- Goldene Horde
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Goldene Horde (mongolisch Алтан Орд Altan Ord; tatarisch: Altın Urda;[1] russisch Золотая Орда Solotaja Orda) war die Bezeichnung eines mittelalterlichen mongolisch-turkischen Khanates, das sich von Osteuropa bis nach Westsibirien erstreckte.
Residenzsitz der mongolisch-türkischen Khane war bis ca. 1342 die Stadt Alt-Sarai im Wolgadelta. Danach wurde das weiter nördlich an der Wolga gelegene Neu-Sarai (auch Berke-Sarai) der Residenzsitz der mongolisch-türkischen Herrscher. Allerdings waren diese Städte nur in den Wintermonaten von den Khanen bewohnt, da sich diese – den alten nomadischen Traditionen entsprechend – im Sommer mit ihren Pferdeherden in den weiten Steppengebieten der Ukraine, Russlands und Kasachstans aufhielten und in dieser Zeit von ihnen bevollmächtigten Statthaltern vertreten wurden.
Inhaltsverzeichnis
Namensherkunft und Alternativbezeichnungen
Das um 1236 von mongolischen Reiternomaden gegründete Khanat wurde vom mongolischen Prinzen Batu (reg. 1236–1255) Enkelsohn von Dschingis Khan als Ulus Jochi („Volk vom Stamm Jochis“) bezeichnet. Alten Traditionen zufolge bestand dieses Khanat aus einem rechten und einem linken Flügel. Diese „Flügel“ wurden aus zwei Horden gebildet. Der rechte Flügel bestand aus der Weißen Horde, der linke wurde aus der Blauen Horde gebildet. Dabei sind die Farbbezeichnungen fließend und nicht immer voneinander abzugrenzen.
Aufgrund ihres Reichtums wurde diese nun vereinigte Horde von der russischsprachigen Bevölkerung als Золотая Орда Solotaja Orda, „Goldene Horde“, genannt. Es wird auch vermutet, dass sich diese Bezeichnung von der Zeltfarbe des Dynastie-Gründers ableitet. Dieser soll alten Aufzeichnungen zufolge in einer goldfarbenen Jurte (mongolisch Алтан Ордон, Аltan Ordon „Goldener Palast“) gelebt haben. Die türkisch-mongolischen Herrscher und die ihnen unterstehenden Wolga-Ural-Tataren übernahmen schließlich selbst diese Bezeichnung. Zuvor hatten sie auch in Bezug auf ihre turksprachigen Untertanen, den Kyptschaken, die Bezeichnung Khanat Kiptschak zur Bezeichnung ihres Herrschaftsgebietes verwendet.
Geschichte
Machtzentren
Die als „Mongolen“ bezeichneten Tataren siedelten hauptsächlich an Wolga und Kama. Die Masse der Bevölkerung wurde jedoch von Angehörigen türkischer Stämme gestellt. Vielfach entstanden die Städte der Goldenen Horde aus Zeltstädten, die als Kern eine feste Ansiedlung bekamen. Da die Khane seit Berke (reg. 1257–1267) die Landeigentümer und Pächter schützten, war die Grundlage einer städtischen Kultur gegeben, auch wenn der Großteil der Bevölkerung noch lange als Nomaden lebte. Auch die Khane selbst zogen es vor, im Sommer in Zelten und nicht im Palast zu wohnen.
Die Zentren des Staates bildeten vom 13. bis zum 16. Jahrhundert die Städte Sarai in Astrachan, Neu-Sarai, Bolgar, Kasan und Asow. Sie wurden von verschleppten Handwerkern erbaut und durch russische Steuern beziehungsweise Tribute sowie den Handel finanziert. Das Wissen dazu wurde aus Ägypten (durch Einwanderer), aus dem einstigen Wolgabulgarien und Turkestan (Wasserversorgung) entlehnt. Neu-Sarai hatte eine halbe Million Einwohner und wurde 1395 von Timur Lenk (Tamerlan) zerstört.
Staatsaufbau, Teilherrschaften
Die Khane der Goldenen Horde zeigten kein übermäßiges Interesse an staatlichen Einrichtungen. Von Usbek Khan (reg. 1312-1341/2) wird beispielsweise gesagt, dass er sich nur im Allgemeinen um die Belange seines Reiches kümmerte, mit den ihm zufließenden Geldern zufrieden war und nicht weiter danach fragte, wie sie eingenommen und wieder ausgegeben wurden. Heer und Regierungsapparat waren wie auch im Ilchanat nach Funktionsbereichen aufgeteilt, doch hatten die ranghöchsten Wesire und Emire nicht das gleiche Bestimmungsrecht wie dort. Die Frauen der Khane hatten auch größeren Einfluss.
Aufgrund der besonderen Stellung des prinzlichen Emirs Noqai († 1299) bildete sich später in den Südregionen der Goldenen Horde die Nogaier-Horde heraus. Und da die Khane der Krim und einige andere Fürsten auf Toqa Timur, einen weiteren Bruder Batus zurückgeführt werden können, vermutet man auch hier mitunter eine (allerdings unbedeutende) Teilherrschaft.
