- Kosmische Geschwindigkeiten
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Als kosmische Geschwindigkeiten, auch astronautische Geschwindigkeiten, werden einige Geschwindigkeitswerte bezeichnet, die in der Raumfahrt besondere Bedeutung haben und sich aus den physikalischen Bedingungen der Erde sowie der Himmelsmechanik ergeben.
Gegenstand v in km/s vopt in km/s 1. kosmische Geschw. 7,9 7,4 2. kosmische Geschw. 11,2 10,7 3. kosmische Geschw. 42,1 12,3 4. kosmische Geschw. 320 100 Die Tabelle fasst die kosmischen Geschwindigkeiten 1 bis 4 zusammen. Die Werte verringern sich im Idealfall auf vopt, wenn man die Rotationsgeschwindigkeit der Erde am Äquator bzw. die Bahngeschwindigkeit des Systems vollständig nutzen kann.
Inhaltsverzeichnis
Erste kosmische Geschwindigkeit oder Kreisbahngeschwindigkeit
Ein Flugkörper benötigt eine bestimmte Geschwindigkeit, um einen Himmelskörper (Zentralkörper) antriebslos auf einer Kreisbahn zu umrunden. Diese Geschwindigkeit v ergibt sich durch Gleichsetzen der Gravitationskraft und der Radialkraft, da diese die Radialkraft für die Kreisbewegung aufbringt:
wobei G die Gravitationskonstante, r der Abstand zwischen Flugkörper und Zentrum des Himmelskörpers, M die Masse des Himmelskörpers und m die Masse des Flugkörpers ist. Umstellen nach v ergibt:
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Für die kleinstmögliche Kreisbahn um den Himmelskörper (r gleich Radius R des Himmelskörpers) ergibt sich daraus für einen Flugkörper die erforderliche sogenannte erste kosmische Geschwindigkeit v1:
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Die erste kosmische Geschwindigkeit für die Erde als Himmelskörper beträgt etwa 7,91 km/s (28476 km/h). Für den Mond beträgt sie 1,68 km/s (6048 km/h). Die Umlaufperiode auf dieser Kreisbahn entspricht der Schuler-Periode.
Für jede kreisförmige Umrundung eines Himmelskörpers in einer bestimmten Höhe über diesem (r > R) ist eine geringere Kreisbahngeschwindigkeit als v1 erforderlich. Wegen des Luftwiderstands haben Erdsatelliten eine Bahnhöhe von mindestens 150 km über der Erdoberfläche. Die dazu notwendige Bahngeschwindigkeit verringert sich von 7906 m/s (bei R=6378 km für die Erdoberfläche) auf 7815 m/s (bei R=6528 km für eine Bahnhöhe von 150 km). Das heißt ein Flugkörper muss bei Erreichen seiner kreisförmigen Umlaufbahn nicht die erste kosmische Geschwindigkeit v1 aufweisen, es genügt die Kreisbahngeschwindigkeit v der jeweiligen Bahnhöhe.
Ein Teil der erforderlichen Kreisbahngeschwindigkeit wird beim Start von der Erde aus bereits von der Erdrotation aufgebracht, abhängig von der geographischen Breite des Startorts und der Startrichtung. Im Idealfall (Start am Äquator in Richtung Osten) beträgt dieser Beitrag 460 m/s.
Zweite kosmische Geschwindigkeit oder Fluchtgeschwindigkeit
Parabel als Grenzfall der Ellipse und Hyperbelbahnen
Hat der Satellit eine größere Geschwindigkeit als die seiner Flughöhe entsprechende Kreisbahngeschwindigkeit, verformt sich seine Flugbahn zu einer Ellipse (hier bleibt nur der einfache Fall des waagerechten Abschusses betrachtet, die Fluchtgeschwindigkeit bleibt aber prinzipiell von der Abschussrichtung unabhängig) mit größerer Exzentrizität. Im Grenzfall liegt der erdferne Punkt der Umlaufbahn im Unendlichen, so dass der Satellit sich nicht mehr auf einer geschlossenen elliptischen Umlaufbahn befindet, sondern sich auf einer Parabelbahn von der Erde entfernt. Die hierzu notwendige Geschwindigkeit wird als zweite kosmische Geschwindigkeit, Fluchtgeschwindigkeit oder Entweichgeschwindigkeit bezeichnet. Bei einer noch höheren Geschwindigkeit nimmt die Flugbahn die Form eines Hyperbelasts an; in diesem Fall verbleibt im Unendlichen eine Geschwindigkeit, die als hyperbolische Exzessgeschwindigkeit oder hyperbolische Überschussgeschwindigkeit bezeichnet wird und die Energie der Hyperbelbahn charakterisiert.
