- Lucona
-
Lucona Schiffsdaten andere Schiffsnamen - Steinberg
- Niolon
- Atlantic Progress
Schiffstyp Massengutfrachter Bauwerft Büsumer Werft GmbH, Büsum Stapellauf 15. Oktober 1966 Übernahme 11. Dezember 1966 Verbleib Gesunken am 23. Januar 1977. Schiffsmaße und Besatzung Länge 75,35 m (Lüa)68,8 m (Lpp)Breite 11,4 m Tiefgang max. 5,34 m Vermessung 1211,43 BRZ Besatzung 12 Maschine Maschine 4-Takt 8-Zyl.-Diesel, Mak 8 Mu 451 AK Maschinen-
leistung1.400 PS (1.030 kW) Geschwindigkeit max. 13,0 kn (24 km/h) Transportkapazitäten Tragfähigkeit 2.200 tdw Sonstiges Ladegeschirr 3 Bäume 3 t., 1 Baum 3/10 t. Die Lucona war ein Massengutfrachter, der 1966 auf der Büsumer Werft in Büsum gebaut und im Zuge eines sechsfachen Mordes, sechsfachen Mordversuchs und versuchten Versicherungsbetrugs durch eine Sprengung am 23. Januar 1977 im Indischen Ozean versenkt wurde. Im Rahmen der darauf folgenden Untersuchung weitete sich die Begebenheit zum größten politischen Skandal Österreichs in der Zweiten Republik aus, in den mehrere Spitzenpolitiker verstrickt waren und der das Land von 1977 bis 1992 bewegte. In den Medien wurde die Causa Lucona-Skandal oder Lucona-Affäre genannt.[1]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Lucona lief am 15. Oktober 1966 vom Stapel. Auftraggeber war die Reederei August Bolten Wm. Miller’s Nachfolger, Hamburg. Das Schiff erhielt zunächst den Namen Steinberg und wurde im Lauf der Jahre in Niolon (1971), Lucona (1974), Atlantic Progress (1975) und wiederum in Lucona (1976) umbenannt.[2]
Lucona-Affäre
Der Frachter Lucona wurde 1976 von Udo Proksch, dem damaligen Prokuristen des Wiener Kaffeehauses Demel und Enfant terrible der Wiener Gesellschaft, gechartert. Das Schiff wurde in Chioggia in Oberitalien angeblich mit einer Uranerzaufbereitungsanlage beladen. Die Ladung wurde bei der Bundesländer-Versicherung in Wien für 212 Mio. Schilling (ca. 15,4 Mio. Euro) versichert. Adressat der Lieferung war ein Strohmann Prokschs. Das mit einer aus österreichischen Heeresbeständen stammenden Sprengladung versehene Schiff wurde am 23. Januar 1977 in der Gegend der Malediven im Indischen Ozean versenkt.[2] Dabei wurde der Tod der zwölfköpfigen Besatzung in Kauf genommen, sechs Menschen kamen tatsächlich ums Leben.
Die Bundesländer-Versicherung verweigerte allerdings die Auszahlung der Versicherungssumme, da sie den Verdacht hegte, die Lucona habe nicht die behauptete wertvolle Fracht, sondern vielmehr Schrott, nämlich Gerätschaften des aufgelassenen Kohlebergwerkes von Oberhöflein, sowie Teile eines Kunststoffextruders geladen gehabt, was sich letztlich als richtig erweisen sollte: Die Ladung repräsentierte einen Wert von lediglich 1 Mio. Schilling (etwa 73.000 Euro).
Es wurde nie genau geklärt, womit die Sprengladung gezündet wurde. Eine Fernauslösung scheidet wegen der großen Distanz (6.000 km) zwar aus, allerdings konnte auch die Verwendung eines Zeitzünders nicht nachgewiesen werden. Das österreichische Bundesheer verfügte aber über Zeitzünder, die maximal 21 Tage liefen. Die Lucona lief am 2. Januar 1977 aus Chioggia aus, exakt 21 Tage später, am 23. Januar, erfolgte die Explosion.
Aufdeckung
Der Fall Lucona wurde durch die Journalisten Gerald Freihofner („Wochenpresse“) und Hans Pretterebner aufgedeckt. Die gesammelten Details verarbeitete Pretterebner literarisch in seinem Buch Der Fall Lucona, das er im Jahr 1987 im Eigenverlag veröffentlichte.
Aufklärung
Zur Klärung der Verwicklung von Politikern in den Fall, insbesondere politischer Verbindungen zur SPÖ („Club 45“), wurde 1988–1989 ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, in dessen Folge der Nationalratspräsident Leopold Gratz (SPÖ) und der Innenminister Karl Blecha (SPÖ) zurücktraten. Die juristische Aufarbeitung des Vorfalls stürzte das Land in einen nie da gewesenen Politskandal: 16 Politiker, Juristen und Spitzenbeamte wurden von ihren Posten entfernt, angeklagt oder verurteilt; der österreichische Verteidigungsminister Karl Lütgendorf beging vermutlich Selbstmord.
