- Museum der anatolischen Zivilisationen
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Das Museum für anatolische Zivilisationen (türkisch Anadolu Medeniyetleri Müzesi) in Ankara, auch bekannt als Hethitermuseum, ist neben dem Museum in Istanbul das bedeutendste archäologische Museum der Türkei. Es liegt im Stadtteil Atpazarı in der Altstadt von Ankara unterhalb der Zitadelle. Es wurde vom Europäischen Museumsforum mit dem Titel Europäisches Museum des Jahres 1997 ausgezeichnet. Die hier ausgestellten hethitischen Keilschrifttexte aus Boğazkale gehören zum Weltdokumentenerbe der UNESCO.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Ein erstes archäologisches Museum bestand in Ankara bereits seit 1921 in einem Wehrturm der Festung unter der Leitung von Kulturdirektor Mübarek Galip Bey. Auch im Augustustempel und im Römischen Bad wurden Fundstücke ausgestellt.
Das heutige Museum ist in zwei Gebäuden aus osmanischer Zeit untergebracht, dem ehemaligen bedeckten Basar Mahmut Paşa Bedesteni und der Karawanserei Kurşunlu Han. Die Gebäude wurden von Mahmut Paşa, einem Großwesir Mehmet des Eroberers in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erbaut. Nachdem auf Anregung von Mustafa Kemal Atatürk in den Dreißigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts der Plan gefasst wurde, ein zentrales Hethitermuseum zu schaffen, begannen 1938 unter Kulturdirektor Hamit Zübeyr Kosay und Unterrichtsminister Saffet Arikan die Restaurierungsarbeiten an den beiden Gebäuden. Sie dauerten bis 1968 an. 1940 waren jedoch Teile der Umbauarbeiten im Bedesten soweit fortgeschritten, dass unter Leitung des deutschen Archäologen Hans Gustav Güterbock mit dem Aufstellen der Ausstellungsstücke begonnen werden konnte. 1943 schließlich wurde der erste Teil, der jetzige Mittelsaal mit den hethitischen Monumentalwerken, für Besucher freigegeben. Seit der endgültigen Fertigstellung 1968 sind im ehemaligen Kurşunlu Han Verwaltungsräume sowie Bibliothek, Laboratorien, Werkstätten und weitere Forschungsräume untergebracht, während der frühere Basar als Ausstellungsraum genutzt wird.
Ausstellung
Die Ausstellungsobjekte in den äußeren Sälen sind vom Haupteingang im Norden ausgehend entgegen dem Uhrzeigersinn chronologisch angeordnet, beginnend beim Paläolithikum bis zur klassischen Antike. Im zentralen Saal finden sich Orthostatenreliefs und Großskulpturen aus hethitischer und phrygischer Zeit.
Paläolithikum
In der Eingangshalle befinden sich altsteinzeitliche Funde aus der Karain-Höhle bei Antalya, darunter Skelette, Schädel und Zähne des Neandertalers, Steinwerkzeuge und -beile sowie aus Knochen angefertigte Nadeln und Schmuckstücke. Es sind die ältesten Funde der Türkei, eine genaue Altersbestimmung konnte noch nicht durchgeführt werden.
Neolithikum
Im ersten Teil der Westhalle sind Werke der Neusteinzeit aus Çatalhöyük und Hacılar zu sehen, aus der Zeit zwischen 6500 und 5600 v. Chr.. Aus Çatalhöyük sind die Wandmalereien sowie das Modell eines Raumes mit Stierköpfen erwähnenswert, außerdem Statuetten von Göttinnen, darunter die so genannte Venus von Çatalhöyük. Bei den Fundgegenständen aus Hacılar handelt es sich hauptsächlich um gebrannte und polierte Tongefäße.
Chalkolithikum
Im anschließenden Bereich finden sich Gegenstände der Kupferzeit (5000 bis 3000 v. Chr.). Sie stammen ebenfalls aus Hacılar, weiterhin aus Canhasan, Alışar Höyük, Alacahöyük und Tiliktepe bei Van. Darunter sind Kupfergeräte, Töpferware mit geometrischen Mustern, weibliche Statuetten und Tierfiguren.
Frühe und mittlere Bronzezeit
Der zweite Teil der Westhalle beinhaltet Funde aus den so genannten Fürstengräbern von Alacahöyük. Sie stammen aus der Zeit der Hattier und werden ins späte dritte Jahrtausend v. Chr. datiert. Die bekanntesten werden als Standarten bezeichnet, es sind durchbrochene Bronzescheiben mit geometrischen Mustern, Sonnen- und Tierdarstellungen, teilweise mit Einlegearbeiten aus Gold und Silber und mit einer Aufsteckvorrichtung. Sie werden als Aufsätze für den Totenwagen interpretiert, mit dem die Fürsten ins Grab bebracht wurden.[1] Eine der Standarten mit drei Hirschfiguren und Stierhörnern wurde in vielfacher Vergrößerung am zentralen Sıhhiye Platz in Ankara aufgestellt.[2] Daneben findet man hier weibliche Statuetten und Goldschmuck.