Herleitung nach der Potentialtheorie
Um ein Gravitationsfeld verlassen zu können, muss die kinetische Energie eines Gegenstandes größer oder gleich der potentiellen Energie des Himmelskörpers sein, also
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Umstellen nach v2 ergibt
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Die Fluchtgeschwindigkeit ist um den Faktor größer als die erste kosmische Geschwindigkeit. Für die Erde beträgt sie etwa 11,2 km/s (40.320 km/h).
Fluchtgeschwindigkeit in der Raumfahrt
Beispiele: Einige Fluchtgeschwindigkeiten Himmels-
körperFluchtgeschwindigkeit am Äquator in m/s in km/s in km/h Merkur 4.300 4,3 15.480 Venus 10.200 10,2 36.720 Erde 11.200 11,2 40.320 Mond 2.300 2,3 8.280 Mars 5.000 5,0 18.000 Jupiter 59.600 59,6 214.560 Saturn 35.500 35,5 127.800 Uranus 21.300 21,3 76.680 Neptun 23.300 23,3 83.880 Pluto 1.100 1,1 3.960 Sonne 617.300 617,3 2.222.280 Interplanetare Raumsonden befinden sich häufig zuerst auf einer Erdumlaufbahn, bevor die Triebwerke erneut gezündet werden und den Flugkörper auf die erforderliche Geschwindigkeit oberhalb der Fluchtgeschwindigkeit beschleunigen. Hierbei leistet die Umlaufgeschwindigkeit bei entsprechender Wahl der Flugbahn bereits einen großen Beitrag zur notwendigen Endgeschwindigkeit.
Für Flugbahnen zum Mond muss die Fluchtgeschwindigkeit nicht vollständig erreicht werden, vielmehr muss die maximale Entfernung des Flugkörpers zur Erde der Distanz Erde–Mond entsprechen. Die tatsächliche Flugbahn ist durch den Einfluss des Mondes (eingeschränktes Dreikörperproblem) nicht algebraisch berechenbar.
Dritte kosmische Geschwindigkeit
Wird die Fluchtgeschwindigkeit nicht auf die Erde, sondern auf die Sonne angewandt, spricht man auch von der dritten kosmischen Geschwindigkeit, die notwendig ist, um das Sonnensystem zu verlassen. Hierbei wird für r üblicherweise die Entfernung Erde–Sonne eingesetzt, so dass sich ein Wert von 42,1 km/s ergibt, der für eine ruhende Erde gilt. Da die Umlaufgeschwindigkeit der Erde um die Sonne bereits 29,8 km/s beträgt, ist bei günstiger Abschussrichtung nur eine Geschwindigkeit von 12,3 km/s relativ zur Erde notwendig, um das Sonnensystem zu verlassen. Startet man von der Erdoberfläche aus, muss zu dieser Geschwindigkeit die Fluchtgeschwindigkeit der Erde quadratisch addiert werden, man erhält so den gesamten Antriebsbedarf von etwa 16,5 km/s.
Vierte kosmische Geschwindigkeit
Die vierte kosmische Geschwindigkeit ist schließlich nötig, um auch die Milchstraße zu verlassen. Aus der Angabe, dass die Sonne für einen Umlauf um das galaktische Zentrum im Abstand von 28.000 Lichtjahren 230 Millionen Jahre benötigt, ergibt sich aus dem dritten keplerschen Gesetz für die innere Masse der Galaxie ,[1] womit die Fluchtgeschwindigkeit von der ruhenden Sonne aus ca. 320 km/s[2] beträgt. Nutzt man die Umlaufgeschwindigkeit der Sonne um die Galaxis, die bei 220 km/s liegt, reduziert sich die vierte kosmische Geschwindigkeit auf ca. 100 km/s.
Siehe auch
Quellen
- Kosmische Geschwindigkeiten (LEIFI-Physik)
Einzelnachweise
Kategorien:- Himmelsmechanik
- Raumfahrtphysik
- Kinematik
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