Langfühlerschrecken

Langfühlerschrecken
Langfühlerschrecken
Warzenbeißer (Decticus verrucivorus)

Warzenbeißer (Decticus verrucivorus)

Systematik
Unterstamm: Tracheentiere (Tracheata)
Überklasse: Sechsfüßer (Hexapoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Unterklasse: Fluginsekten (Pterygota)
Überordnung: Neuflügler (Neoptera)
Ordnung: Langfühlerschrecken
Wissenschaftlicher Name
Ensifera
Chopard, 1920

Die Langfühlerschrecken (Ensifera) sind eine Ordnung der Insekten und gehören zu den Fluginsekten (Pterygota). Von den bekannten 8100 Arten leben in Mitteleuropa 35 Arten. Die Körperlänge der Tiere beträgt zwischen 1,5 und 50 mm, die Sägeschrecken-Art Saga syriaca kann bis zu 100 mm lang werden. Die größte Flügelspannweite findet sich bei Pseudophylus collossus mit maximal 200 mm. Viele Arten der Langfühlerschrecken leben räuberisch, andere sind phytophag oder nehmen beide Formen der Nahrung zu sich.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale der Langfühlerschrecken

Wie die Vertreter der Kurzfühlerschrecken (Caelifera) besitzen die Langfühlerschrecken (Ensifera) eine sehr auffällige Umgestaltung der Hinterbeine zu Sprungbeinen. Aus diesem Grunde werden die beiden Ordnungen auch häufig als eine Ordnung namens Springschrecken (Saltatoria) zusammengefasst und dann in die Unterordnungen Caelifera und Ensifera unterteilt. Da die genauen Verwandtschaftsverhältnisse vor allem gegenüber den Gespenstschrecken noch nicht geklärt sind, ist diese Taxonbildung noch sehr umstritten.

Weitere Merkmale der Langfühlerschrecken sind die namensgebenden langen Antennen, die häufig die Körperlänge überspannen und aus mehr als 500 Einzelgliedern bestehen können. Die Tiere besitzen kleine Facettenaugen und kauend-beißende Mundwerkzeuge. Besonders das erste Brustsegment ist kräftig entwickelt. Die Vorderflügel der Tiere sind schmal und verhärtet und bedecken die größeren Hinterflügel in der Ruhestellung. Die Weibchen tragen häufig ein langes Legerohr oder einen „Legesäbel“ (Ovipositor) am Hinterende, mit dem sie die Eier ablegen können. Dieser besteht aus drei Paar Anhängen des achten und neunten Hinterleibssegmentes, den Gonapophysen.

Lauterzeugung bei den Langfühlerschrecken

An der Basis der Vorderflügel besitzen vor allem die Männchen der Langfühlerschrecken ein so genanntes Stridulationsorgan, mit dem sie in der Lage sind, Laute zu erzeugen. Als Schrillader wirkt dabei eine verdickte Flügelader, die mit vielen Querrippen versehen ist: der Cubitus posterior; als Resonanzfläche die vor dem Cubitus anterior liegende Flügelfläche. Die Ausbildung dieser Organe ist auf beiden Vorderflügeln erkennbar asymmetrisch (außer bei Grillen). Beim Singen werden die übereinandergelegten Vorderflügel gegeneinander bewegt, wobei bei Laubheuschrecken die Schrilleiste des linken Vorderflügels, bei Grillen die des rechten Vorderflügels über die Schrillkante des jeweils anderen Flügels gezogen wird.

Kopf und Vorderbeine einer männlichen Punktierten Zartschrecke mit deutlich erkennbaren Hörorganen

Die Gehörorgane der Langfühlerschrecken finden sich bei vielen Arten in den Unterschenkeln (Tibien) der Vorderbeine. Sie können offen oder verdeckt in Gruben liegen. Dieses „Ohr“ ist mit zwei Trommelfellen ausgestattet. Durch unterschiedliche Ausrichtung ihrer Vorderbeine können diese Schrecken andere Sänger, insbesondere Artgenossen, sehr genau orten.

Der Gesang der Männchen dient vor allem der Anlockung der Weibchen, er kann jedoch auch zur Festsetzung von Reviergrenzen eingesetzt werden. Zwischen Feldgrillen-Männchen kann es dann zu heftigen, manchmal tödlich endenden Kämpfen kommen. Dabei sind die Gesänge artspezifisch verschieden und angeboren, ebenso die Erkennung der Gesänge der eigenen Art. Bei vielen Arten kommt es zu einer gegenseitigen Anregung zum Singen, manche Arten verfolgen auch einen genau festgelegten Wechselgesang: sie duettieren. Die Neigung zum Gesang ist abhängig von den Außenfaktoren: der Warzenbeißer singt etwa nur tagsüber bei starker Sonne, das Grüne Heupferd auch nachts.

