Landkreis Hultschin

Landkreis Hultschin
Lage des Hultschiner Ländchens in der Mähren-Schlesischen Region
Lage der Mähren-Schlesischen Region in Tschechien

Das Hultschiner Ländchen, tschechisch Hlučínsko, im Okres Opava in Tschechien ist ein Teil Tschechisch-Schlesiens. Benannt ist das im Nordosten des Landes an der Grenze zu Polen gelegene Gebiet nach der Stadt Hlučín(deutsch Hultschin), dem größten Ort der Region. Trotz des Steinkohlevorkommens im östlichen Teil des Ländchens am Landek bei Petrzkowitz (1939-45 Petershofen, heute Ostrava-Petřkovice) ist das 286 km² große Gebiet nie wirtschaftlich bedeutend gewesen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Hultschiner Ländchen ist bereits seit der Jungsteinzeit bewohnt. Im 9.-11. Jahrhundert wurde es von mährischen Slawen besiedelt. Im 13. bis 14. Jahrhundert erfolgte die deutsche Besiedlung und die Umsetzung deutschen Rechts für die slawischen Siedlungen. Das Hultschiner Ländchen war seit der Trennung von Mähren am Ende des 14. Jahrhunderts Teil des Herzogtums Troppau, das zur Krone Böhmen gehörte. Nach den Hussitenkriegen und dem Dreißigjährigen Krieg kam es zu einer Verarmung des Gebietes. Im Schlesischen Krieg verlor 1742 Österreich das Hultschiner Ländchen an Preußen. Es wurde ein Teil der preußischen Provinz Schlesien. Seit dem 1. Mai 1816 gehörte es zum neu eingerichteten Regierungsbezirk Oppeln, Kreis Ratibor.

Aufgrund Artikel 83 des Versailler Vertrages von 1919 („Deutschland verzichtet zugunsten der Tschechoslowakei auf das Hultschiner Ländchen.“) wurde das Gebiet mit Inkrafttreten des Vertrages am 10. Januar 1920 ohne Volksabstimmung der Tschechoslowakei zugeschlagen. Vorher sprachen sich im Rahmen einer freiwilligen Volksbefragung 93,7 % der 48.446 Stimmberechtigten für einen weiteren Verbleib bei Deutschland aus.

Das Gebiet wurde von den deutschen Behörden bis zum 4. Februar 1920 geräumt und anschließend von tschechischen Truppen besetzt. Unklar blieb die Zugehörigkeit der Landgemeinden und Gutsbezirke Sandau, Haatsch und Owschütz, die aufgrund ungenauer Grenzfestlegung vorläufig der Interalliierten Kommission für Oberschlesien unterstellt wurden, aber nicht an der Volksabstimmung um Oberschlesien teilnehmen durften.

Die endgültige Grenzfestsetzung sah 1924 noch geringfügige Abweichungen vor.

Der Abtausch der Landgemeinden und Gutsbezirke Haatsch und Sandau gegen die Kolonie Rakowiec der Landgemeinde Schillersdorf und des Vorwerks Lichtenhof des Gutsbezirks Rohow wurde vom Grenzausschuss am 19. Dezember 1922 beschlossen und durch Note der Botschafterkonferenz vom 23. Januar 1923 bestätigt. Lichtenhof und Rakowiec wurden am 8. März 1923 von Preußen übernommen, Haatsch und Sandau am 16. März 1923 von der Tschechoslowakei.

Damit hatten insgesamt 68 kommunale Einheiten, nämlich 1 Stadtgemeinde, 37 Landgemeinden und 30 Gutsbezirke ihre Staatszugehörigkeit gewechselt. Fortan gehörte das Hultschiner Ländchen als politischer Bezirk Hlučín zur Tschechoslowakei.

Im Herbst 1923 erhielten die deutschen Parteien bei den ersten tschechoslowakischen Kommunalwahlen im Hultschiner Ländchen insgesamt 76,4% der Stimmen.

Nach dem Münchener Abkommen vom 29. September 1938 wurde das Hultschiner Ländchen am 1. Oktober 1938 reichsdeutsch besetzt. Der politische Bezirk Hlučín trug fortan wieder die deutsche Bezeichnung. Er umfasste den Gerichtsbezirk Hultschin und führte seit dem 20. November 1938 die Bezeichnung „Landkreis“. Er unterstand bis zu diesem Tage dem Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst von Brauchitsch, als Militärverwaltungschef.

Am Tag darauf wurde der Landkreis Hultschin förmlich in das Deutsche Reich eingegliedert, als Teil des Verwaltungsbezirks der Sudetendeutschen Gebiete unter dem Reichskommissar Konrad Henlein.

Ab 15. April 1939 galt das „Gesetz über den Aufbau der Verwaltung im Reichsgau Sudetenland“ (Sudetengaugesetz). Danach trat der Landkreis Hultschin nicht zum neuen Reichsgau Sudetenland, sondern kam an den Landkreis Ratibor in der preußischen Provinz Schlesien (ab 1941: Oberschlesien) zurück.

1945 ging das Gebiet erneut an die Tschechoslowakei. Die Bevölkerung wurde von den tschechoslowakischen Behörden als tschechisch eingestuft, was den Anspruch der ČSR auf das Gebiet bereits 1920 rechtfertigen sollte. Tatsächlich war die Muttersprache der meisten Hultschiner eine slawische Mundart, die deren Sprecher allerdings als „mährisch“ bezeichneten, und welche, linguistisch betrachtet, in die Gruppe der lachischen Dialekte gehört. Jedenfalls blieben die Hultschiner von einer Vertreibung en bloc verschont. Zwangsweise ausgesiedelt wurde nur eine relativ kleine Anzahl von Menschen, meist reichs- oder sudetendeutsche Zuwanderer und einige monolinguale Familien. Ähnlich wie die Polendeutschen, besitzen heute die autochthonen Bewohner des Hultschiner Ländchens von Geburt an die doppelte Staatsangehörigkeit. In der Region sind auch deutsche Minderheitenverbände aktiv, so beispielsweise in Deutsch-Krawarn, Bolatitz und in der Stadt Hultschin selbst. Wirtschaftlich ist die Region an das industrielle Ballungsgebiet um Ostrau angebunden und kulturell durchaus tschechisch assimiliert, verwandtschaftliche und berufsmäßige Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland sind aber fast in jeder Familie die Regel. Kontakte mit dem geographisch sowie historisch naheliegenden polnischen Oberschlesien kommen trotz einigen kulturellen Partnerschaften und dem kleinen Grenzverkehr eher selten vor, wohl aufgrund des ländlichen Charakters der benachbarten Ratiborer Gegend.

Persönlichkeiten

  • Kristián Bohumír Hirschmentzel (* 1683) Schriftsteller, Historiker
  • August Scholtis (* 7. August 1901; † 26. April 1969), Schriftsteller und Journalist
  • Marie Šindelářová (* 26. April 1892 in Kravaře-Dvořisko), Schriftstellerin

Literatur

  • Bahlcke, Joachim u. a.: Handbuch der historischen Stätten Böhmen und Mähren, Stuttgart 1998, ISBN 3-520-32901-8
  • Hořká, Ludmila: Národopisné paběrky z Hlučínska [Ethnographische Nachlese aus dem Hultschiner Ländchen] 2 Bde.
  • Plaček, Vilém: Prajzáci aneb k osudům Hlučínska [Die Preußen oder zu den Schicksalen des Hultschiner Ländchens] 1742-1960, Hlučín-Kravaře 2000.

Weblinks


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