Herrschaft über Russland
Die Khane der Goldenen Horde beherrschten von 1238/1240 bis 1480 Russland, was die wirtschaftliche Stellung Russlands in Europa beeinträchtigte („Tatarenjoch“). Die russischen Fürsten mussten sich in Sarai in ihrem Amt bestätigen lassen, mongolische Steuer- und Tributeintreiber unterstützen und Truppen stellen. Die Khane förderten die Aufspaltung Russlands in bedeutungslose Fürstentümer und unternahmen deswegen wiederholt Kriegszüge in dem Land (besonders 1259, 1281, 1293, 1317, 1327, 1382, 1408 - siehe Mongolische Invasion der Rus). Zu guter Letzt unterstützten sie Iwan Kalita (reg. 1325-1341) von Moskau, der ihnen eine verhältnismäßige Ruhe und damit den Tribut garantierte, aber auch den Aufstieg Moskaus begründete.
Kriegszüge und Militär
Die Goldene Horde unter Batu Khan belagerte 1241 u.a. Krakau und Breslau und drang in Teile Schlesiens und Niederschlesiens vor. Sie blieben bei der Schlacht bei Wahlstatt (Schlesien) und der Schlacht bei Muhi (Ungarn) ungeschlagen. 1242 stießen sie bis Wiener Neustadt bzw. an die Adria (Dubrovnik) vor und fielen erneut 1259 und 1285/86 in Polen, 1262 in Ungarn, 1259 und 1275 in Litauen, sowie 1264, 1277/80 und 1285 in die Walachei und Bulgarien ein.
Der militärische Erfolg, der dazu führte, dass ihnen besonders im 13. Jahrhundert der Ruf der Unbesiegbarkeit vorauseilte, war begründet in einer der europäischen Heeresform des Mittelalters überlegenen, leicht gepanzerten und sehr beweglichen Reiterei (Kavallerie). Während das klassische Feudalheer in zwei oder mehr Teile geteilt war, eine schwer gepanzerten und mit langen Lanzen bewaffnete Reitereinheit, die vom Adel oder reichen Grundbesitzern gestellt wurde, und das nicht gepanzerte und mit einfachen Waffen ausgerüstete Fußvolk (Infanterie), war das Heer der Goldenen Horde meist vollständig beritten und mit leichten Waffen wie Pfeil und Bogen, Speeren oder Säbeln bewaffnet. Es war zudem taktisch geschult und (anders als die ritterlichen Einzelkämpfer, die sich nach einem ersten Ansturm meist in Grüppchen auflösten) in der Lage, seine Schlachtordnung zu halten. Trotzdem waren sowohl Litauer als auch Russen schließlich in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts in der Lage, Truppen aufzustellen und Taktiken zu entwickeln, die es mit der Kavallerie der Goldenen Horde aufnehmen konnten.
Handel
Die Goldene Horde verfügte über weitreichende Handelsbeziehungen. Besonders der Handel über die Krim nach Ägypten war ausgeprägt und kann nur noch mit den Handelsbeziehungen zu den Italienern, hier vor allem Genua und Venedig, verglichen werden. Des Weiteren existierte ein Handelsverkehr auf dem Landweg über Kiew, auch entlang der Flüsse nach Norden, der Waren nach Mitteleuropa brachte durch Kaufleute aus Breslau, Groß-Nowgorod und Riga. Ein umfangreicher Pferdehandel existierte mit Indien.
Islamisierung
Eine Minderheit der Mongolen und Tataren hatte schon im 13. Jahrhundert zusammen mit Berke Khan und Prinz Noqai den Islam angenommen. Im 14. Jahrhundert fand unter Sultan Usbek (reg. 1312-1341/2) eine umfassende Islamisierung der Goldenen Horde statt, was – verbunden mit einer staatlichen Neuordnung – zu einer Blütezeit führte. Die Oberschicht trat gleichsam auf Befehl zum Islam über, aber in der Bevölkerung duldete man noch lange schamanistische und auch viele christliche (Assyrische Kirche, Orthodoxe Kirche) Türken und Mongolen. Analog dazu setzte sich unter Usbek das islamische Recht durch, man hielt sich im 14. Jahrhundert nur noch an einige wichtige Bestimmungen der Jassa. Anders als die mongolischen Ilchane in Persien oder später Tamerlan, erkannten die Khane der Goldenen Horde das von den Mameluken errichtete Schatten-Kalifat der Abbasiden in Kairo formal an.
Niedergang, Konfrontation mit Litauen und Moskau
Um 1346 wurde die Goldene Horde von der „Großen Pest“ in Mitleidenschaft gezogen (85.000 Todesopfer allein auf der Krim), wobei sich die Tataren und Ägypter gegenseitig die Schuld zuwiesen. Sie kam über den Handelsverkehr (vielleicht aus China, wo sie 1344 ausbrach) und hat sich – der Legende nach über genuesische Flüchtlinge aus Kaffa – weiter nach Europa verbreitet.
