- Lidice
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Lidice Basisdaten Staat: Tschechien Region: Středočeský kraj Bezirk: Kladno Fläche: 475 ha Geographische Lage: 50° 9′ N, 14° 11′ O50.14305555555614.19343Koordinaten: 50° 8′ 35″ N, 14° 11′ 24″ O Höhe: 343 m n.m. Einwohner: 467 (1. Jan. 2011) [1] Postleitzahl: 273 54 Kfz-Kennzeichen: S Verkehr Straße: Kladno – Makotřasy Struktur Status: Gemeinde Ortsteile: 1 Verwaltung Bürgermeister: Tomáš Skála (Stand: 2010) Adresse: ul. 10. června 161
273 54 LidiceGemeindenummer: 532584 Website: www.obec-lidice.cz Lageplan Lage von Lidice im Bezirk Kladno Lidice (deutsch Liditz) ist eine Gemeinde im Okres Kladno in Tschechien. Sie liegt fünf Kilometer östlich von Kladno und 20 km westlich von Prag in der Mittelböhmischen Region. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Lidice 1942 von den deutschen Nationalsozialisten als Teil der Racheaktionen nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich zerstört. Nach dem Krieg wurde Lidice 300 m vom alten Ort entfernt neu aufgebaut. An der Stelle des früheren Lidice befinden sich heute eine Gedenkstätte und ein Museum.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Vom Mittelalter bis zur Okkupation
Lidice wurde im Jahre 1306 im Zuge einer Erbteilung erstmals urkundlich erwähnt und gehörte zu Beginn des 14. Jahrhunderts verschiedenen Prager und Kuttenberger Bürgern. Für das Jahr 1309 ist die Existenz eines „castrum Luticz“ belegt. 1415 erwarb Petr Meziříčský aus Prager Altstadt Teile des Dorfes und schlug sie seiner Herrschaft Makotřasy zu. Im Verlauf der Hussitenkriege wurden Meziříčskýs Besitzstände durch einige tausend Aufständische aus Louny, Žatec und Slany geplündert, als diese zur Unterstützung ihrer Bundesgenossen nach Prag zogen.
Nach Meziříčskýs Tod folgten mehrere Besitzerwechsel. 1470 erwarb Jetřich Bezdružický von Kolowrat Makotřasy und später Buštěhrad. Er vereinigte den Besitz und bis 1713 gelangte ganz Lidice zur Herrschaft Buštěhrad. Zu den weiteren Besitzern gehörte Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg. Nach dem Tod ihrer Tochter erbte der bayrische Kurfürst Maximilian Josef die Ländereien. Unter seiner Herrschaft begann in der Umgebung der Abbau von Kohle. 1805 übergab Maximilian die Herrschaft Buštěhrad dem Erzherzog Ferdinand, dieser übergab es 1847 an Ferdinand den Gütigen und wurde dadurch Eigentum der kaiserlichen Höfe. Bis zur Ablösung der Patrimonialherrschaften im Jahre 1848 gehörte Lidice zur Herrschaft Buštěhrad.
Der Ort in der Talmulde des Lidický potok wurde von der Pfarrkirche St. Martin des Älteren überragt, deren barocke Neugestaltung 1732 durch den Baumeister Václav Špaček erfolgte. Mit dem industriellen Aufschwung von Kladno verdienten sich viele der Bewohner seit der Mitte des 19. Jahrhunderts dort ihren Lebensunterhalt als Berg- und Hüttenleute. Nach der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei gehörte Lidice ab 1939 zum Protektorat Böhmen und Mähren. Im Jahre 1942 bestand Lidice aus 102 Häusern und hatte 503 Einwohner. Es gab 14 Höfe, eine Mühle, drei Lebensmittelläden, drei Wirtshäuser, zwei Metzgereien und die Kirche.
Massaker und Zerstörung 1942
Am 27. Mai 1942 wurde Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamts und stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, auf dem Weg zu seinem Büro auf dem Hradschin in Prag durch ein Attentat tschechoslowakischer Widerstandskämpfer so schwer verletzt, dass er am 4. Juni 1942 starb. Daraufhin leiteten die Nationalsozialisten massive Vergeltungsmaßnahmen gegen die tschechische Zivilbevölkerung ein. Die Behauptung, die Dorfbewohner hätten die Attentäter beherbergt, stellte sich später als falsch heraus.
