- Modifizierte Zinsschranke
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Die Zinsschranke ist ein Element der Unternehmensbesteuerung in Deutschland. Sie regelt die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs von Zinsaufwendungen bei gewerblichen Unternehmen.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund, Sinn und Zweck
Die Zinsschrankenregelung[1] ist Teil der Unternehmenssteuerreform 2008 in Deutschland. Sie ersetzt die Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung. Eine vergleichbare Regelung in den USA wird als earnings stripping rule bezeichnet.
In der Vergangenheit hatten global agierende Unternehmen durch Kapitalzuführung aus dem Ausland erreicht, dass in Deutschland steuerlich abzugsfähiger Zinsaufwand entsteht, die Zinserträge dagegen im Ausland erfasst werden. Die Zinsschranke dient in erster Linie der Vermeidung dieser grenzüberschreitenden Gestaltungen.
Anders als die Vorgängerregelung zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung, § 8a KStG a.F., werden von der Zinsschranke nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch natürliche Personen und Personengesellschaften erfasst.
Funktionsweise und zeitliche Anwendung
Die Zinsaufwendungen [2] sind als Betriebsausgabe abziehbar bis zur Höhe des im Unternehmen angefallenen Zinsertrages[3] desselben Jahres, der darüber hinaus gehende Nettozinsaufwand aber nur bis zur Höhe von 30% des steuerpflichtigen Gewinns vor Zinsertrag, Zinsaufwand und Abschreibungen (EBITDA). Zinsaufwand, der diese Grenze überschreitet, ist nicht im Jahr seiner Entstehung abzugsfähig und wird dem Gewinn außerbilanziell wieder hinzugerechnet. Der nicht abzugsfähige Zinsaufwand wird durch das Betriebsfinanzamt gesondert festgestellt und als sog. Zinsvortrag in folgende Jahre vorgetragen.
Anders als die meisten Regelungen der Unternehmensteuerreform 2008 (Wirkung i.d.R. ab 2008 oder 2009) gilt die Zinsschranke erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 25.Mai 2007 begonnen haben und nicht vor dem 1.Januar 2008 enden (also gilt die Zinsschranke z.B. für Unternehmen, deren Wirtschaftsjahr vom 1. Juli 2007 bis 30. Juni 2008 läuft).
Wann greift die Zinsschranke nicht?
Die Zinsschrankenregelung gilt für Körperschaften wie auch für Personengesellschaften und Einzelunternehmer, und zwar sowohl für bilanzierende als auch für Überschussrechner. Gesellschaften innerhalb eines Organkreises gelten als ein Betrieb.
Die Zinsabzugsbeschränkung soll nicht greifen, wenn
- der Saldo aus Zinsaufwendungen und Zinserträgen (Nettozinsaufwand) 1 Mio. € nicht übersteigt (Freigrenze),
- wenn der Betrieb nicht Teil eines Konzerns ist ("Stand-alone-Klausel")[4], oder
- der Betrieb Teil eines Konzerns ist und seine Eigenkapital/Fremdkapital-Relation nicht schlechter ist als die des Konzerns ("Escape-Klausel")[5]. Der Eigenkapitalvergleich ist grds. nach den internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS zu führen. Bilanziert der Betrieb nach HGB, während der Konzernabschluss nach IFRS aufgestellt wird, ist eine Überleitungsrechnung vorzulegen.
Kritik
Die Möglichkeit zum Zinsvortrag wird häufig ins Leere laufen: Oft wird sich die Situation des betroffenen Unternehmens, insbesondere das steuerliche EBITDA, auch in Folgejahren nicht erheblich verändern, so dass sich Verlustvorträge immer weiter anhäufen und praktisch nie nutzbar werden. Spätestens bei Aufgabe oder Übertragung des Betriebes gehen die Vorträge endgültig verloren.
Der "Fallbeileffekt" der Freigrenze sorgt im Grenzbereich der € 1 Mio. für gravierende Auswirkungen, je nach Unter- oder Überschreitung der Grenze.
Verfassungsrechtlich problematisch ist, dass die Regelung rückwirkend eingeführt wurde (s.o), ohne dass Übergangs- oder Bestandsschutzregelungen bestehen.
Die neue Regelung sorgt für eine weitere erhebliche Verkomplizierung des Steuerrechts. Eine Vielzahl neuer Begriffe sind auszulegen und anzuwenden. Ohne Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung[6] wird die Regelung kaum einheitlich anzuwenden sein. Der administrative Aufwand der betroffenen Unternehmen ist enorm. Andererseits lädt die Regelung zu kreativen (Gegen-)Gestaltungsmaßnahmen ein. Nach Aussage von Michael Meister, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wird die Regelung jedoch „allenfalls 300 Unternehmen“ treffen.[7]
Literatur
- Messerer, Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG, 2007, Unternehmensteuerreform 2008, ISBN 978-3-415-03956-8
Quellen und Anmerkungen
- ↑ § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG
- ↑ Alle Formen der Geldkapitalüberlassungen, auch Damnum, Disagio, Provisionen, Gebühren usw., nicht: Sachkapitalüberlassungen wie Miete, Leihe
- ↑ Erträge aus Kapitalforderungen jeder Art, § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG; auch: Erträge aus der Aufzinsung von Kapitalforderungen
- ↑ diese Ausnahme gilt für Körperschaften allerdings nur dann, wenn die Zinszahlungen o.ä. an einen zu mehr als 25% beteiligten Gesellschafter nicht mehr als 10% des Nettozinsaufwandes der Gesellschaft übersteigen
- ↑ auch diese Ausnahme gilt für Körperschaften nur dann, wenn die Zinszahlungen o.ä. an einen zu mehr als 25% beteiligten Gesellschafter nicht mehr als 10% des Nettozinsaufwandes der Gesellschaft übersteigen (vgl. Staats/Renger, DStR 2007, 1801)
- ↑ BMF v. 04.07.2008 - IV C 7 - S 2742 a/07/10001, vgl. hierzu Schultes-Schnitzlein/Miske, NWB Nr. 34 vom 18.08.2008, F. 4 S. 5354
- ↑ „Wir sind uns zu 95 Prozent über die Unternehmenssteuer einig“, in: faz.net vom 26. Oktober 2006.
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