In der Südhalle sind weitere Funde der frühen Bronzezeit ausgestellt. Hier finden sich Relikte aus Alışar Höyük, Kültepe und Beycesultan, größtenteils Gefäße und Idole aus Ton aus der Zeit von 3000 bis 1950 v. Chr.. Dazu gehören ebenfalls zahlreiche Gegenstände aus der Zeit der assyrischen Handelskolonien (1950 bis 1750 v. Chr.), die Fundorte sind ebenfalls Alışar Höyük und Kültepe (Kanesch) sowie Acemhöyük und Boğazkale. Zu sehen sind Keilschrifttafeln, Siegelzylinder, Tonfiguren und Goldschmuck.
Hethitische Großreichszeit
Die Fundstücke aus der späten Bronzezeit, mit Ausnahme der großen Orthostatenreliefs, schließen sich im östlichen Teil der Südhalle an. Sie wurden zum größten Teil im Gebiet des heutigen Çorum, also im Kernland des hethitischen Großreichs um die Hauptstadt Hattuša ausgegraben. Hierunter sind Tongefäße in Tierform (Stiere, Enten), Bronzestatuetten, aber auch Siegel und Keilschriftzeugnisse. Diese Tontafeln mit Schriftstücken in hethitischer Sprache wurden 2001 ins Archiv des Weltdokumentenerbes aufgenommen. Die Entstehungszeit der Objekte ist 1750 bis 1200 v. Chr.
Phryger
Das Prunkstück aus der Zeit des Phrygerreichs (1200–700 v. Chr.) ist die Nachbildung der vermeintlichen Grabkammer des Königs Midas aus dem großen Tumulus von Gordion. Aber auch Bronzeplastiken und -gefäße sowie Tongefäße, hauptsächlich ebenfalls aus Gordion und Umgebung, sind in Süd- und Osthalle zu sehen. Sehenswert sind einige Holzmöbel, die in relativ gutem Erhaltungszustand aus dem Tumulus von Gordion gefördert wurden.
Lyderreich
Lydische Überreste werden von dem in den 1960er-Jahren nahe Uşak gefundenen Lyderschatz repräsentiert, der vor allem aus Schalen und Schmuckstücken besteht, die aus Edelmetall gefertigt sind. Insgesamt sind lydische Stücke in der hauptsächlich auf Zentralanatolien fokussierten Sammlung aber relativ wenig repräsentiert
Urartäer
Aus dem Reich von Urartu in der Gegend um den Vansee, das seine Blütezeit im neunten und achten Jahrhundert v. Chr. hatte, sind Funde aus unter anderem Toprakkale, Altıntepe, Anzavurtepe und Van ausgestellt. Hierbei sind vor allem die kunstvollen Elfenbeinschnitzereien hervorzuheben.
Klassische Antike
Im letzten Raum des Ostteils sind Statuen, Statuetten, Vasen, sonstige Tonwaren, Schmuckgegenstände und Münzen aus griechischer, römischer, seldschukischer, osmanischer und endlich türkischer Zeit zu sehen.
Hethitische und phrygische Orthostatenreliefs und Skulpturen
Im Mittelsaal schließlich sind Großplastiken aus der Zeit des hethitischen Großreichs (1450–1200 v. Chr.) und der Epoche der späthethitischen Kleinkönigreiche (1200–700 v. Chr.) zu sehen sowie einige phrygische Großskulpturen. Bemerkenswert sind die beiden monumentalen Sphingen und die Reliefreihe vom Stadttor in Alacahöyük. Sie zeigen Götter und Prozessionen, aber auch Tiere, Jagdszenen und eine so genannte Gauklerszene mit Musikanten und Akrobaten(?). Im Durchgang zum Westteil steht das bekannte Halbrelief eines kriegerischen Gottes vom Königstor in Hattuša. Aus späthethitischer Zeit sind die Reliefs aus Karkemiš zu erwähnen mit den spielenden Königskindern, einem Trauerzug, Wagenkämpfern und einem Profilrelief der Stadtgöttin Kubaba. Außerdem sind noch hervorzuheben ein Sphingenpaar und ein Portallöwe aus Sakçagözü und die Pferd-, Stier- und Löwenreliefs aus phrygischer Zeit, gefunden bei Ankara.
Untergeschoss
Im Untergeschoss sind ausgewählte Stücke aus der archäologischen Geschichte Ankaras ausgestellt, die nochmals einen kleinen, regional fokussierten Ausschnitt aus der Sammlung des Museums bilden. Da Ankara als städtische Siedlung erst seit phrygischer Zeit existiert, sind relativ viele Stücke aus klassischer Zeit zu sehen.
Außenbereich
Im Gartenbereich vor dem Haupteingang sind einzelne Funde aus verschiedenen Epochen aufgestellt, bemerkenswert ist hier die Replik der hethitischen Großplastik aus Fasillar.
Einzelnachweise
- ↑ Marianne Mehling (Hrsg.): Knaurs Kulturführer in Farbe Türkei. Droemer-Knaur 1987, S. 49
- ↑ http://www.ankara.bel.tr/AbbSayfalariEn/Kent_Rehberi/Onemli_Yer_ve_Merkezler/Sihhiye.aspx
Literatur
- Marianne Mehling (Hrsg.): Knaurs Kulturführer in Farbe Türkei. Droemer-Knaur 1987, ISBN 3-426-26293-2.
- İlhan Temizsoy u. a.: Museum für anatolische Zivilisationen. Ankara, ISBN 975-7523-03-8.
Weblinks
39.93833333333332.861944444444Koordinaten: 39° 56′ 18″ N, 32° 51′ 43″ O
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