Am Abend des 9. Juni 1942 umstellten deutsche Polizeikräfte (Angehörige der Gestapo, des SD und der Schutzpolizei unter dem Kommando von SS-Offizieren einer Sonderkommission und des Befehlshabers der Sipo in Prag) mit Unterstützung der tschechischen Gendarmerie Lidice und blockierten alle Zufahrtswege, da dort Beteiligte des Attentats vermutet wurden. In der folgenden Nacht wurden die Dorfbewohner zusammengetrieben. Alle 172 Männer, die älter als 15 Jahre waren, wurden in den Hof der Familie Horák gebracht, wo sie tags darauf erschossen wurden. Weitere neun Männer, die auswärts in der Nachtschicht in einem Kohlebergwerk arbeiteten, und sieben schwangere Frauen wurden nach Prag gebracht. Die Männer wurden dort erschossen, während die Frauen ihre Kinder gebären konnten. Die verbleibenden 195 Frauen wurden in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, wo 52 von ihnen ermordet wurden. Nachdem die sieben Schwangeren entbunden hatten, wurden sie von ihren Kindern getrennt und ebenfalls nach Ravensbrück deportiert.
Der Ort Lidice wurde in Brand gesteckt, gesprengt und schließlich durch Züge des Reichsarbeitsdienstes eingeebnet, um die Gemeinde vollständig von der Landkarte zu tilgen. Die Anordnung zur „Räumung“ des Dorfes erfolgte durch den SS-und Polizeiführer Karl Hermann Frank. Vergleichbar mit dieser „Vergeltungsmaßnahme“ war die wenige Tage später durch die Besatzungsmacht durchgeführte vollkommene Zerstörung von Ležáky.
Weibliche Überlebende kehrten aus der Gefangenschaft zurück und konnten in dem in der Nähe neu errichteten Ort ab 1949 wohnen. Es gab auch zwei ehemalige Einwohner, die in der Zeit in der britischen Armee kämpften.
Schicksal der Kinder von Lidice
Die 98 Kinder des Dorfes wurden in das Lager der „Umwandererzentrale Litzmannstadt“ in der Gneisenaustraße 41 in Litzmannstadt deportiert und nach rassischen Kriterien ausgesondert. Dreizehn dieser Kinder wurden zur Germanisierung in ein Lebensborn-Heim gebracht. Die anderen Kinder wurden zusammen mit elf Kindern aus Ležáky ins Vernichtungslager Kulmhof deportiert und dort vergast.[2]
Die dreizehn Kinder, die zwecks „Germanisierung“ ausgesondert worden waren, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Bayern wieder aufgefunden, ebenso sechs von den sieben, die nach dem 10. Juni 1942 geboren wurden; das siebte war verstorben. Ein Kind aus Lidice, Marta Hroníková, ist Anfang der 1950er Jahre unter ungeklärten Umständen in einem Flüchtlingslager aufgefunden worden. Nach jahrzehntelanger Odyssee durch psychiatrische Anstalten der kommunistischen Tschechoslowakei wurde sie nach der Wende als verschollenes Kind aus Lidice anerkannt und erhielt eine Entschädigung.
Gedenkstätte Lidice
Ab dem Jahr 2000 wurde die bestehende Gedenkstätte umfassend renoviert: Die Bildhauerin Marie Uchytilová schuf eine aus 82 Personen bestehende Bronzegruppe. Sie soll an die Kinder aus Lidice erinnern, die nach ihrer Deportation umgebracht wurden, und zugleich ein Denkmal für alle Kinder darstellen, die Opfer von Kriegen sind. Der bestehende Rosengarten wurde mit 23.000 Rosenstöcken neu bepflanzt.
Gedenken an Lidice
Als die Gräuel von Lidice bekannt wurden, haben mehrere Gemeinden den Namen Lidice (bzw. in spanischer Schreibweise Lídice) angenommen. So findet man
- Lidice in Brasilien, der ursprüngliche Name dieser Kleinstadt in der Nähe von Rio de Janeiro war Vila Parado. Die Umbenennung erfolgte 1944, am zweiten Jahrestag der Zerstörung Lidices, in Anwesenheit brasilianischer Honoratioren und einer diplomatischen Vertretung der tschechoslowakischen Exilregierung.
- San Jerónimo-Lídice in Mexiko-Stadt (D.F.)
