- Kloster Schlüchtern
-
Das Kloster Schlüchtern ist eine im Kern hochmittelalterliche ehemalige Benediktinerabtei in Schlüchtern, im oberen Kinzigtal, vor dem südwestlichen Ende des Übergangs der Via Regia über den Mittelgebirgsrücken nach Fulda.
Benediktinerkloster Schlüchtern Lage Deutschland
HessenKoordinaten: 50° 21′ N, 9° 32′ O50.3459444444449.5250555555556Koordinaten: 50° 20′ 45″ N, 9° 31′ 30″ O Patrozinium Maria Gründungsjahr 8. Jahrhundert Jahr der Auflösung/
Aufhebung1609 Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Abtei war der Heiligen Maria geweiht. Die älteste erhaltene Bausubstanz, eine Krypta, stammt noch aus frühkarolingischer Zeit. Die Anfänge des Klosters sind allerdings unklar, aber wohl mit Fulda verbunden, so dass eine Gründung im oder aus dem Umfeld von Bonifazius denkbar ist.
Wirklich fassbar wird die Klostergeschichte allerdings erst ab dem Ende des 10. Jahrhunderts: 993 wurde das Kloster an das Bistum Würzburg übereignet. Seine Blüte fällt ins 12. und 13. Jahrhundert. Ab dem 14. Jahrhundert geriet es zunehmend unter den Einfluss der Herren und Grafen von Hanau. 1316 kaufte Ulrich II. von Hanau die Hälfte des Gerichts Schlüchtern, zu dem auch die Vogtei über das Kloster gehörte, von Rieneck. Rechtlich handelte es sich um ein Lehen des Bischofs von Würzburg, der diesem Verkauf zustimmte. Die zweite Hälfte von Schlüchtern erhielt Hanau 1377 im Tausch gegen die Burg Büttert. Die Eigenschaft als Würzburger Lehen war später nicht ganz unumstritten.
1446 wurde die Klosterkirche gotisch neu errichtet. Das Kloster Schlüchtern begab sich 1457 endgültig in die Schutzherrschaft Hanaus. Im Bauernkrieg 1525 war das Kloster zeitweise verlassen. Ab 1539 wurde – wie in der ganzen Grafschaft Hanau – auch in Schlüchtern allmählich die Reformation eingeführt. Treibende Kraft war hier der Abt Petrus Lotichius (Peter Lotz). Die Klösterliche Verfassung wurde aber bis 1609 aufrechterhalten und das Kloster als Lateinschule weiter betrieben.
Die Eigenschaft als Würzburger Lehen führte nach der Reformation zu Spannungen zwischen der Grafschaft und dem Bistum Würzburg. Ein langjähriger Prozess vor dem Reichskammergericht dauerte von 1571 – 1624 und endete mit einem Restitutionsmandat zugunsten Würzburgs. 1628 – 1631 war Kloster und Amt Schlüchtern deshalb von Würzburg besetzt, 1631 – 1637 wieder von Hanau und ab 1637 wieder von Würzburg. 1656 kam es zu einem Vergleich, bei dem Hanau sich in Schlüchtern gegen Würzburg durchsetzte und dem Bistum dafür Orb überließ.[1]
Mit dem Tod des letzten Hanauer Grafen, Johann Reinhard III., fiel das Amt – zusammen mit der ganzen Grafschaft Hanau und auch dem Kloster – an die Landgrafschaft Hessen-Kassel, deren Regent im Jahre 1803 zum Kurfürsten erhoben wurde. Im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) wurde die Klosterkirche zerstört, 1820 deren Chor abgebrochen. 1836 wurde staatlicherseits in die Anlage ein Lehrerseminar eingebaut, bei weitgehender Überformung der mittelalterlichen Bausubstanz.
Baugeschichte
Karolingische Zeit
Ältester erhaltener Bauteil ist der westliche Abschnitt der bereits erwähnten frühkarolingischen Krypta. Sie ist verwandt mit ähnlichen Anlagen des Benediktinerklosters in Petersberg bei Fulda und der Einhardsbasilika in Michelstadt-Steinbach. Die karolingische Kirche war – wie archäologische Befunde zeigten – dreischiffig.
Romanik
Im 11. Jahrhundert wurde die Kirche romanisch nach Westen erweitert und dort mit einem Turm abgeschlossen, der allerdings später gotisch neu aufgeführt wurde, wobei aber auch ältere Spolien verwendet wurden. Auch im 11. Jahrhundert entstand – als westliche Verlängerung des südlichen Seitenschiffs – die Katharinenkapelle. Hier stehen die Grabsteine der Tamburg von Hutten († 1354) und des Abtes Petrus Lotichius († 1567).
