Mordechai Vanunu

Mordechai Vanunu
Mordechai Vanunu (2009)

Mordechai Vanunu (hebräisch ‏מרדכי ואנונו‎‎, * 13. Oktober 1954 in Marrakesch) ist ein israelischer Nukleartechniker, der 1985 die Existenz des bis dahin geheimgehaltenen Nuklearforschungsprogrammes Israels und damit die faktische atomare Bewaffnung des Landes aufdeckte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Vanunu ist Sohn jüdisch-marokkanischer Einwanderer. Sein Vater war Rabbiner in Beerscheba. Nach dem Militärdienst studierte Vanunu zunächst ein Jahr lang Physik, bevor er das Studium aus finanziellen Gründen abbrechen musste. Vanunu arbeitete von 1976 an als Techniker im von der israelischen Regierung lange geheim gehaltenen Dimona Nuclear Research Center im Negev, 90 km südlich von Jerusalem, bis er 1985 entlassen wurde.

Vanunu besuchte mehrere asiatische Länder. Während einer Australienreise 1986 trat er zum Christentum über.[1] Bald darauf ging er mit der Behauptung, dass Israel Atommacht geworden war, an die Öffentlichkeit. Er kontaktierte zunächst den Daily Mirror, dessen Verleger Robert Maxwell die Fotografien an Israel weiterleitete.

Noch bevor die Londoner Sunday Times Vanunus Hinweise nach gründlicher Prüfung durch den britischen Atomexperten Frank Barnaby in einem Artikel am 5. Oktober 1986 veröffentlichte, wurde Vanunu am 30. September 1986 unter Zuhilfenahme eines weiblichen Lockvogels des israelischen Geheimdienstes Mossad nach Rom gelockt, entführt und von dort per Schiff nach Ashdod in Israel gebracht. Die Agentin ist eine Amerikanerin namens "Cindy Hanin Bentov" (siehe Cheryl Ben Tov). Sie lebt heute in Orlando. Die Entführung erfolgte ohne Einverständnis des Gastlandes Italien.

Sechs Wochen lang leugnete die Regierung, etwas über Vanunus Verbleib zu wissen, bis es ihm gelang, aus einem Polizeibus heraus Journalisten eine Nachricht zukommen zu lassen, indem er eine heimlich auf seine Handinnenfläche geschriebene Nachricht „Vanunu M - was hijacked - in Rome ITL - 30.9.86 - came to Rome - by BA Fly 504” an die Fensterscheibe hielt. Wegen Landesverrats und Spionage wurde er zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er etwa 11 Jahre in Isolationshaft verbrachte, in Aschkelon, heute „Gefängnis von Schikma”.

Am 21. April 2004 wurde Vanunu unter strengen Auflagen freigelassen. Unter anderem darf er Israel nicht verlassen, darf sich keiner ausländischen Botschaft nähern und muss über geplante Ortswechsel Rechenschaft ablegen. Außerdem darf er weder das Internet noch Handys benutzen, und jeder Kontakt mit ausländischen Journalisten ist ihm verboten. Er befindet sich gewissermaßen immer noch in einer abgeschwächten „Incommunicado-Haft”. Trotz der Auflagen hat er bereits über 100 Interviews gegeben, weswegen er mehrmals inhaftiert wurde. Zurzeit lebt er im Gästehaus der St. Georgs-Basilika in Jerusalem.

Am 11. November 2004 meldete Ha'aretz die Festnahme von Vanunu. Er habe geheime Informationen weitergegeben. Er wurde jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt, die strengen Auflagen wurden allerdings für ein weiteres Jahr verlängert. Zusätzlich wurde gegen ihn im Zusammenhang mit der erneuten Festnahme Anklage in 21 Punkten erhoben.

Am 2. Juli 2007 entschied ein israelisches Gericht, dass Vanunu wieder für sechs Monate ins Gefängnis muss. Es hatte ihn schon im April schuldig befunden, Kontakt zu Ausländern gehabt und damit gegen Auflagen der Justiz verstoßen zu haben. Er legte Berufung ein, seine Strafe wurde auf drei Monate gesenkt.