- Lidice im US-Bundesstaat Illinois
- Lídice de Capira in Panama
Ortsteile mit dem Namen Lidice gibt es in Lima (Peru), Caracas (Venezuela), Regia (Kuba) und Gan Yaoneh (Israel).
- Auf dem Gelände der Bremer Begegnungsstätte "Lidice-Haus"[3] wurde im Rahmen einer internationalen Jugendbegegnung ein Rosengarten zum Gedenken an Lidice angelegt. Anzahl und Anordnung der roten und weißen Rosen stellen eine Symbolik zur Opferzahl und der Topographie des Dorfes dar.
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Siehe auch: Pro Lidice
Künstlerische Bearbeitungen
Heinrich Mann, der sich in den USA im Exil befand, verarbeitete die Ereignisse um Lidice 1942 in seinem Roman Lidice. Dieser wurde nach einigen Schwierigkeiten 1943 im mexikanischen Verlag El Libro Libre erstmals veröffentlicht, der ein Jahr zuvor von deutschen Autoren im Exil gegründet worden war.[4]
Der tschechische Komponist Bohuslav Martinů schrieb 1943 während seines Exilaufenthalts in den USA ein Mahnmal für Lidice. Es ist ein einsätziges Werk für großes Orchester und zitiert unter anderem Beethovens 5. Sinfonie.
Film
Die Kinder von Lidice Dokumentarfilm (ZDF, Deutschland, 1999, 29 Min.), Regie: Manfred Kosmann, Bohumil Neumann. Der Film stellt nach Forschungen der Berliner Journalistin Kerstin Schicha und des Berliner Rechtsanwalts Frank Metzing das Schicksal der Kinder dar, die nach der Zerstörung Lidices von den Nationalsozialisten verschleppt wurden.
Am 2.Juni 2011 startet in den tschechischen Kinos der Film "Lidice"[5] des Regisseurs Petr Nikolaev mit Karel Roden, Zuzana Fialová, Marek Adamczyk und Veronika Kubarová. Er handelt von der Zerstörung des Ortes.
Ehrenbürger
- Ernst Uhl (* 27. Oktober 1932 in Budapest), evangelischer Theologe und Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche
Siehe auch
- Telavåg: Am 30. April 1942 verschleppte die SS sämtliche Einwohner. Das norwegische Dorf wurde vollständig zerstört.
- Massaker von Ležáky am 24. Juni 1942. Alle Erwachsenen wurden ermordet.
Literatur
- Helmut G. Haasis: Tod in Prag: Das Attentat auf Heydrich. Hamburg 2002.
- Miroslav Ivanov: Der Henker von Prag: Das Attentat auf Heydrich. Berlin 1993.
- Volker Koop: Dem Führer ein Kind schenken – die SS-Organisation „Lebensborn“ e.V. Böhlau, Köln 2007, ISBN 978-3-412-21606-1.
- Vlastimil Louda, J. Bartik, F. Kropac: Lidice – cin krvaveho teroru a poruseni zakonu i zakladnich lidskych prav. Hrsg. vom tschechoslowakischen Innenministerium. Prag 1945. (tschechisch)
- Uwe Naumann: Lidice: Ein Böhmisches Dorf. Frankfurt 1983.
- Jolana Mackovà, Ivan Ulrych (Hrsg.) Kinderschicksale aus Lidice. VEGA-L, Nymburk 2004, deutsch: ISBN 80-86757-19-6.
- Eduard Stehlik: Lidice: Geschichte eines tschechischen Dorfes. Bildband mit Erläuterungen. V Raji, Prag 2004, deutsch: ISBN 80-86758-16-8.
- Peter Steinkamp: Lidice 1942. In: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Orte des Grauens: Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Darmstadt 2003.
Weblinks
Commons: Lidice – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- Website des Einwohnerverbandes (tschechisch)
- Aufnahmen des alten Dorfes
- Denkmal Lidice
- Aus dem Protokoll des Eichmann-Prozesses (englisch)
- Zeugenaussage von Hermann Krumey im Eichmann-Prozess (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Český statistický úřad – Die Einwohnerzahlen der tschechischen Gemeinden vom 1. Januar 2011 (XLS, 1,3 MB)
- ↑ Vgl. Volker Koop, a.a.O., S. 155–159
- ↑ Infos zum Lidice-Haus
- ↑ Nachbemerkung in: Heinrich Mann: Lidice, Aufbau-Verlag 1984
- ↑ Zum Film von 2011
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