Kazem Darabi

Kazem Darabi

Kazem Darabi oder Kazem Darabi Kazerouni (* 1964 in Kazerun / Iran, persisch ‏ کاظم دارابى‎), auch Abu Hadj oder Abu Mehdi genannt, ist ein vom Berliner Kammergericht zu lebenslanger Haft verurteilter iranischer Geheimdienstmitarbeiter, der als Repräsentant der Hezbollah in den 1990er Jahren in Deutschland tätig war und als Drahtzieher des Mykonos-Attentats in Berlin-Wilmersdorf gilt. Am 10. Dezember 2007 wurde Darabi nach 15 Jahren Haft vorzeitig entlassen und anschließend in den Iran abgeschoben.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Darabi wurde im Iran als Sohn eines Kaufmanns und einer Hausfrau geboren. Mit zwei Brüdern wuchs er in Teheran auf und beendete die Schule mit einem dem Realschulabschluss vergleichbaren Abgangzeugnis. Nach der Revolution schloss er sich den neu gegründeten iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) an und durchlief eine militärische Ausbildung in einem ihrer Lager in der Nähe der Stadt Rasht. Trotz mangelnder Deutschkenntnisse reiste Darabi wahrscheinlich am 1. April 1980 mit einem Studentenvisum in die Bundesrepublik Deutschland. Er belegte kurze Zeit nach seiner Ankunft im September 1980 bis März 1981 einen sechsmonatigen Deutsch-Kurs mit einem darauf folgendem Praktikum. Zur Erlangung der Studienberechtigung absolvierte er zwei Semester im Winter 1981/1982 und anschließend im Sommer 1982 an der Fachhochschule Hagen. Zwischen dem 21. Juli 1982 und dem 14. Oktober 1982 befand er sich auf Grund einer Ausweisungsverfügung in Abschiebehaft. Der Iran intervenierte allerdings zu seinen Gunsten, worauf er eine Duldung erhielt, die seinen weiteren Aufenthalt in Deutschland sicherte. Im Frühjahr 1983 zog er nach Berlin, um ein Studium des Bauingenieurwesens im Wintersemester 1983/84 an der Technischen Fachhochschule aufzunehmen. Ende 1985 heiratete er die Schwester seines späteren Geschäftspartners, mit dem er ein Lebensmittelgeschäft und eine Bügelei im Berliner Stadtteil Neukölln betrieb. Das Geld für den Kauf der Geschäftsräume erhielt Darabi wahrscheinlich von Mitarbeitern der Iranischen Botschaft, für welche er geheimdienstlich tätig war. Darabi bezog zwei Wohnungen, eine in der Detmolderstraße im Berliner Stadtteil Wilmersdorf, in der er zeitweise iranische Geschäftsleute und Geistliche auf Deutschlandbesuch unterbrachte, sowie eine weitere Wohnung in der Weserstraße im Berliner Stadtteil Neukölln, in der er mit seiner libanesischstämmigen Frau und seinen drei Kindern (zwei Töchter, von denen die ältere an einer körperlichen Behinderung leidet, und ein Sohn) lebte.

Tätigkeiten in Berlin

Seit 1983 betätigte sich Darabi im Auftrag des Iranischen Geheimdienstes (VEVAK) in dem Verein Islamischer Studenten Berlin-West e.V, in dem sich Befürworter der Islamischen Republik Iran sammelten. Ab 1984 war er im Vorstand des Vereins und im Dachverband der Union Islamischer Studentenvereine in Europa (UISA). Für die im Berliner Stadtteil Gesundbrunnen befindliche schiitische Imam-Jaffar-Sadiq-Moschee erhielt Darabi seitens der Iranischen Botschaft die Leitung und war für die Organisation verschiedener Großveranstaltungen im Raum Berlin verantwortlich. Unter anderem organisierte er die alljährlichen Aschura-Feierlichkeiten und die Demonstrationen zum Al-Quds-Tag. Darabi erhielt demnach täglich iranische Gelder die er dementsprechend einsetzte.

