Kritias

Kritias

Kritias (griech.: Κριτίας; * um 460 v. Chr.; † 403 v. Chr. in Munichia, einem Hafen von Athen) war ein athenischer Politiker, Philosoph und Dichter.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als Nachfahre Solons stammte er aus einer der reichsten und mächtigsten Familien Athens. Auch mit Platon war er eng verwandt; Platons Mutter Periktione war eine Cousine von Kritias. Platon lässt ihn auch in dem unvollendeten Dialog „Kritias“ auftreten, obwohl er seinem Onkel zweiten Grades Kritias als dem führenden Mitglied der Dreißig Tyrannen an sich eher kritisch gegenüberstand.

Philosophisch wird Kritias den Sophisten zugeordnet. Daran mag zutreffen, dass sich seine wenigen überlieferten philosophischen Schriften durch deutlichen moralischen Relativismus auszeichnen. Biographisch gehörte er aber schon zu den Sokrates-Schülern, wobei sich Sokrates nach Xenophon von ihm deutlich distanziert haben soll.

Politisch war Kritias wohl das erste überlieferte Beispiel eines ebenso skrupellosen wie korrupten Tyrannen. Nach Ende des Peloponnesischen Krieges mit der Niederlage Athens riss er zusammen mit 29 weiteren Oligarchen und mit Hilfe der spartanischen Besatzer die Staatsgewalt an sich und begann, nachdem er seinen internen Widersacher Theramenes ausschalten konnte, mit der systematischen Ermordung politischer Gegner und der Verfolgung reicher Metöken, um deren Vermögen an sich zu bringen. Einige Autoren, insbesondere Karl Popper, glauben dabei, dass er durch Konspiration mit dem Feind zur Niederlage seiner Vaterstadt beigetragen hat. Prominenteste Beispiele für die Verfolgung sind der berühmte Redenschreiber Lysias und sein Bruder Polemarchos. Auch der berühmte Athlet Autolykos, den Xenophon in seinem "Gastmahl" beschreibt, wurde von den Dreißig Tyrannen umgebracht. In nur acht Monaten verloren während der Herrschaft der Oligarchen 1500 Athener gewaltsam ihr Leben. Erst der von Thrasybulos über Phyle geführte Aufstand/Feldzug beendete die Herrschaft der Dreißig. Bei den Kämpfen starb Kritias in Munichia.

Von Kritias stammen die Tragödientrilogie „Tennes“, „Rhadamanthys“, „Peirithoos“ und das Drama „Sisyphos“; möglicherweise ist ihm auch die politische Streitschrift „Der Staat der Athener“ (Pseudo-Xenophon) zuzuordnen.

Literarische Figur

Kritias ist eine der Figuren, die Platon in seinen Dialogen verwendet. Im Timaios und dann auch im Kritias erzählt Kritias den Mythos von Atlantis. Seither wurde Kritias auch in zahlreichen anderen literarischen Werken porträtiert, etwa in den Dramen des Petreius Hyphantes oder in dem populärwissenschaftlichen Roman „Atom“ von Karl Aloys Schenzinger sowie zuletzt in dem historischen Roman „Mord im Garten des Sokrates“ von Sascha Berst.

Quellen

  • Platon: Kritias, Siebenter Brief;
  • Xenophon: Hellenika, Erinnerungen an Sokrates;
  • Lysias, Gegen Eratosthenes (XII);
  • Platon Werke. Übersetzung und Kommentar, Band VIII 4: Kritias. Übersetzung und Kommentar von Heinz-Günther Nesselrath. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2006. ISBN 3-525-30431-5

Literatur

  • Alfred Breitenbach: Kritias und Herodes Attiko: Zwei Tyrannen in Philostrats Sophistenviten. In: Wiener Studien 116, 2003, S. 109-113.
  • J. K. Davies: Athenian propertied families 600-300 BC. London 1971.
  • György Németh: Kritias und die Utopie der Tyrannen. In: Acta Antiqua 40, 2001, S. 357-366. doi:10.1556/AAnt.40.2000.1-4.31
  • György Németh: Kritias und die Dreißig Tyrannen. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2006.
  • Thomas G. Rosenmeyer: The family of Critias. In: American Journal of Philology 70, 1949, S. 404-410.
  • D. Stephans: Critias. Life and Literary Remains. Cincinnati 1939.
  • M. Untersteiner: The Sophists. New York 1954.
  • S. Usher: Xenophon, Critias, and Theramenes. In: Journal of Hellenic Studies 88, 1968, S. 128-135.
  • H.T. Wade-Gery: Kritias and Herodes. In: Ders. (Hrsg.), Essays in Greek History. Oxford 1958, S. 271-292.

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