- Klaus Wildenhahn
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Klaus Wildenhahn (* 19. Juni 1930 in Bonn) ist ein deutscher Dokumentarfilmer und Filmproduzent. Wildenhahn gilt mit seinen Arbeiten und seiner Lehrtätigkeit als einer der einflussreichsten deutschen Dokumentarfilmer des 20. Jahrhunderts.[1]
Inhaltsverzeichnis
Biographie
Wildenhahn ist das einzige Kind des Tischlers, Tapezierers und späteren kaufmännischen Direktors einer Möbelfabrik Max Wildenhahn und seiner Frau Nora, geb. von Sochatzki, einer ausgebildeten Krankenschwester. Nach dem Studium der Soziologie, Publizistik und Politologie an der Freien Universität Berlin erhielt er ein Austauschstipendium für die Colgate University in Hamilton, USA. Er brach das Studium nach einem Jahr wieder ab und war von 1954 bis 1958 als Krankenpfleger in der Nervenheilanstalt Banstead Hospital in Sutton, Surrey bei London tätig. Er heiratete die Japanerin Mizuki und sie bekamen einen Sohn.[2] Eine Begegnung mit dem britischen Dokumentarfilmer Richard Leacock inspirierte ihn dazu, als Dokumentarfilmer mit der Methode des Direct Cinema zu arbeiten.[3]
1959 begann er beim Norddeutschen Rundfunk (NDR). Er erlernte als Regie-Assistent beim NWDR das Filmhandwerk bei der Herstellung von Werbespots für die ARD-Fernsehlotterie.
Von 1960 bis 1964 arbeitete er als Realisator bei dem von Rüdiger Proske entwickelten politischen Fernsehmagazin Panorama. Dort produzierte er unter anderem folgende Beiträge:
- 1961: „Der merkwürdige Tod des Herrn Hammarskjöld“, 45 Min.
- 1962: „Der Tod kam wie bestellt“, 45 Min.
- 1964: „CDU-Parteitag“, 5 Min.
- 1964: „CSU-Landesversammlung“, 5 Min.
- 1964: „SPD-Parteitag“, 5 Min.
- 1964: „Parteitag 64“, 18 Min. (wurde vom NDR zurückgezogen und erst 17 Jahre später gekürzt gesendet.[2])
- 1964: „Zwischen drei und sieben Uhr morgens“, 9 Min.
Nach einem personellen Wechsel innerhalb der Panorama-Redaktion 1964 (Weggang von Proske) ging Wildenhahn in die Abteilung Fernsehspiel des NDR, für die er ausschließlich Dokumentarfilme realisierte. Daneben arbeitete er von 1968 bis 1972 als Regie-Dozent an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb).[2] 1972 entstand als theoretische Reflexion über den Dokumentarfilm das Buch Über synthetischen und dokumentarischen Film. Es wurde „zur einflußreichsten Theorie in der Diskussion über Methode und Technik des dokumentarischen Films in der BRD.“[2] Der zweite Teil einer 1970/71 entstandenen Dokumentation über die Berliner Tageszeitung Der Tagesspiegel wurde auf Einspruch des Verlegers hin nicht gesendet und vernichtet. Ein vierteiliger Dokumentarfilm über die Schließung eines VW-Werkes in Emden (Emden geht nach USA, 1975/76), den er mit Landschaftsaufnahmen von Norddeutschland und Portraits ihrer Einwohner erweiterte, stieß einerseits auf ablehnende Reaktionen der Regionalpresse und erhielt andererseits eine Auszeichnung mit dem Adolf-Grimme-Preis in Gold.[2]
Ab 1981 war er bis zu seiner Pensionierung Redakteur im Bildungsprogramm des NDR 3 und gehörte mehrfach der Programmkommission der Duisburger Filmwoche an. 1993 initiierte er die NDR-Sendereihe „Der Dokumentarische Blick“. 1998 wurde er Gründungsmitglied der Filmwerkstatt „Dokumentarisch Arbeiten“ e.V.
Wildenhahn lebt heute in Hamburg und in Ostende, wo seine Mutter als Krankenschwester während des Ersten Weltkriegs gearbeitet hatte und zur Pazifistin wurde.[3]
Filmografie
- 1965: „Bayreuther Proben“, 69 Min. und 31 Min.
- 1965: „Eine Woche Avantgarde für Sizilien“, 43 Min.
