Ante Gotovina

Ante Gotovina
Gotovina auf einem Plakat südöstlich von Dubrovnik, an Einreisende aus Montenegro gerichtet: (Plakatübersetzung: "Willkommen im Land des Generals Ante Gotovina")

Ante Gotovina (* 12. Oktober 1955 in Tkon auf der Insel Pašman, Jugoslawien) ist ein kroatischer General im Ruhestand und verurteilter Kriegsverbrecher. Zwischen 2005 und 2011 wurde gegen ihn ein Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien verhandelt. Er war angeklagt, während des Kroatienkrieges als General der kroatischen Armee und damit als Oberbefehlshaber der kroatischen Truppen Kriegsverbrechen gegen Serben befohlen zu haben. Am 15. April 2011 verurteilte der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag Ante Gotovina in der ersten Instanz zu einer Haftstrafe von 24 Jahren.[1] Gegen das Urteil wurde am 16. Mai 2011 Berufung eingelegt.[2]

Inhaltsverzeichnis

Kindheit

Aufgewachsen ist Ante Gotovina in Pakoštane, einem Dorf an der dalmatinischen Küste, nicht weit von seinem Geburtsort auf der Insel Pašman entfernt. Hier genießt er auch trotz der Verurteilung durch das Haager Tribunal nach wie vor bei vielen Einwohnern großes Ansehen. Das macht sich vor allem durch die häufige Präsentation seines Konterfeis in der Öffentlichkeit bemerkbar. Seine Familie lebt immer noch in Pakoštane und betreibt dort mehrere Gaststätten.

Militärische Karriere

Gotovina trat mit 18 Jahren der französischen Fremdenlegion bei. Dort wurde er Unteroffizier beim zweiten Fallschirmjägerregiment der Fremdenlegion (2ème REP) und anschließend Taucher bei der Kommandoeinheit des 2ème REP (CRAP). Später nahm er die französische Staatsbürgerschaft an, danach war er als Ausbilder von Kommando-Einheiten in Lateinamerika tätig. In den achtziger Jahren stand er in Frankreich wegen Juwelendiebstahls vor Gericht und verbüßte dort eine kurze Haftstrafe.[3]

Kroatienkrieg

Durch die Operation Oluja konnten die serbisch-okkupierten Gebiete Kroatiens 1995 zurückerobert werden.

Nachdem Gotovina von kroatischen Auswanderern in Argentinien von dem langsam aufkommenden Konflikt in seinem Heimatland erfahren hatte, kehrte er 1990 nach Kroatien zurück und meldete sich sofort zum Dienst an der Waffe. Als Soldat in der 1. Gardebrigade kämpfte er im Kroatienkrieg vor allem in Slawonien und stieg zum Befehlshaber der Truppen auf. Nach einer Verwundung und der erneuten Genesung zog sich Gotovina in den Stab der HVO Livno in Bosnien und Herzegowina zurück.

Von 1992 bis 1994 bekleidete er zunächst den Rang eines Generalmajors und wurde dann zum Generalleutnant ernannt. Als Befehlshaber befehligte er zwischen 1992 und 1996 den Militärdistrikt Split. In dieser Zeit war Gotovina an der Planung der Militäroperation Maslenica, sowie an einigen anderen Operationen im Gebiet Livno und Tomislavgrad aktiv beteiligt. In der Militäroperation Sturm (Oluja) war er Kommandant des Sektors Süd. Unter seinem Befehl eroberten die kroatischen Truppen das Livanjsko polje, Gebiete der Dinara und des Šator-Gebirges, sowie die Städte Glamoč und Bosansko Grahovo sowie das Umland von Knin.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1995 war Gotovina dann sowohl Befehlshaber der kroatischen Armee (HV) als auch der Truppen der bosnisch-herzegowinischen Kroaten (HVO) und leitete mit dem bosnischen General Atif Dudaković die Militäroperation Maestral, bei welcher die bosnische Armee (Armija Republike Bosne i Hercegovine) und kroatische Truppen bis 23 km vor Banja Luka vorrückten.

Anklage und Flucht

2001 wurde Gotovina vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, die Truppen unter seinem Kommando verübt haben sollen.

