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Der GNU/Linux-Namensstreit ist eine Auseinandersetzung um den korrekten Begriff für Betriebssysteme, die GNU mit dem Linux-Kernel kombinieren. Der Begriff GNU/Linux wird dabei von der Free Software Foundation sowie von anderen Organisationen und Projekten als Begriff für Systeme bevorzugt, für die sich im allgemeinen Sprachgebrauch die Bezeichnung Linux durchgesetzt hat.
Richard Stallman gründete 1983 das GNU-Projekt, um einen freien Ersatz für Unix zu entwickeln. 1991 war GNU, ein rekursives Akronym für GNU’s Not Unix, bis auf den Kernel vollständig. Einige Leute erkannten, dass Linux, ein damals proprietärer Kernel für Minix, sich für GNU eignen könnte. Nachdem die Linux-Entwickler Linux unter die GNU GPL stellten, konnte man zum ersten Mal ein vollständig freies Betriebssystem einsetzen. Die GNU GPL wurde ursprünglich von Richard Stallman geschrieben.
Aus dieser Tradition heraus nennt das Debian-Projekt seine GNU/Linux-Distribution Debian GNU/Linux. Alle anderen großen Distributoren und eine Reihe von Organisationen wie die Free Standards Group lehnen diese Bezeichnung ab. Auch Linus Torvalds benutzte die Bezeichnung Linux schon früh für auf dem Kernel aufbauende Software-Distributionen und findet die Bezeichnung GNU/Linux „lächerlich“.[1]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Geschichte von Linux ist eng verzahnt mit der des GNU-Projekts:
1983 war das GNU-Projekt durch Richard Stallman ins Leben gerufen worden, um ein freies Betriebssystem zu schreiben, welches funktional gleichwertig zum damals proprietären Unix-System sein sollte. Bereits Mitte der 1980er standen eine Reihe von Werkzeugen bereit, die Teile bestehender Unix-Systeme ersetzen konnten. Diese Betriebssystemteile wie die Shell Bash, der Compiler gcc, die wichtige Bibliothek glibc und der Editor Emacs konnten damit für die weitere Entwicklung verwendet werden. Allerdings gab es keinen Kernel, der aus diesen Teilen ein vollständiges Betriebssystem gemacht hätte. Nachdem der für GNU vorgesehene GNU-Hurd-Kernel auch in den 1990er-Jahren nicht vorankam, wurde der von Linus Torvalds initiierte Kernel-Ersatz für Minix als vorübergehende Lösung ins Auge gefasst. Um den Linux-Kernel in GNU zu integrieren, musste sowohl der Code angepasst als auch die Lizenz geändert werden. Torvalds bezeichnete später die Idee, Linux unter die GNU GPL zu stellen, als die beste, die er je hatte.
Damit gab es erstmals ein komplett freies Betriebssystem. Eine fundamentale Lücke in der Softwaresammlung des GNU-Systems wurde damit geschlossen. Das auf Linux basierende GNU-System, das unter anderem die GNU Compiler Collection nutzte, um den Kernel zu kompilieren, wurde immer populärer und unter dem Namen Linux bekannt. 1992 adaptierte die erste Distribution als Namen den Begriff Linux/GNU/X. Das 1994 gegründete Debian-Projekt nannte seine Distribution „Debian GNU/Linux“. Im GNU Bulletin[2] Juni 1994 wurde Linux als freier Unix-Klon bezeichnet, in der Januar-Edition von 1995 wurde stattdessen von GNU/Linux gesprochen. 1996 benannte Stallman die Emacs-Version 19.31 für Linux in Lignux um. Da sich der Name aber nicht durchsetzen konnte, gab Richard Stallman den Begriff Lignux bald auf; heutzutage wird er nicht mehr genutzt und Richard Stallman präferiert nur noch GNU/Linux bzw. GNU+Linux.
Argumente
Ein Grundproblem des Namensstreits ist, dass der Begriff Betriebssystem nicht genau definiert ist und von Autor zu Autor teilweise erheblich variiert. Manche Anhänger der Bezeichnung „Linux“ behaupten, ohne den Kernel Linux könne GNU nicht funktionieren. Dies ist offensichtlich falsch, denn GNU wurde in den 1980er Jahren auf Unix-Systemen entwickelt und wurde in den 2000er Jahren auf eine Reihe anderer Kernel portiert. Die Anhänger der Bezeichnung „GNU/Linux“ behaupten, dass die Idee von copyright-geschützter, freier Software vom GNU-Projekt stamme und dass die Beiträge des GNU-Projekts zu „GNU/Linux“ immer noch essentiell seien. Letzteres stimmt nicht völlig, denn es ist theoretisch möglich, Linux mit anderen Shellprogrammen und Bibliotheken (zum Beispiel BusyBox und uClibc) laufen zu lassen.[3] In der Praxis jedoch wird fast immer GNU (ohne GNU Hurd) und Linux (der Kernel) zusammen eingesetzt.
Für „GNU/Linux“
- Durch das Weglassen des Namens GNU gehen auch die Hinweise auf die ethischen Hintergründe rund um freie Software verloren, deren Verbreitung die Hauptmotivationen des GNU-Projekts ist[4].