Am 28. Dezember 2009 wurde Mordechai Vanunu erneut in Haft genommen[2][3] und am nächsten Tag in einen Hausarrest entlassen.[4]

Wegen der Verurteilung aus dem Jahre 2007 musste er am 23. Mai 2010 eine dreimonatige Haftstrafe antreten. Er hatte die Wahl, drei Monate ins Gefängnis zu gehen oder gemeinnützige Arbeit zu verrichten. Vanunu wollte die gemeinnützige Arbeit im arabischen Ostteil von Jerusalem verrichten, da er sich im jüdisch-bevölkerten Westteil Jerusalems durch Attacken von wütenden Israelis bedroht fühlte. Dies wurde ihm untersagt, sodass er am 23. Mai 2010 eine dreimonatige Haftstrafe antreten musste.[5][6][7]

Auszeichnungen

1987 wurde er mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet, 2001 verlieh ihm die Universität Tromsø in Norwegen einen Ehrendoktortitel und im Jahr 2002 erhielt er den Nuclear-Free-Future-Award in der Kategorie „Widerstand“. Im Dezember 2004 wurde er als Rektor der Universität Glasgow (Schottland) gewählt, und wurde mehrfach für den Friedenspreis des norwegischen Volkes nominiert.

Im Dezember 2010 sollte Vanunu die Carl-von-Ossietzky-Medaille von der Internationalen Liga für Menschenrechte verliehen werden. Da er aber nicht aus Israel ausreisen durfte, gab es statt des Festaktes in Berlin eine Protestveranstaltung, die gleichzeitig Auftakt der Kampagne für atomare Abrüstung (atomwaffenfreie Zonen) war.[8] Hierfür komponierte Joachim Johow ein Musikstück,[9] welches am 12. Dezember 2010 Uraufführung[10] hatte. Zuvor hatten sich mehrere Nobelpreisträger (u.a. Mairead Corrigan-Maguire, Günter Grass) und Nina Hagen mit der dringenden Bitte, Vanunu ausreisen zu lassen, an die israelische Regierung gewandt.[11]

Vanunu-Gesetz

1998 wurde in Israel das „Vanunu-Gesetz” verabschiedet, welches den Strafvollzugsbehörden erlaubt, auch Briefe zu öffnen, die an Parlaments-Abgeordnete gerichtet sind. Dies war zuvor wegen deren Immunität verboten.

Literatur

  • Cohen, Yoel: Die Vanunu-Affäre: Israels geheimes Atompotential. Palmyra, Heidelberg 1995, ISBN 3-930378-03-5
  • Cohen, Yoel: The Whistleblower of Dimona: Israel, Dimona & the Bomb. Holmes & Meier, New York 2003, ISBN 0-8419-1432-X
  • Hounam, Peter: The Woman from Mossad: The Torment of Mordechai Vanunu. Frog, 2000, ISBN 1-58394-005-7

Weblinks

 Commons: Mordechai Vanunu – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Annabel Wahba: Stolzer Staatsfeind, Der Tagesspiegel, 24. April 2004
  2. Atomexperte Vanunu erneut festgenommen, Der Standard, 29. Dezember 2009
  3. Israeli Police Arrest Nuclear Whistleblower Vanunu, The New York Times, 29. Dezember 2009
  4. Vanunu arrested for meeting-foreigner
  5. SonntagsZeitung: Israelischer Atom-Forscher Vanunu tritt dreimonatige Haftstrafe an Artikel vom 24. Mai 2010
  6. Haaretz: 'Shame on you, democracy,' Vanunu yells as he returns to prison (englisch) Artikel vom 24. Mai 2010
  7. Amnesty International: Israeli government urged not to jail nuclear whistleblower again Presseerklärung vom 12. Mai 2010
  8. Seit 49 Jahren erstmalige NICHT-Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille. Mordechai Vanunu darf nicht nach Berlin reisen, Internationale Liga für Menschenrechte, Presseerklärung vom 8. Dezember 2010
  9. online verfügbar: http://www.ilmr.de/wp-content/uploads/2010/12/The_Dove.pdf
  10. "The Dove for Mordechai Vanunu" (Wolfram Beyer & I felici). Abgerufen am 19. Dezember 2010
  11. Nobel laureates urge Israel to let Vanunu receive int'l rights award, Haaretz, 20. November 2010

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