Die Anklagepunkte der revidierten Anklageschrift lauten unter anderem:[4][5]

  • Tötung von mindestens 37 Personen (nach der alten Anklageschrift ging man von 150 Personen aus);
  • Plünderung privaten und öffentlichen Eigentums
  • Brandschatzung und Zerstörung von Dörfern und Städten
  • Vertreibung von mehreren Zehntausend Serben

Laut Staatsanwaltschaft war auch Kroatiens damaliger Staatspräsident Franjo Tuđman an der Planung und Durchführung beteiligt. Die ergänzende Anklageschrift spricht von einer „kriminellen Vereinigung“, bestehend unter anderem aus Gotovina und Tuđman, deren Ziel „die gewaltsame und dauerhafte Vertreibung der serbischen Bevölkerung aus der Krajina-Region“ gewesen sei.

Nach Meinung der Verteidigung hingegen war die Operation Sturm entscheidend für die Beendigung des Krieges auf dem Balkan durch den Sieg über die Armee der bosnischen Serben und wurde aufgrund der Bedrohungslage für die Stadt Bihać auch durch die USA unterstützt. Die Bombardierung von Knin sei im Vergleich zur Schlacht um Vukovar oder anderen Belagerungen minimal gewesen.[6]

Gotovinas Anklage kommt für die kroatische Bevölkerung (vor allem in den Gebieten Kroatiens, aus denen Kroaten von Serben vertrieben wurden und nun nach vier Jahren zurückkehren konnten) große Bedeutung zu, weil er angesichts seiner überraschend schnellen militärischen Erfolge von vielen Kroaten als Nationalheld angesehen wird. Deshalb wird den Anschuldigungen des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag in diesem Punkt in Kroatien häufig mit Unverständnis begegnet.

International wurde den kroatischen Behörden entsprechend mangelndes Interesse an einer Ergreifung Gotovinas vorgeworfen. Die kroatische Regierung hatte dagegen wiederholt erklärt, ihr sei der Aufenthaltsort des Ex-Generals nicht bekannt und der Staat habe alles geleistet, was in seiner Macht stehe, um den General ausfindig zu machen und auszuliefern.

Großbritannien, die Niederlande und einige skandinavische Staaten stellten sich einer weiteren Annäherung Kroatiens an die EU entgegen, sollte Kroatien nicht vollständig mit dem zuständigen Tribunal zusammenarbeiten. Der ursprünglich für den 17. März 2005 vorgesehene Beginn der Beitrittsverhandlungen Kroatiens mit der EU wurde daher zurückgestellt. In ihrem folgenden Bericht vom Juni 2005 erklärte Chefanklägerin Carla del Ponte, Kroatien sei zwar auf dem richtigen Weg, habe aber noch nicht genug unternommen, um Gotovina zu ergreifen. Der Vorwurf richtete sich nicht direkt gegen die Regierung von Ministerpräsident Ivo Sanader, allerdings wurde untergeordneten kroatischen Behörden unterstellt, Gotovina zu schützen. Zudem warf del Ponte der katholischen Kirche in Kroatien und dem Vatikan vor, den gesuchten Ex-General zu decken. Die offiziellen Beitrittsverhandlungen begannen dann, ebenso wie die zum EU-Beitritt der Türkei, am 4. Oktober, nachdem die Chefanklägerin in ihrem Bericht am Tag davor der kroatischen Regierung „volle Zusammenarbeit“ bei der Suche nach Ante Gotovina bescheinigt hatte.

Festnahme Ante Gotovinas und die Folgen

Am 8. Dezember 2005 konnte del Ponte bekanntgeben, dass Ante Gotovina tags zuvor auf Teneriffa festgenommen worden war. Gotovina war während des Abendessens in einem Hotel im Touristenort Playa de las Américas im Süden der Insel gefasst worden. Es hieß, er habe gefälschte Ausweispapiere bei sich gehabt. Die spanische Polizei habe bereits seit mehreren Tagen intensiv nach ihm gefahndet. Der Ex-General habe sich auf verschiedenen Inseln des Archipels versteckt gehalten.

Anton Nikiforov, der politische Berater der Hauptanklägerin Carla del Ponte bestätigte am 22. März 2007, dass die kroatischen Behörden eine Schlüsselrolle bei der Lokalisierung von Ante Gotovina spielten. Andere Behörden sollen daran nicht beteiligt gewesen sein. Nikiforov äußerte überdies, dass die spanische Polizei erst nach Weitergabe der Informationen aus Kroatien eingeschaltet wurde.[7]

In der kroatischen Hauptstadt Zagreb protestierten am Folgeabend mehrere Tausend Menschen gegen die Festnahme Gotovinas. Der Protest wurde dann nach Ausschreitungen durch die Polizei gewaltsam beendet. Die größte Unterstützungskundgebung, die am 11. Dezember in Split stattfand und von zahlreichen Vereinigungen ehemaliger Soldaten und Generäle organisiert wurde, verlief hingegen friedlich und ohne grobe politische Parolen. Die Medien berichteten, dass sich 40.000 bis 60.000 Menschen dort versammelt hatten. Aus Protest errichteten Anhänger Gotovinas in mehreren Städten Straßensperren und setzten Autoreifen in Brand.

