Knabenchor

Knabenchor

In einem Knabenchor werden im Gegensatz zu einem gemischt besetzten Chor die Alt- und Sopranstimmen nicht von Frauen, sondern von Knaben gesungen.

Inhaltsverzeichnis

Historischer Abriss

Knabenchöre blicken auf eine sehr lange Tradition zurück. Ihre Wurzeln liegen in Kurrenden und Kapellen (siehe a cappella) des Früh- und Hochmittelalters. Insbesondere in Kirchen übernahmen Knaben die musikalische Gestaltung, da es Frauen oft bis in das 19. Jh. hinein nicht gestattet war, in Kirchen zu singen. Insofern sind heutige Knabenchöre traditionsgemäß in hohem Maße sakraler Musik und dem Musizieren in Kirchen verbunden.

Das Aufkommen gemischter Chöre verdrängte die Knabenchöre allerdings nicht. Im 20. Jahrhundert, besonders in der Nachkriegszeit, wurden viele Knabenchöre neu gegründet. Da sie nicht mehr zwangsläufig für die Ausübung liturgischer Dienste herangezogen werden, ist ein Grund dafür in der musikalischen Ausbildung beziehungsweise dem Wunsch nach sinnvoller Freizeitgestaltung zu sehen.

Knabenchöre heute

Die Wiltener Sängerknaben in der Rochuskirche, Wien.

Die berühmtesten Knabenchöre des deutschsprachigen Raums sind die traditionsreichen Kirchenchöre der Aachener Domchor (gegr. 796), die Regensburger Domspatzen (gegr. 975), der Thomanerchor in Leipzig (gegr. 1212), der Dresdner Kreuzchor (gegr. im 13. Jahrhundert), die Wiltener Sängerknaben (gegr. im 13. Jahrhundert), die Wiener Sängerknaben (gegr. 1498) sowie die Dresdner Kapellknaben (gegr. 1709) in Dresden. Dazu kommen einige Neugründungen des 20. Jahrhunderts wie die Stuttgarter Hymnus-Chorknaben (gegr. 1900), der Windsbacher Knabenchor (gegr. 1946), der Knabenchor Hannover (gegr. 1950) oder der Tölzer Knabenchor (gegr. 1956). Die meisten Knabenchöre sind vollstimmig (SATB) besetzt; die wohl berühmteste Ausnahme sind die Wiener Sängerknaben, die ausschließlich über Sopran- und Altstimmen verfügen. Viele Sänger bleiben nach dem Stimmwechsel im Chor und singen in einer Männerstimme. Bei Bedarf werden für die Männerstimmen auch chorfremde Sänger verpflichtet.

Neben traditionellen liturgischen Aufgaben in Gottesdiensten gehören Konzerte zu den wesentlichen Aufgaben dieser Chöre. Als Teil der großen musikalisch-künstlerischen Szene nehmen sie heute eine Sonderstellung ein. Ihrem Alter gemäß (etwa 9–14 Jahre) befinden sich die Sänger in einem Frühstadium künstlerischer Reife. Insofern sind künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten in mancher Hinsicht Grenzen gesetzt. Andererseits geben die jungen Stimmen, die viele Hörer gerne als rein und klar bezeichnen, dem Chorklang seinen ganz besonderen Reiz.

Die Bedeutung von Knabenchören geht aber weit über ihre musikalische Leistung hinaus. Für die Mitglieder solcher Chöre sind die musikalische Ausbildung und das gemeinsame Musizieren (siehe auch: musikalische Früherziehung und Musikpädagogik) zur Förderung unterschiedlicher Kompetenzen nicht zu unterschätzen.

Ausblick

Ein großes Problem, dem sich Knabenchöre heute gegenübergestellt sehen, ist das zeitliche Vorrücken des Stimmwechsels. Während bis ins 19. Jahrhundert die Jungen bis zum 17. Lebensjahr und darüber hinaus Sopran oder Alt singen konnten, sank die Grenze bis heute auf das 12.–13. Lebensjahr. Die Konsequenz ist zum einen der Rückgang der singfähigen Besetzung sowie der Verlust von sängerisch langjährig erfahrenen und ausgebildeten Knaben. Zwar scheint in jüngster Vergangenheit die Altersschwelle zum Stimmwechsel nicht mehr so schnell abzusinken wie bisher. Gleichwohl ist ungewiss, ob und wie lange in Zukunft noch Knabenchöre Bestand haben können.

Werke für Knabenchor

  • Gustav Mahler: Das klagende Lied für Soli, Knabenchor, gemischten Chor, großes Orchester und Fernorchester (1878-1880).
  • Richard Wetz: Gesang des Lebens für Knabenchor und Orchester op. 29 (1908)
  • Benjamin Britten: A Boy was born, Variationen für gemischten Chor und Knabenchor op. 3 (1933)
  • Benjamin Britten: Missa brevis D-Dur für Knabenchor und Orgel op. 63 (1959)
  • Benjamin Britten: The Golden Vanity, Text von Colin Graham, für Knabenchor und Klavier op. 78 (1966)

Siehe auch

Weblinks


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