Zur seinen wichtigsten geheimdienstlichen Tätigkeiten gehörte das Ausspähen von Gegnern des Teheraner Regimes und die Berichterstattung an die iranischen Behörden über oppositionelle Gruppen, wie die MKO oder den im Mykonos-Attentat ermordeten Anhänger der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran (DPK-I). Des Weiteren galt Darabi unter iranisch-libanesischen Hezbollah-Anhängern in Deutschland als Repräsentant und Leiter der Berliner Filiale der Hisbollah und Herausgeber einer Arabisch-Persisch-sprachigen Studentenzeitung namens AI Wahda („Die Einheit“). Darabi organisierte viele Gegendemonstrationen bei gegen das iranische Regime gerichteten Veranstaltungen von im Exil lebenden Iranern und oppositionellen Gruppen, bei denen es mehrmals zu gewalttätigen Übergriffen seitens der iranisch-libanesischen Hezbollah-Anhänger gegen Oppositionelle kam. Unter Freunden und Besuchern der Imam-Jaffar Sadiq-Moschee war Darabi auf Grund seiner Pilgerfahrt im August 1992 nach Mekka auch unter dem Spitznamen Al-Haddsch bekannt. Neben dem Persischen Farsi spricht Darabi fließend Arabisch und Türkisch.

Verhaftung und Verurteilung

Darabi wurde am 8. Oktober 1992 auf Grund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vorläufig festgenommen und befand sich bis zu seiner Verurteilung durch das Berliner Kammergericht im April 1997 in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit in Untersuchungshaft. Nach dreieinhalbjährigem Prozess wurden Darabi und ein weiterer Mittäter,der Libanese Abbas Rhayel, zu lebenslanger Haft in der Justizvollzugsanstalt Tegel verurteilt. Im November 2003 kam es zu einer Verlegung Darabis aus der Haftanstalt Berlin-Tegel in die Justizvollzugsanstalt Dresden zur Sicherungsverwahrung in die Isolationshaft. Demnach wurde bekannt, dass Darabi innerhalb der Justizvollzugsanstalt Tegel erste Organisationsstrukturen zwischen den meist arabischstämmigen Mithäftlingen aufbauen konnte. Nach deren Aussagen galt Darabi, der von den Insassen stets mit dem Spitznamen Abu Mehdi angesprochen wurde, als Respektsperson und war äußerst beliebt. Bei der Untersuchung seiner Zelle durch das Spezialeinsatzkommando der Polizei (SEK) fanden die Beamten ein illegal eingeschleustes Mobiltelefon, mit dem Darabi aus der Haft heraus telefoniert haben soll. Laut Behörden führte dieser Anhaltspunkt zum Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung innerhalb des Gefängnisses seitens Darabis und zu dessen Fluchtgefahr mit den daraus folgenden Sicherheitsmaßnahmen.

Entlassung und Abschiebung

Am 11. Oktober 2007 entschied der Bundesgerichtshof, nach § 456a StPO, dass Kazem Darabi im Dezember 2007 nach 15 Jahren Haft freigelassen und anschließend in den Iran abgeschoben werden soll. Er wurde am Montag den 10. Dezember 2007 aus der Haft entlassen [1] und über den Flughafen Köln/Bonn in den Iran geflogen. Am Flughafen Teheran-Imam Khomeini wurde Darabi, in Anwesenheit der iranischen Presse IRNA und IRIB von seiner Familie und dem stellvertretenden Generaldirektor für Europa im iranischen Außenministerium, Mohammad Bagheri und weiteren politisch hochrangigen Regimevertretern warm empfangen und als „Held der Nation“ geehrt. In einer Pressekonferenz am selben Tag vor inländischen sowie ausländischen Journalisten bestritt Darabi alle ihm vorgeworfenen Straftaten und kündigte ein von ihm auf deutsch verfasstes Buch über seine Verurteilung und die Demokratie in der BRD an.

Einzelnachweise

  1. Süddeutsche Zeitung: Mykonos-Attentäter Darabi kommt frei 11. Oktober 2007

Weblinks


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