Anfang des 13. Jahrhunderts wurde die Kirche auch nach Osten erweitert: In der Krypta wurde als neuer Ostabschluss eine tonnengewölbte Nische angefügt, der Chor verlängert und die Chöre der Seitenschiffe zu Seitenkapellen ausgebaut. Davon ist die nördliche, die Andreaskapelle, bis heute erhalten.[2] Weiter finden sich als Spuren aus dieser Epoche Reste der Chormauer mit Lisenen und Rundbogenfriesen im ansonsten gotischen Nordostturm.
Gotik
Das nördliche Seitenschiff erhielt als westliche Verlängerung in der Mitte des 14. Jahrhunderts die zweigeschossige Huttenkapelle, eine Stiftung von Frowin von Hutten und dessen Gemahlin Tamburg.
In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde das Langhaus der Kirche weitgehend abgebrochen und durch eine gotische Hallenkirche ersetzt, die 1446 geweiht wurde. Ein Teil der Pfeiler des Langhauses nutzte karolingische Fundamente. Gleichzeitig wurde der Nordostturm errichtet.
Eine weitere gotische Kapelle wurde im später errichteten Westflügel des Kreuzgangs integriert.
Renaissance
Die Klostergebäude wurden 1508 – 1519 im Stil der Renaissance größtenteils neu erbaut mit einer reich gestalteten Westfront mit Staffelgiebel und rundem Treppenturm. Ein Erkervorbau wurde 1583 angefügt. Von der Südwestecke des Kreuzgangs ist die gut erhaltene, kreuzgewölbte Klosterküche zu erreichen, die einen eigenen Brunnen hat.
Historismus
Im 19. Jahrhundert wurde die Anlage zum Lehrerseminar umgebaut und dabei schwer beschädigt. In die Kirche wurden Zwischendecken eingezogen, die mittelalterlichen Fensteröffnungen vermauert und neue – entsprechend den Bedürfnissen als Seminargebäude – in die Wände gebrochen. Gleichwohl ist bei diesem Vorgehen – das den Totalabriss vermied – eine Vielzahl mittelalterlicher Bauspuren erhalten geblieben, die die Klostergebäude zu einem besonders interessanten baugeschichtlichen Objekt hat werden lassen. Teilweise wurde an den Gebäuden auch historistisch „nachgebessert“, so z.B. das neoromanische Portal des Westturms.
Grabstätten
- Tamburg von Hutten († 1354)
- Margarethe von Ebersberg († 1356)
- Frowin von Hutten († 1377)
- Rabe von Hutten († 1529)
- Abt Christian Happ († 1534)
- Abt Petrus Lotichius († 1567)
- Graf Albrecht von Hanau († 1614)[3]
- Katharina von Hutten († 1617)
- Kunigunde von Trümbach († 1621)
Heutige Nutzung
Die Anlage wird heute vom Ulrich von Hutten-Gymnasium und der Kirchenmusikalischen Fortbildungsstätte (KMF) genutzt. Bei modernen Erweiterungsbauten für die Schule wurde in den letzten Jahren in erheblichem Umfang in das Klostergelände, ein wertvolles Bodendenkmal, eingegriffen.
Literatur
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler.Hessen. München 1982.
- Wilhelm Dersch: Hessisches Klosterburch. Quellenkunde zur Geschichte der im Regierungsbezirk Cassel, der Provinz Oberhessen und dem Fürstentum Waldeck gegründeten Stifter, Klöster und Niederlassungen von geistlichen Genossenschaften. Marburg 1915. S. 108f.
- Reinhard Dietrich: Archäologische Untersuchungen in der Andreaskapelle des Klosters Schlüchtern. In: Hanauer Geschichtsblätter 30 (1988), S. 327 - 334.
- Matthias Nistahl: Studien zur Geschichte des Klosters Schlüchtern im Mittelalter. Diss. Darmstadt u. Marburg, 1986.
- Wilhelm Praesent: Ein Gang durch das Kloster Schlüchtern. 2. Auflage 1970. Im Kommissionsverlag der Evangelischen Gemeinde Schlüchtern.
Einzelnachweise
Kategorien:- Ehemaliges Benediktinerkloster in Hessen
- Kloster (9. Jahrhundert)
- Kulturdenkmal im Main-Kinzig-Kreis
- Schlüchtern
- Grafschaft Hanau
- Kirchengebäude im Main-Kinzig-Kreis
Wikimedia Foundation.