Annoncen-Expedition

Annoncen-Expedition

Annoncen-Expeditionen vermittelten im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen Zeitungen und Werbetreibenden die Schaltung von Annoncen. Sie können als Vorläufer der heutigen Werbeagenturen gelten.

Nach Aufhebung des Insertionszwangs in Preußen zum 1. Januar 1847 durften Anzeigenwerbung und Inserate nicht nur in Intelligenzblättern, sondern auch in Tageszeitungen veröffentlicht werden. Allgemeine Anzeiger breiteten sich als Werbeträger schnell aus.

1855 wurde in Altona mit der Insertionsagentur Haasenstein die erste deutsche Annoncen-Expedition gegründet. Vor allem im anglo-amerikanischen Raum, aber auch in Frankreich waren schon früher ähnliche Unternehmen entstanden. Haasenstein sammelte Inserate werbetreibender Kunden, verkaufte diese an Zeitungen und kassierte dafür eine Provision.

Auch in Frankfurt am Main (G. L. Daube, 1864), in Berlin (Rudolf Mosse, 1867) und in vielen anderen Städten wurden Annoncen-Expeditionen als pure Vermittler von Anzeigenraum gegründet, oder schon bestehende Unternehmen gründeten Filialen. Bald finanzierten sich Zeitungen zu mehr als 50 Prozent durch Anzeigenwerbung und wurden auch als Kapitalanlage interessant. Zunächst unterschieden sich die Anzeigen vom Layout nur wenig, und die Werbetreibenden mussten sich ein passendes redaktionelles Umfeld für ihre Reklame selbst suchen.

In den Jahrzehnten nach der Reichsgründung 1871 und im Zuge von Industrialisierung und Massenproduktion steigerte sich die Gestaltung der Anzeigen ins geradezu Marktschreierische. Die Annoncen-Expeditionen, allen voran Rudolf Mosse, pachteten nun den kompletten Anzeigenraum einiger Zeitungen und wurden somit von dessen bloßem Vermittler zum Anbieter von Anzeigenraum. Daneben berieten sie ihre Kunden nun auch bezüglich der Gestaltung und Platzierung der Annoncen.

1872 gründete Mosse das Berliner Tageblatt, 1889 die Berliner Morgenzeitung, kaufte Druckereien auf und baute seine Expedition zum Zeitungsverlag aus, womit er sich in Konkurrenz zu Verlagen wie Ullstein und Scherl begab. Den zu großen Medienunternehmen gewachsenen Annoncen-Expeditionen wurde vorgeworfen, (eigene) Zeitungen zu bevorzugen und deren inhaltliche Ausrichtung zu beeinflussen.

Zwischen 1918 und 1929 kam es zu heftigen Preiskämpfen zwischen den Annoncen-Expeditionen und als Folge zu ihrer inflationsartigen Vermehrung. Teilweise waren sie Spekulationsobjekte für fachfremde Investoren. Mitte der 1920er Jahre eröffneten auch die ersten Filialen US-amerikanischer Werbeagenturen in Deutschland, welche sämtlich als Full-Service-Agenturen auftraten.

1932 geriet die zu diesem Zeitpunkt größte Anzeigen-Expedition Rudolf Mosse in finanzielle Schwierigkeiten und ging über eine Treuhandorganisation in den Besitz der Ala (Allgemeine Anzeigen GmbH) über, die ihrerseits Teil des Hugenberg-Konzerns war.

Mit dem Gesetz über Wirtschaftswerbung 1933 wurden die Annoncen-Expeditionen faktisch gleichgeschaltet und unterstanden nun der Kontrolle des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda.

Siehe auch


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Expedition (Begriffsklärung) — Expedition (von lat. expeditio „Erledigung“, „Feldzug“) steht für: Expedition, eine Entdeckungs oder Forschungsreise Strafexpedition, ein militärisches Unternehmen, um eine andere Macht für ein vermeintliches Unrecht zur Verantwortung zu ziehen… …   Deutsch Wikipedia

  • Ferdinand Haasenstein — Haasenstein Vogler Logo Notizkalender und Z …   Deutsch Wikipedia

  • Allgemeine Anzeigen — Die Allgemeine Anzeigen GmbH (Ala GmbH) war eine der führenden Anzeigengesellschaften der deutschen Presse zu Beginn des 20. Jahrhunderts innerhalb des Hugenberg Konzerns, die nach der NS Machtergreifung unter der Führung der Nationalsozialisten… …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Mosse — (* 9. Mai 1843 in Grätz, Provinz Posen; † 8. September 1920 in Schenkendorf) war ein Berliner Verleger, Firmengründer und Geschäftsmann. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Ae — steht für: Adverse Event, englisch für „unerwünschtes Ereignis“, z. B. in einer klinischen Studie Aeneon, eine Sparte der Qimonda, unter der DRAM vertrieben wird amerikanisches Englisch (englisch American English ), Zusammenfassung der englischen …   Deutsch Wikipedia

  • Ae-provision — Unter dem Begriff AE Provision (auch Agenturprovision genannt) versteht man eine Vergütung, die Verlage an Werbeagenturen für vermittelte Aufträge, also die Belegung ihrer Werbeträger mit Anzeigen, zahlen. Dies ist heute vor allem bei Zeitungen,… …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte der Zeitung — Erste Ausgabe der Aviso, Relation oder Zeitung vom 15. Januar 1609 Die Geschichte der Zeitung als regelmäßig erscheinendes Medium ist eng mit der Frühen Neuzeit verwoben. Ihren Höhepunkt erlebte sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Wolff (SS-Mitglied) — Karl Wolff als SS Brigadeführer (ca. 1937), Aufnahme aus dem Bundesarchiv Karl Friedrich Otto Wolff (* 13. Mai 1900 in Darmstadt; † 15. Juli 1984 in Rosenheim) war ein deutscher SS Obergruppenführer und General der …   Deutsch Wikipedia

  • Medienhaus — In diesem Artikel oder Abschnitt fehlen folgende wichtige Informationen: Die Entwicklungen in Österreich und der Schweiz, sowie der Blick auf Europa insgesamt und weitere Staaten außerhalb von USA und GB fehlen. Du kannst Wikipedia helfen, indem… …   Deutsch Wikipedia

  • Medienkonzern — In diesem Artikel oder Abschnitt fehlen folgende wichtige Informationen: Die Entwicklungen in Österreich und der Schweiz, sowie der Blick auf Europa insgesamt und weitere Staaten außerhalb von USA und GB fehlen. Du kannst Wikipedia helfen, indem… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”