Nachdem Gotovina zuvor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid vorgeführt worden war, wurde er am 10. Dezember 2005 schließlich dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien überstellt. Bei seinem ersten Auftritt vor Gericht am 12. Dezember bestritt der Angeklagte jegliche Schuld. Sowohl die kroatische Regierung wie auch die Bischöfe des Landes hielten Gotovina für unschuldig. Der Erzbischof von Split erklärte nach Gotovinas Festnahme, dass der kroatische Staat den General vor Gericht verteidigen werde.

Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien

Am 10. März 2008 begann vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien der Prozess gegen Gotovina. Zusammen mit Gotovina wurden auch die Generäle Ivan Čermak und Mladen Markač vor Gericht angeklagt.[8] Der Fall wird unter der Bezeichnung Gotovina et al. verhandelt. Am 5. März 2009 beendete die Anklage ihre Beweisführung. Ein darauf folgender Antrag der Verteidigung auf Abweisung aller Anklagepunkte wurde am 3. April 2009 abgelehnt. Die Verteidigung begann mit ihrer Beweisführung am 28. Mai 2009 und beendete sie am 27. Januar 2010.

In den Schlussplädoyers im August 2010 forderte die Staatsanwaltschaft 27 Jahre Haft für Gotovina,[9] während die Verteidigung auf Freispruch plädierte.[10] Am 15. April 2011 wurde Ante Gotovina vom Internationalen Strafgerichtshof zu 24 Jahren Gefängnis verurteilt.[1] Dabei wurde er folgender Verbrechen für schuldig befunden:[1]

  • Verfolgung als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit
  • Deportation als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit
  • Plünderung von öffentlichem und privatem Eigentum als Verletzung der Gesetze oder Gebräuche des Krieges
  • mutwillige Zerstörung als eine Verletzung der Gesetze oder Gebräuche des Krieges
  • Mord als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit
  • Mord als eine Verletzung der Gesetze oder Gebräuche des Krieges
  • inhumanes Handeln als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit
  • grausame Behandlung als eine Verletzung der Gesetze oder Gebräuche des Krieges

Auch den mitangeklagten Ex-General Mladen Markač sprach das Gericht schuldig: Er bekam 18 Jahre Haft. General Ivan Čermak wurde dagegen freigesprochen.[11]

Laut Premierministerin Jadranka Kosor habe die kroatische Regierung vor Berufung gegen die Verurteilungen sowie die Einschätzung des Gerichts, dass Tuđman als Drahtzieher der Vertreibung fungiert habe, einzulegen.[12]

Literatur

  • Nenad Ivanković: Ratnik pustolov i general (Biografie Gotovinas auf Kroatisch) ISBN 953-98429-0-5

Weblinks

 Commons: Ante Gotovina – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c icty.org: Judgement Summary for Gotovina et al., Zugriff am 15. April 2011
  2. Ex-Croat generals lawyers move to appeal war crimes verdicts vom 16. Mai 2011
  3. Als Kriegsheld gefeiert, als Kriegsverbrecher gesucht, FAZ, 9. Dezember 2005
  4. Übersicht zu den Unterlagen auf den Seiten des ICTY
  5. Auflistung der Anklagepunkte des ICTY. Abgerufen am 3. April 2011.
  6. Croatian general brought peace, defence says, Reuters, 12. März 2008
  7. Jutarnji list. Anton Nikiforov: 'Hrvatske tajne službe locirale su Antu Gotovinu', 22. März 2007 (kroatisch)
  8. Die Presse: Kroatischer General Gotovina wegen Kriegsverbrechen angeklagt vom 11. März 2008
  9. 27 Jahre Haft für Ante Gotovina gefordert. In: Basler Zeitung, 3. August 2010
  10. Verhandlung gegen Ante Gotovina, Ivan Čermak und Mladen Markač unterbrochen. Bei: kroatien-news.net, 1. September 2010
  11. ORF: 24 Jahre Haft für kroatischen Ex-General Gotovina
  12. Der Sturm endet hinter Gittern. Abgerufen am 25. April 2011.

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