- 1965 und 1966: „Smith, James O. - Organist, USA“, 2 Teile
- 1966: „John Cage“, 58 Min.
- 1967: „498, Third Avenue“, 83 Min.
- 1967: „In der Fremde“, 81 Min. und 60 Min.
- 1967/1968: „Heiligabend auf St. Pauli“, 50 Min.
- 1968: „Harlem Theater“, 110 Min.
- 1968/1969: „Der Reifenschneider und seine Frau“, 67 Min.
- 1969: „Wochenschau II“, 27 Min. (mit der Gruppe Wochenschau)
- 1969: „Institutssommer“, 92 Min.
- 1969/1970: „Wochenschau III“, 60 Min. (mit der Gruppe Wochenschau)
- 1970/71: „Ein Film für West-Berliner Zeitungsleser und Journalisten - Der Tagesspiegel“, 2 Teile
(Der 2. Teil wurde wegen Einspruch des Verlegers nicht gesendet und vernichtet.[2]) - 1971: „Der Hamburger Aufstand Oktober 1923“, 3 Teile
- 1971/72: „Harburg bis Ostern“, 78 Min.
- 1973/74: „Die Liebe zum Land“, 2 Teile
- 1974: „5 Bemerkungen zum Dokumentarfilm“, 63 Min. (zusammen mit Gisela Tuchtenhagen)
- 1974/75: „Der Mann mit der roten Nelke“, 62 Min.
- 1975/76: „Emden geht nach USA“, 4 Teile
- 1975/76: „Annäherungen an eine deutsche Provinz“, 66 Min.
- 1978/1999: „Tor 2“, 32 Min.
- 1980: „Der Nachwelt eine Botschaft - ein Arbeiterdichter“, 55 Min. und 108 Min.
- 19891: „Bandoneon“, 2 Teile
- 1982: „Was tun Pina Bausch und ihre Tänzer in Wuppertal?“ 120 Min.
- 1983/84: „Ein Film für Bossack und Leacock“, 113 Min.
- 1984/85: „Yorkshire“, 2 Teile (Dokumentation der Bergarbeiterstreiks 1984 in Yorkshire)
- 1986: „Bln., DDR & ein Schriftsteller April-Mai ’86“, 99 Min. (Portrait des Schriftstellers Christoph Hein)
- 1986: „Pina Bausch: »Walzer«. 41 Minuten aus den Proben“
- 1987: „Stillegung“, 86 Min.
- 1988/89: „Rheinhausen, Herbst ’88“, 86 Min. (Nach der Schließung der Hüttenwerke Rheinhausen)
- 1988/89: „Mister Evans geht durch Hamburg“, 44 Min.
- 1989: „Barmbek: Der Aufstand wird gebrochen“, 43 Min.
- 1989: „Reise nach Ostende“, 117 Min.
- 1990: „Der König geht“, 105 Min.
- 1991: „Noch einmal HH 4, Reeperbahn nebenan“, 90 Min.
- 1991: „Reeperbahn nebenan“, 17 Kurzfilme
- 1992: „Freier Fall: Johanna K.“, 92 Min.
- 1993: „Reiseführer durch 23 Tage im Mai“, 120 Min.
- 1994: „Die dritte Brücke ein Film aus Mostar Spätsommer ‘94“, 80 Min.
- 1995: „Reise nach Mostar“, 98 Min.
- 2000: „Ein kleiner Film für Bonn“, 116 Min.
Retrospektiven
- 1989: Akademie der Künste (Berlin) / West
- 1989: Fernsehsender 3Sat
- 1990: Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm
- 1990: Fernsehsender Eins Plus
Auszeichnungen
- 1975: Adolf-Grimme-Preis in Gold für den ersten Teil des Dokumentarfilms Emden geht nach USA.
- Mitglied der Akademie der Künste
- 2011 Preis für das Gesamtwerk beim Mille Occhi Filmfest 2011 Triest[4]
Schriften
- Klaus Wildenhahn: Über synthetischen und dokumentarischen Film. 12 Lesestunden. Hrsg. von Hilmar Hoffmann und Walter Schobert. Kommunales Kino, Frankfurt am Main 1975, 231 S.
- Klaus Wildenhahn: Der Körper des Autoren. Filmtheorie Nr. 3. Hrsg. von René Schöttler. Materialverlag, Hamburg 2005, 176 S., Ill., ISBN 3-938158-21-2.
