch der daraus hergestellte Gegenstand – am billigsten bleibt, wenn es gut und gewissenhaft verarbeitet wird. Wenn wir Holz zu Schundmöbeln verarbeiten …, versündigen wir uns an einem Naturprodukt. Die Erde gibt Rohmaterialien nur in beschränkten Mengen her. Verbrauchen wir soviel Material als die Erde jährlich wachsen läßt, so werden wir für die Materialien einen mäßigen Normalpreis haben; könnten wir weniger verarbeiten, so würde durch starkes Angebot der Preis sinken; verbrauchen wir aber mehr, so steigt der Preis im Verhältnis des Mehrverbrauchs. Nicht allein, daß wir damit die Güter verteuern, sondern wir leben auch auf Kosten unserer Kinder und Enkel. Es ist eine Sünde und Schande, so zu verfahren.“

Peter de Mendelssohn in „Hellerau, mein unverlierbares Europa“ über Karl Schmidt: „Am Anfang war ein Mann namens Schmidt. Wem dies gotteslästerlich vorkommt, der braucht nicht weiterzulesen, denn er wird ohnehin nicht verstehen, worum es sich hier handelt. Ich weiß indessen, daß es stimmt. Schmidt war ein Schöpfer. Ohne ihn hätte es nichts, rein gar nichts von dem gegeben, was hier erzählt werden wird.“

Literatur

  • Peter de Mendelssohn: Hellerau – Mein unverlierbares Europa. Hellerauer Verlag, Dresden 1999, ISBN 978-3-910184-16-9.
  • Michael Fasshauer: Das Phänomen Hellerau. Hellerauer Verlag, Dresden 1997, ISBN 978-3-910184-25-1.
  • Dresdner Geschichtsverein e.V. (Hrsg.): Gartenstadt Hellerau, Der Alltag einer Utopie. Dresdner Geschichtsverein, Dresden 1997, ISBN 3-910055-42-7.
  • Peter Peschel: Konzeption zum Aufbau und zur Entwicklung des Firmenmuseums der Deutsche Werkstätten Hellerau GmbH. Diplomarbeit, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (FH), Leipzig 1996.
  • Clemens Galonska, Frank Elstner: Gartenstadt Hellerau / Garden City of Hellerau. Palisander, Chemnitz 2007, ISBN 978-3-938305-04-1.
  • Thomas Nitschke: Die Gartenstadt Hellerau als pädagogische Provinz. Hellerau-Verlag, Dresden 2003, ISBN 3-910184-43-X.
  • Thomas Nitschke: Die Gartenstadt Hellerau im Spannungsverhältnis zwischen weltoffener Reformsiedlung und nationalistisch gesinnter völkischer Gemeinde. Dissertationsschrift. Martin-Luther-Universität Halle 2007.
  • Thomas Nitschke: Die Geschichte der Gartenstadt Hellerau. Hellerau-Verlag, Dresden 2009, ISBN 978-3-938122-17-4.

Weblinks


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