Marburg-Richtsberg

Marburg-Richtsberg
Der obere Richtsberg von Nordwesten, ganz rechts ein Stück des unteren Richtsbergs, im Vordergrund das „Dichterviertel“
Übersicht zur der Ortslage des Stadtteils
Ortstypisch für die Bebauung: das Hochhaus des Richtsberg-Altenzentrums
Wohnheim für studentische Familien, Juli 2008

Der Richtsberg ist mit etwa 9000 Einwohnern die größte Stadtteilgemeinde der Kernstadt von Marburg und liegt südlich der Altstadt zwischen Zahlbach und Cappel auf den Lahnbergen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Richtsberg ist in die beiden Gebiete Unterer und Oberer Richtsberg unterteilt. Das große Wohngebiet entstand Anfang der 1960er Jahre[1] als Entlastung für die mit hohen Flüchtlingszahlen belastete, da weitgehend bombenkriegsverschonte Universitätsstadt. Die Hochhaussiedlung ist eine klassische Trabantenstadt, die ein entsprechend unbeliebtes Wohngebiet mit geringer Kaufkraft und Infrastruktur und deswegen zu einer Art Getto wurde. Zeitzeugen führen das nicht zuletzt auf Fehlentscheidungen des Bundeslands Hessen zurück, namentlich die Umwidmung der dortigen landeseigenen Wohnungen zu Sozialwohnungen, sowie die Erhebung entsprechender Fehlbelegungsabgaben. Aufgrund der Umwidmung wurden immer mehr Kontigentflüchtlinge und Arme von Amts wegen in die Wohngegend eingewiesen, zugleich verließen zahlreiche wohlhabendere Bewohner den Stadtteil, da die Zusatzkosten drückten. Die ursprüngliche Durchmischung ging verloren, es entstand ein ausgeprägt multiethnisches Armenwohnviertel.[2]

Projekte

Die Stadt Marburg bemüht sich seit Jahrzehnten mehr oder minder erfolgreich, durch Sozialarbeits-Initiativen[3], Projektgeld-Programme und kulturelle Einrichtungen die Tristesse zu mildern. Seit 1986 ist sie aktiv in der Stadtteilerneuerung. Seit 1999 wurde der Richtsberg mit zwei Projektgebieten Teil des Bund-Länder-Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die Soziale Stadt“.[4] [5] In diesem Rahmen wird sogar eine eigene Stadtteil-Zeitschrift namens „Richtsberg aktiv“ herausgegeben. Aufgrund Unterfinanzierung ist sie allerdings nicht mehr online.[2]

Das Gemeinschaftszentrum Richtsberg liegt zentral und bietet viel Platz für allerlei Vereins-Aktivitäten. Diverse Vereine sind im „Netzwerk Richtsberg“ koordiniert, um öffentliche Raumangebote nutzen zu können.[6] Es gibt einen eigenen Verein „Richtsberg-Gemeinde“, der sich als Stadtteil-Aktivposten versteht. Außerdem existieren ein „Teensclub“, ein Boxclub, mehrere Sportvereine und ein islamischer Kulturverein namens „Hadara“.

Wegen der vielen hierher gezogenen Russland-Aussiedler wurde das „Deutsch-Osteuropäische Integrationszentrum“ (DOIZ) eingerichtet. Es bietet „Sprachkurse für Erwachsene und Kinder, Tanzkurse, Musikgruppen, Chor, Kreativkurse, Freizeitgestaltung, Jugendarbeit, ehrenamtliche Hilfe und Beratung bei amtlichen, rechtlichen und sozialen Fragen“.[7]

Die seit Jahrzehnten etablierte „Bürgerinitiative für Soziale Fragen“ (BSF) ist sehr aktiv.[8] Besonders hervorzuheben ist beispielsweise das seit 2006 jährlich im Februar stattfindende Suppenfest.[9] Es hat ein Vorbild im nordfranzösischen Lille. Unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters wird ein interkultureller Wettbewerb um das wohlschmeckendste Suppenrezept ausgetragen. Bei der Verköstigung treffen die Angehörigen der verschiedenen Gruppen der Bewohner (Russlanddeutsche, Kontingentflüchtlinge, Balkan- und andere Südeuropäer sowie andere Zugezogene aus Deutschland) integrativ zusammen. Die Sieger werden durch eine Fach- sowie eine Kinderjury ermittelt. Auch das Publikum bestimmt ein eigenes Favoriten-Rezept.

Entwicklungen

Der Richtsberg gilt nicht als offizieller Stadtteil Marburgs, sondern als Stadtteilgemeinde der Kernstadt, auch wenn im März 2006 erstmals ein eigener Ortsbeirat für den Richtsberg gewählt wurde.[10] [11]

Zwischen 70 und 76 Prozent der Bewohner des Richtsbergs weisen einen Migrationshintergrund auf. Menschen 84 verschiedener Nationalitäten leben dort und rund 44 Prozent der Richtsberger haben nach einer Veröffentlichung des Magistrats der Stadt im März 2004 einen ausländischen Geburtsort.[12] Die Richtsberg-Gesamtschule hat einen relativ guten Ruf, obschon sie wegen der vielen Kinder mit Migrationshintergrund eine schwierige Ausgangslage hat.[13] [14]

Der Stadtteil gilt als sozialer Brennpunkt und hat aufgrund seiner Einwohnerzahl und Problemballung Marburgs relativ höchste Kriminalitätsrate.[15] Einen eigenen Polizeiposten gibt es hier trotz der Drogenproblematik nicht.[16] Rund 57 Prozent der Bewohner beziehen notgedrungen soziale Hilfen vom Staat. Jugendliche von hier haben es schwer, bei Bewerbungen auch nur eine Lehrstelle zu bekommen.[2]

Weitere Ansichten

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.myheimat.de/marburg/beitrag/53677/der-bau-vom-oberen-richtsberg/
  2. a b c Umgangreiche Geschichte und Analyse des Richtsberg-StadtteilsDer Stadtteil verdankt seinen Namen der, noch bis ins 19. Jahrhundert, nahegelegenen Hinrichtungsstelle auf den Lahnbergen.
  3. marburg-mittendrin.de: ein Beispiel für Basisarbeit in bildungsfernen Schichten
  4. http://www.sozialestadt-marburg.de
  5. http://www.los-online.de/content/e132/e134/e142/e660/index_ger.html
  6. Netzwerk Richtsberg (PDF)
  7. http://www.auslaenderbeirat-marburg.de/Linksetc/Adressen_migranten.htm
  8. http://www.bsf-richtsberg.de/links.html
  9. Slow Food Convivium Marburg: Bericht vom Suppenfest 2008
  10. Oberhessische Presse vom 29. November 2007
  11. http://www.stadthalle-marburg.de/detail/57813
  12. Bericht der Lokalzeitung Oberhessische Presse vom 8. November 2007
  13. http://www.richtsbergschule.de
  14. http://schuleundgesundheit.hessen.de/schulen/schule.2007-01-03.6574390440
  15. Krimikarte.de: ein Beispielsfall
  16. Marburg-News vom 24. November 2004: Podium zu Entwicklungskonzepten für den Problembezirk Richtsberg


50.7896597067898.78013610839847Koordinaten: 50° 47′ N, 8° 47′ O


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