Klaus-Peter Fischer

Klaus-Peter Fischer

Werner Stiller (* 24. August 1947 in Weßmar) war Oberleutnant der Hauptverwaltung Aufklärung und nach der offiziellen Darstellung des Bundesnachrichtendienstes Doppelagent für den BND. Er flüchtete 1979 mit zahlreichen geheimen Unterlagen der DDR-Spionageabteilung HVA unter spektakulären Umständen in den Westen. Seine Flucht aus der DDR gilt bis heute als eine der spektakulärsten Spionage-Affären im Kalten Krieg.

Inhaltsverzeichnis

Beruf

Ab 1966 studierte Stiller Physik an der Universität Leipzig. 1970 wurde er inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Hauptverwaltung Aufklärung HVA, Abteilung XIII, Referat 1, zuständig für Spionage auf dem Gebiet der Kernwaffen und Forschung in der Physik.[1] Sechs Jahre später kam es zur Kontaktaufnahme mit dem Bundesnachrichtendienst, der zunächst eine Falle witterte, und schließlich zur Flucht in die Bundesrepublik. So lautet jedenfalls die Version Stillers in einem 1986 veröffentlichten Buch.[2] Andere Darstellungen gehen davon aus, dass der Bundesnachrichtendienst vor der Flucht Stillers keinen intensiven Kontakt zu ihm hatte und dass die anderslautende Darstellung dem Kalten Krieg geschuldet war, in dem der BND sich möglichst vorteilhaft präsentieren und die Schmach für das MfS maximieren wollte.[3] Beispielsweise Thomas Wagner, der Sohn von Stillers damaliger Lebensgefährtin, widerspricht Stillers Darstellung substantiell[4], wobei auch Wagners Darstellung nicht unreflektiert übernommen werden sollte.

Kritisch werden Stillers wahre Ziele auch in dem u. a. von seiner Tochter verfassten Buch Nicole Glocke und Edina Stiller Verratene Kinder. Zwei Lebensgeschichten aus dem geteilten Deutschland beleuchtet.

Flucht nach Westdeutschland

Am 19. Januar 1979 folgte eine dramatische Flucht mit Unterlagen der HVA über den Dienstübergang des Bahnhof Berlin Friedrichstraße nach West-Berlin, um der unmittelbar drohenden Verhaftung zu entgehen. Er machte sich hierbei die sogenannte Gepäckschleuse zu Nutze. Weniger wichtige Agenten wurden zum Treff vom MfS nach Ost-Berlin bestellt und mussten ihre Spionageutensilien im „West-“Teil des Bahnhofs zurücklassen, wo sie von hauptamtlichen Mitarbeitern der Staatssicherheit dann abgeholt wurden. Mit einem gefälschten Dienstauftrag nutzte er diese Schleuse, wobei er um Haaresbreite an einem kleinen Fehler innerhalb seiner Fälschung aufgeflogen wäre, was für ihn das sichere Todesurteil bedeutet hätte.[2][4] Stillers Freundin wurde mit Hilfe der bundesdeutschen Botschaft in Warschau ausgeschleust. Seine Ehefrau und Tochter ließ er hingegen in der DDR zurück, wo sie diversen Schikanen wegen vermuteter Mitwisserschaft ausgesetzt waren.[5]

Nach der Flucht wurden zahlreiche DDR-Agenten in Westdeutschland, Frankreich, Österreich und den USA enttarnt und verhaftet. Darunter Alfred Bahr, Gerhard Arnold, Rolf Dobbertin, Reiner Fülle, Karl-Heinz Glocke, Prof. Karl Hauffe, François Lachenal, Armin Raufeisen sowie Günther Sänger. Mehr als 40 weiteren Agenten gelang es nach Warnung durch die HVA, sich durch Flucht in die DDR der Strafverfolgung zu entziehen.[6][7]

Bei seiner Befragung durch den BND trug er maßgeblich zur Identifizierung eines Fotos des „Mannes ohne Gesicht“ HVA-Chef Markus Wolf bei, welches prompt an das Nachrichtenmagazin Der Spiegel lanciert und dort auf der Titelseite veröffentlicht wurde.[7]

Werner Stiller wurde in der DDR vom Obersten Militärgericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt.[8]

Nach der Flucht

1981 begann für Stiller, ausgestattet mit einer neuen Identität, ein zweites Leben unter dem Namen Klaus-Peter Fischer, geboren in Budapest. Mit Unterstützung des US-Geheimdienstes CIA absolvierte er ein Wirtschaftsstudium in St. Louis und war von 1983 bis 1990 Investmentbanker bei Goldman Sachs in New York und London. Bis zum Ende der DDR versuchte eine mit großen Mitteln ausgestattete Fahnder-Truppe des Ost-Berliner Ministeriums für Staatssicherheit ihn im Westen ausfindig zu machen. Ziel dieser Stasi-Truppe war es, ihn in die DDR zu entführen oder zu töten.[8] Doch Stiller gelang es, sich der „Rache der Stasi“ zu entziehen. Anfang der 1990er Jahre machte ihn erstmals ein Reporterteam des Nachrichtenmagazins Der Spiegel ausfindig.[9] Stiller arbeitete zu diesem Zeitpunkt als Börsenmakler für das US-Unternehmen Lehman Brothers an der Börse in Frankfurt am Main. Ende der 1990er Jahre zog Werner Stiller in die ungarische Hauptstadt Budapest; er lebte dort (2006) als Geschäftsmann. Nicole Glocke (Tochter eines von Stiller geführten Ostagenten) und Tochter Edina Stiller veröffentlichten 2006 ein gemeinsames Buch über die Folgen des Übertritts nach Westdeutschland.

Referenzen

  1. DER SPIEGEL 14/1992 vom 30.03.1992, Seite 107-117 "Das Chaos war gewaltig"
  2. a b Werner Stiller: Im Zentrum der Spionage, v. Hase & Köhler, Mainz 1986, ISBN 3-7758-1141-9; englisch „Beyond the Wall“
  3. DER SPIEGEL 22/1992 vom 25.05.1992, Seite 47b-54 Graue Augen
  4. a b If It Had Not Been For 15 Minutes
  5. DER SPIEGEL 15/1992 vom 06.04.1992, Seite 70-71a "Sonst nehmen wir Ihre Kinder weg"
  6. RIAS-Bericht über die Enttarnung von DDR-Agenten durch den Überläufer Stiller, 8. März 1979
  7. a b DER SPIEGEL 10/1979 vom 05.03.1979, Seite 70 DDR-Spionage: "Das läßt die mächtig wackeln"
  8. a b DER SPIEGEL 40/1992 vom 28.09.1992, Seite 16b Stasi-Jagd auf Stiller
  9. DER SPIEGEL 13/1992 vom 23.03.1992, Seite 35-38a "In der Ruhe liegt die Kraft"

Literatur

  • Werner Stiller: Im Zentrum der Spionage, v. Hase & Köhler, Mainz 1986, ISBN 3-7758-1141-9; englisch „Beyond the Wall“

Weblinks


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