- Eine Reise in die Legende und zurück. (Journey to a legend and back. The British realistic film.) Hrsg. von Stiftung Deutsche Kinemathek. Essays von Klaus Wildenhahn. Spiess, Berlin 1977, 213 S., Ill., Filmographie und Literaturverzeichnis S. 165–210, ISBN 3-920889-51-7.
Literatur
- Christian Hißnauer: Hamburger Schule – Klaus Wildenhahn – Eberhard Fechner. Fernsehdokumentarismus der zweiten Generation. In: Becker, Andreas R. et al. (Hrsg.): Medien – Diskurse – Deutungen. Dokumentation des 20. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquiums. Marburg: Schüren-Verlag 2007, S. 118–126.
- Nicolaus Schröder (Red.): Klaus Wildenhahn, Dokumentarist. Freunde der Deutschen Kinemathek, Berlin 2001, 157 S., Ill., Heft 92.
Zitat
„„Das Kriterium für Wahrheit und Würde des Dokumentarfilms liegt Wildenhahn zufolge in einer besonderen Nähe des Filmenden zum Gefilmten. Sie ist nicht in erster Linie ästhetisch definiert, sondern moralisch und politisch. Die Tugend des Dokumentarfilmers zeigt sich in der behutsamen, gespannten und geduldigen Beobachtung von sozialen Prozessen und Menschen, die in der politischen und kulturellen Öffentlichkeit gewöhnlich nicht repräsentiert sind. Die Tugenden des Dokumentarfilm-Handwerks sind demnach: Langzeitbeobachtung, möglichst unauffälliges, der ´Erzählung´ des Protagonisten sich anpassenden Filmen, lange Kameraeinstellungen, selbstlose, (wie) vom Rohmaterial selbst hervorgebrachte Montage, Eliminierung oder Minimalisierung der Kommentarebene, keine synthetischen, zwischen Zuschauer und ´Erzähler´ sich drängenden ´synthetischen´ Filmelemente. Derart seine Form immer nur auf- oder herausfindend, nicht eigenmächtig bestimmend oder erfindend ist der konsequent altruistische Dokumentarfilm wildenhahnscher Prägung das Gegenteil von Formalismus: der dokumentarische Inhalt sucht und bestimmt seine Form.““
– Hans-Michael Bock [5]
Dokumentarfilm
- Klaus Wildenhahn. DIRECT! Public and Private, Dokumentarfilm mit und über Klaus Wildenhahn, Deutschland, 2010, 84 Min., Buch und Regie: Quinka F. Stoehr, Kamera: Volker Tittel, Stefan Grandinetti, Quinka Stoehr, Montage: Margot Neubert Maric; Dramaturgische Beratung: Rainer Komers; Redaktion: Katya Mader (ZDF/3sat), Bernd Michael Fincke (NDR); gefördert von: Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein, Filmstiftung NRW, Produktion: StoehrMedien und NDR, ZDF/3sat, Festivalaufführungen: Int. Dokfilmfestival Leipzig, Int. Filmfest Hamburg, Nordische Filmtage Lübeck, Blicke aus dem Ruhrgebiet, Bochum u.a.
- Ostende, 3 Uhr nachmittags – Der Dokumentarist Klaus Wildenhahn. Fernseh-Dokumentation, Deutschland, 2010, 59 Min., Buch und Regie: Quinka F. Stoehr, Produktion: NDR, 3sat, Erstausstrahlung: 15. Juni 2010, Inhaltsangabe von 3sat
Weblinks
- Klaus Wildenhahn in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Retrospektive von und mit Wildenhahn, filmclub münster, 2004; (PDF, 716 kB; HTML)
- Klaus Wildenhahns Bio- und Filmographie bei filmportal.de
- „Beobachter, nicht Voyeur“, Die Zeit, 12. März 1993, Nr. 11, von Raimund Hoghe
- weitere Literaturhinweise
- Wildenhahn und Foto, ifilm.ch
- Literatur von und über Klaus Wildenhahn im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- ↑ Mitglieder stellen vor. Klaus Wildenhahn: "Der Körper des Autoren", Akademie der Künste, 2008
- ↑ a b c d e f Klaus Wildenhahn – Dokumentarfilmmacher, filmportal.de
- ↑ a b Der Dokumentarist Klaus Wildenhahn, 3sat, 15. Juni 2010
- ↑ imilleocchi 2011 (italienisch)
- ↑ Hans-Michael Bock zitiert in: Klaus Wildenhahn, filmmakersweb.de, 23. Februar 2010
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