Fortpflanzung und Entwicklung

Die Partnerfindung der meisten Arten der Langfühlerschrecken erfolgt durch den Gesang. Vor der Kopulation kommt es dabei sehr häufig zu Balzspielen mit einem leicht abgewandelten, leiseren Gesang der Partner. Zur Begattung steigen die Weibchen der Laubheuschrecken auf die Männchen, bei den Grillen schiebt sich das stimulierte Weibchen rückwärts, von vorn kommend, unter den Körper des Männchens. Das Männchen kolbt eine große Spermatophore an die Geschlechtsöffnung des Weibchens. Die Spermatophore kann bis zu 30 % des Gewichts des Männchens ausmachen. Sie ist deshalb so umfangreich, weil hier zusätzlich zur eigentlichen Spermatophore nach außen hin ein gallertiger „Samenwächter“ (Spermatophylax) dem Weibchen übertragen wird. Nach der Paarung beginnt das Weibchen, die für die spätere Ausbildung der Eier offenbar nahrhafte Gallerte der Spermatophore zu verzehren, wobei die Spermien in die Samenbehälter (Receptaculum seminis) der Weibchen gepresst werden.

Die Eiablage erfolgt mit Hilfe des Ovipositors in den Boden oder in pflanzliches Substrat und meistens werden die Eier einzeln abgelegt. Die Maulwurfsgrillen und einige andere Arten legen die Eier als Gelege ab, das sie während der weiteren Entwicklung immer wieder durch Belecken pflegen und so beispielsweise gegen Pilzbefall schützen.

Die Larvenzeit ist unterschiedlich lang und beinhaltet fünf bis sieben Häutungen, bei den Vertretern der Gattung Gryllus auch mehr. Die Überwinterung erfolgt meist als Ei oder als Larve.

Systematik der Langfühlerschrecken

In der Gruppe der Langfühlerschrecken wird in eine Reihe von Teilgruppen (meist als Superfamilies bezeichnet) unterschieden, die sich teilweise äußerlich sehr unterscheiden. Die endgültige Unterscheidung findet über die Ausbildung der Schrilladern statt. Drei dieser Teilgruppen sind für Mitteleuropa relevant.

Laubheuschrecken – Tettigonioidea

Die Laubheuschrecken besitzen nur am linken Vorderflügel eine Schrillader. Zumindest bei den mitteleuropäischen Arten ist der Fuß (Tarsus) vierteilig, wobei das dritte Glied herzförmig verbreitert ist.

Folgende Arten der Laubheuschrecken kommen in Mitteleuropa vor (die Einteilung nach Familien und Unterfamilien entspricht der Systematik von Fauna Europaea, ist aber in der Literatur uneinheitlich):

Weibchen des Grünen Heupferds (Tettigonia viridissima)
Punktierte Zartschrecke auf einer Blüte der Bienen-Ragwurz
Weibchen des Grünen Heupferds (Tettigonia viridissima)
Warzenbeißer (Decticus verrucivorus)
Südlicher Warzenbeißer (Decticus albifrons)
Kleine Strauchschrecke (Yersinella raymondii)

Grillen – Grylloidea

Waldgrille (Nemobius sylvestris)
Weinhähnchen (Oecanthus pellucens)

Bei den Grillen sind beide Vorderflügel mit einer Schrillleiste ausgestattet. Bei der Lauterzeugung liegt aber - schräg aufwärts gerichtet - stets der rechte Flügel zuoberst (Bei zirpenden Laubheuschrecken-Männchen umgekehrt der linke!); seine Schrillader streicht über die Schrillkante der darunter liegenden linken Elytre. Der Fuß der Grillen ist immer nur dreiteilig. Ebenfalls auffällig sind die Hinterflügel, deren Enden in Ruhelage wie Spieße unter den Vorderflügeln herausschauen.

Folgende Arten der Grillen kommen in Mitteleuropa vor:

Rhaphidophoroidea

Weibliche Dolichopoda schiavazzii, eine Höhlenschrecke aus der Toskana

Die letzte Gruppe der Langfühlerschrecken sind die Rhaphidophoroidea. Alle Arten sind hier in beiden Geschlechtern flügellos. Die bekannteste Art dieser Gruppe ist die vermutlich aus China stammende Gewächshausschrecke (Tachycines asynamorus) aus der Familie der Höhlenschrecken (Rhaphidophoridae). Sie ist weltweit in Gewächshäuser eingeschleppt worden und lebt dort räuberisch oder phytophag. Seit den 90er Jahren sind außerdem einige wenige isolierte Vorkommen der Bedornten Höhlenschrecke (Troglophilus neglectus) aus Bayern und Sachsen in natürlichen und künstlichen (wie z.B. im Bunkersystem der Festung Königstein) Höhlen bekannt. Eine weitere Art ist die in Österreich und der Schweiz hauptsächlich in Höhlen, aber auch unter Laub und Steinen vorkommende Kollars Höhlenschrecke (Troglophilus cavicola). Im Mittelmeerraum finden sich außerdem noch ca. 20 Arten der Gattung Dolichopoda (siehe auch Höhlentiere).

Literatur

  • Bertrand & Hannes Baur, Christian & Daniel Roesti: Die Heuschrecken der Schweiz, Haupt Verlag, Bern 2006, ISBN 3-258-07053-9.
  • Heiko Bellmann: Heuschrecken – beobachten, bestimmen, Naturbuch-Verlag, Augsburg 1993.
  • Josef Szijj: Die Springschrecken Europas, Neue Brehm-Bücherei Bd. 652, Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben 2004.

Weblinks

 Commons: Langfühlerschrecken – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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