- Ohne das GNU-Projekt gäbe es heute wahrscheinlich kein einziges freies Betriebssystem.[5] Auch die freien BSD-Varianten wären ohne den Einfluss des GNU-Projekts nicht entstanden.[6]
- Das System hieß seit 1983 GNU, Linux kam erst später hinzu.[7]
- Die Bezeichnung Linux, von Torvalds’ Vornamen „Linus“ abgeleitet, suggeriert, dass dieser der Initiator aller Teile des Systems sei. Die Entwicklung der meisten Komponenten außerhalb des Kernels begann jedoch schon Jahre früher (siehe auch: GNU-Projekt).
- Die Bezeichnung Linux für das Betriebssystem und für den Kernel zu nutzen, stiftet Verwirrung. Die Bezeichnung GNU/Linux verhindert solche Verwirrungen.
- Da viel GNU-Software vor allen Dingen vom Nutzer unsichtbar ihre Arbeit verrichtet, bleibt die Leistung des GNU-Projekts unbemerkt und wird allein „Linux“ zugeschrieben. Dem GNU-Projekt wird damit nicht die Anerkennung zuteil, die es verdient hätte.
- Mit Bezeichnungen wie Apache/BSD/KDE/GNU/Linux/Fedora benutzen die „Linux-Anhänger“ ein Strohmann-Argument. Irgendwo muss man eine Grenze ziehen, wen man noch im Namen erwähnt. Dabei darf aber nicht der Erstautor wegfallen.[8]
Für „Linux“
- Der Name Linux ist einprägsamer. Bei GNU hingegen besteht bei amerikanischer Aussprache Verwechslungsgefahr mit dem englischen Wort new (deutsch: neu); Richard Stallman bezeichnet es als das witzigste Wort der englischen Sprache.[9]
- Im alltäglichen Sprachgebrauch werden Begriffe möglichst kurz ausgedrückt; GNU − slash − Linux und GNU − plus − Linux ist zu lang. (Die Nennung des Schrägstriches ist wichtig, damit Linux nicht irrtümlich als Teil des GNU-Projektes aufgefasst wird.)
- Torvalds selbst, der die Markenrechte des Namens Linux innehat, bezeichnet das ganze System als Linux.[10] Er legt allerdings auch Wert darauf, dass Anerkennung vergeben werden soll, wo sie verdient wurde.
- Der Begriff Linux wurde schon früh nicht nur für den Kernel, sondern auch für Softwaresammlungen rund um Linux genutzt. Die Ansprüche der FSF und von Richard Stallman wurden erst später angemeldet.
Alternative Bezeichnungen
Als Alternative zu GNU/Linux und Linux wurde vorgeschlagen, das System einfach nur nach seinem Hauptteil GNU zu nennen. Dagegen wird das praktische Argument angeführt, dass vielen das Betriebssystem nur unter dem Namen Linux bekannt sei und eine „Umbenennung“ in GNU für diese Benutzer für Verwirrung sorgen könnte. Der Begriff GNU/Linux hingegen sei eher auch denen verständlich, die das System unter dem Namen Linux kennen.[11]
Eine Vermeidung des Konflikts der Bezeichnung eines verwendeten Systems kann darin bestehen, die offizielle Bezeichnung der Distribution als den Namen des verwendeten Systems zu benutzen, so wie etwa Debian GNU/Linux oder Gentoo Linux. Alternative auch einfach die Kurzbezeichnungen wie Debian bzw. Gentoo, wobei es hier jedoch wieder Verwechslungsgefahr mit Debian GNU/Hurd bzw. Gentoo/FreeBSD geben kann.
Weblinks
- Linux und das GNU-Projekt – ein geschichtlicher Abriss von Richard Stallman
- Warum GNU/Linux? – Stellungnahme von Richard Stallman
- GNU/Linux-FAQ der Free Software Foundation
- Eric S. Raymonds „Jargon File“-Eintrag (englisch)
- Glosse zum Namensstreit im Usenet (englisch)
Quellen
- ↑ Moore, J.T.S. (Produced, Written, and Directed). (2001). Revolution OS [DVD].
- ↑ http://www.gnu.org/bulletins/
- ↑ Richard Stallman: GNU/Linux FAQ: Kann es nicht Linux-Systeme ohne GNU geben?
- ↑ Richard Stallman: GNU Users Who Have Never Heard of GNU
- ↑ Richard Stallman: GNU/Linux FAQ: Wäre Linux genauso erfolgreich gewesen, wenn es kein GNU gegeben hätte?
- ↑ Richard Stallman: GNU/Linux FAQ: Sollen wir auch „GNU/BSD“ sagen?
- ↑ Free Software Foundation: Überblick über das GNU Projekt
- ↑ Richard Stallman: GNU/Linux FAQ: Viele andere Projekte haben auch zum System beigetragen, wie es heute ist. Das umfasst TeX, X11, Apache, Perl, und viele andere Programme mehr. Impliziert deine Argumentation nicht, dass wir denen auch Anerkennung zollen müssen?
- ↑ Mitschrift eines Vortrages von Richard Stallman
- ↑ Linus Torvalds: Lignux, what’s the matter with you people? in den Usenet-Gruppen gnu.misc.discuss und comp.os.linux.misc, 3. Februar 1996
- ↑ Richard Stallman: GNU/Linux FAQ: Da Linux ein sekundärer Beitrag sein soll, wäre es dann gemäß den Fakten falsch, das System einfach „GNU“ zu nennen?
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