Nach 1357 begann der Niedergang der Goldenen Horde durch inneren Streit: Thronanwärter hielten sich nur ein oder zwei Jahre, mächtige Emire wie Mamai auf der Krim schwangen sich zu den faktischen Herrschern auf. Weite Teile des Territoriums um den Dnepr gingen an das Großfürstentum Litauen verloren, nach der Schlacht am Blauen Wasser 1362 konnte der litauische Großfürst Algirdas in Kiew einziehen, was ein wichtiger symbolischer Akt war. Außerdem sah sich die Goldene Horde den von Moskau angeführten, erstarkenden russischen Fürstentümern gegenüber. Der Versuch Mamais, Russland mittels eines neuen großen Plünderungszuges zu schwächen, mündete 1380 in der vollständigen Vernichtung seines Heeres durch vereinigte russische Kräfte unter Dmitri Donskoi in der Schlacht auf dem Kulikowo Pole.
Einfall Timurs und endgültige Auflösung des Staates
Die Niederlage öffnete aber den Weg zu einer vorübergehenden erneuten Einigung der Goldenen Horde unter dem Khan Toktamisch (reg. 1380-1395). Erst 1395 wurde Toktamisch von dem mittelasiatischen Eroberer Timur Lenk (Tamerlan) besiegt, welcher sämtliche seiner Städte einschließlich Neu-Sarai zerstörte und den Staat dadurch an den Rand des Untergangs brachte. Allerdings erhielt das wankende Staatsgebilde durch den von Tamerlan eingesetzten Emir Edigü († 1419) noch einmal eine gewisse Stabilität. Edigü wies mehrere Einmischungsversuche des litauischen Großfürsten Vytautas (Witold, reg. 1392-1430) zurück und behauptete um 1408 die Oberherrschaft in Russland.
Nach mehreren Thronwechseln spalteten sich unter Ulug Mehmed (reg. 1419-1438/45) das Khanat Kasan (1438/1445) und das Khanat der Krim (1424/1449), später noch Khanat Astrachan (1466/85) ab, was die unablässigen Machtkämpfe an der Wolga zusätzlich verkomplizierte. Trotzdem blieb die Horde noch eine Weile gefährlich, so kam es 1445 zur Gefangennahme des Großfürsten Wassili II. von Moskau. Erst 1480 verlor sie unter Akhmat Khan (reg. 1465-1481) die Oberherrschaft über Russland. Das russische und das tatarische Heer standen sich mehrere Wochen lang im Großen Gegenüberstehen an der Ugra zur Schlacht gegenüber, bevor Akhmat Khan schließlich nahezu kampflos abzog. Er wurde kurz darauf von Rivalen beseitigt, die sich als Khanat Sibir abspalteten.
Im Jahr 1502 wurde der letzte Khan, Shaykh Ahmad (reg. 1481-1502) von Meñli I. Giray (reg. 1467-1514), dem Khan der Krimtataren besiegt und wenig später in Litauen hingerichtet.
Nachfolgestaaten
Siehe auch
- Mongolische Kriegführung
- Islam in Russland
- Islam in der Ukraine
- Islam in Polen
- Mongolensturm
- Johannes Schiltberger
Literatur
- German A. Dawydow: Die Goldene Horde und ihre Vorgänger. Koehler & Amelang, Leipzig 1972.
- René Grousset: Die Steppenvölker. Attila, Dschingis Khan, Tamerlan („L'empire des steppes“). Magnus-Verlag, Essen 1975.
- Henry H. Howorth: History of the Mongols from the 9th to the 19th Century. Ch'en Wen Publ., Taipeh 1970 (Nachdruck der Ausgabe London 1876-1923)
- Klaus Lech (Hrsg.): Das mongolische Weltreich. Al-Umaris Darstellung der mongolischen Reiche. Harrassowitz, Wiesbaden 1968.
- Tilman Nagel: Timur der Eroberer und die islamische Welt des späten Mittelalters. Beck, München 1993, ISBN 3-406-37171-X.
- Raschid ed Din: The successors of Genghis Khan. University Press, New York 1971, ISBN 0-231-03351-6 (übers. von John Andrew Boyle)
- Fahreddin Rizaeddin: Altın Ordu ve Kazan Hanları. İstanbul 2003
- Emanuel Sarkisyanz: Die orientalischen Völker Russlands vor 1917. Eine Ergänzung zur ostslawischen Geschichte Rußlands. Oldenbourg Verlag, München 1961.
- Bertold Spuler: Die Goldene Horde. Die Mongolen in Rußland; 1223-1502. Harrassowitz, Wiesbaden 1965.
- Michael Weiers (Hrsg.): Die Mongolen. Beiträge zu ihrer Geschichte. Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 3-17-017206-9 (Urban-Taschenbücher; 603).
- A.Y. Yakubovski: Altın Ordu ve İntihatı. İstanbul 1955
Einzelnachweise
- ↑ So bedeuten sowohl das mongolische „Алтан Орд“ als auch das tatarische „Altın Urda“ ein und dasselbe: „Goldene Armee“ (vergleiche auch in den verschiedenen Turksprachen das Wort „Ordu“, das dort ebenfalls die Bedeutung von „Armee“ oder „Heer“ besitzt.)
Weblinks
Commons: Golden Horde – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienKategorien:- Zentralasiatische Geschichte
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