Im Auftrag der Wiener Justiz fand die auf Tiefsee-Bildaufnahmen spezialisierte US-Firma Oceaneering am 5. Februar 1991 nach mehrtägiger Suche das Wrack der Lucona am Grund des Indischen Ozeans. Ein ferngesteuerter Tauchroboter erstellte fünfzehn Stunden Videobänder und rund hundert Standbilder vom Wrack. Sie zeigen ein Trümmerfeld auf dem Meeresboden: Der Bug des Schiffs mit Ankerkette und Klüse fand sich in einiger Entfernung vom restlichen Wrack, der vordere Laderaum war glatt durchtrennt, das Hinterschiff wies hingegen nur relativ geringe Schäden auf.[3][4]
Der Gerichtsprozess am Landesgericht für Strafsachen Wien gegen Proksch endete 1992 mit einem Schuldspruch wegen sechsfachen Mordes und der Verurteilung zu lebenslanger Haft. Proksch starb Ende Juni 2001 nach einer Herzoperation während der Haft. Der zweite Drahtzieher im Fall Lucona – Hans Peter Daimler – wurde 1997 vom Landgericht Kiel zu einer 14-jährigen Haftstrafe wegen Beihilfe zum sechsfachen Mord und versuchten Versicherungsbetrug verurteilt. Hinweise auf etwaige Verstrickungen ausländischer Geheimdienste (CIA, KGB, Stasi und BND) in dieser Affäre und damit einhergehende Scheingeschäfte wurden vor dem Gericht in Kiel zwar aufgebracht, jedoch nicht weiter verfolgt. Der Versuch, Daimler als Bauernopfer darzustellen, scheiterte.
Kulturelle Rezeption
Das Buch Der Fall Lucona diente als Vorlage für eine Verfilmung (1993)[5] mit dem britischen Schauspieler David Suchet in der Rolle des dort in Rudi Waltz umbenannten Proksch (Rudolf war der erste Vorname von Udo Proksch).
2004 wurde in Wien das Musical Udo 77 der Künstlergruppe monochrom zur Uraufführung gebracht, das sich mit dem Fall Lucona und Udo Proksch auseinandersetzte.
Filme
- Jack Gold: Der Fall Lucona, 1993.
- Robert Dornhelm: Udo Proksch – Out of Control, 2010.[6]
Literatur
- Stichwort Lucona-Affäre. In: Oswald Panagl/Peter Gerlich (Hrsg.): Wörterbuch der politischen Sprache in Österreich. Wien: Österreichischer Bundesverlag 2007. ISBN 978-3-209-05952-9
- Hans Pretterebner: Der Fall Lucona: Ost-Spionage, Korruption u. Mord im Dunstkreis d. Regierungsspitze 1. Aufl. Dezember (1987). ISBN 3-900710-01-5
- Hans Pretterebner: Das Netzwerk der Macht: Anatomie der Bewältigung eines Skandals. ISBN 3-900710-02-3
- Wolfgang Blum: Wie wurde die Lucona versenkt? In: Die Zeit, Nr. 39/1995
- Andreas Förster: Herr Daimler und die Toten von der Lucona In: Berliner Zeitung, 14. März 1996
- Genealogie des Verbrechens. In: taz, 24. März 2007. Parallelen zum Anschlag auf die Mosel im Jahre 1875
- Resumee in Die Presse, 2007
Siehe auch
- Anschlag auf die Mosel: Sprengstoffanschlag mit Versicherungsbetrugsversuch mit dem Schiff Mosel im Jahre 1875
- Noricum-Skandal
Weblinks
- Der Film Der Fall Lucona in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Der Fall Lucona. In: Österreich-Lexikon, online auf aeiou.
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Panagl/Gerlich 2007.
- ↑ a b D. A. Sattler: Steinberg - Volldecker/Shelterdecker - Bau Nr. 221. 15. Februar 2010, abgerufen am 16. Februar 2010.
- ↑ Bilder von der versenkten Lucona (PDF) Oceaneering En: Lucona1991 Page 27–30
- ↑ Nach mehrtägiger Suche wurde am 5. Februar 1991 im Indischen Ozean in 4.700 m Tiefe das Wrack der im Auftrag von Udo Proksch versenkten Lucona gefunden. akustische-chronik.at (1991)
- ↑ wega-film Der Fall Lucona
- ↑ Udo Proksch – Out of Control Trailer zum Film
Kategorien:- Motorschiff
- Frachtschiff
- Politische Affäre (Österreich)
- Mordfall
- Österreichische Wirtschaftsgeschichte
- Politik (Zweite Republik Österreich)
- Schiffskatastrophe
- Kriminalfall 1977
Wikimedia Foundation.