- Müren
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Zeki Müren (* 6. Dezember 1931 in Bursa,Türkei; † 24. September 1996 in Izmir) war ein türkischer Dichter, Komponist und Sänger der türkischen klassischen und zeitgenössischen Musik. Er wurde Sanat Güneşi („Sonne der Kunst“) und liebevoll Pascha („General“) genannt.
Inhaltsverzeichnis
Jugend und Ausbildung
Müren war der einzige Sohn eines gut situierten Tabak- und Holzhändlers.[1] Seine sekundäre Schulbildung begann Müren in Bursa und schloss sie in Istanbul am Boğaziçi Lisesi („Bosporus Lyceum“) ab.[2][1] Von 1950 bis 1953 studierte er im Fachbereich Dekorative Kunst an der Güzel Sanatlar Akademisi („Akademie der schönen Künste“) in Istanbul.[3] Schon während der Sekundarschulzeit in Busa begann er zu musizieren, zusammen mit İzzet Cerçeker, welcher Tanbur spielte. In Istanbul setzte er seine Übungen mit Agopos Efendi fort, einem Armenischen Musiker, welcher die Hampartsoum-Notenschrift beherrschte. Kirkor Efendi spielte dabei Oud. Später lernte Müren zahlreiche Kompositionen von Şerif İçli, einem Oud-Spieler welcher das Fasil-Repertoire gut kannte.[2] Şerif İçli und ein weiterer Lehrer names Cadri Sençalar waren auch Mitglieder des türkischen Radioorchesters.[1]
Musikkarriere
Eine frühe Komposition von Müren wurde 1949 oder 1950 von Suzan Güven im Radio gesungen. Seinen ersten eigenen Medienuftritt hatte Müren mit 19 Jahren am 8. April 1951 im Istanbuler Radio[1] und er sang noch fünfzehn Jahre im türkischen Radio.[2] Mit Bir Muhabbet Kusu („Wellensittich“) veröffentlichte er bald darauf seine erste Schallplatte.[1] Im Jahre 1955 war er der erste türkische Sänger, der eine Goldene Schallplatte überreicht bekam.[3] In vielen Jahren wurde er zum „Künstler des Jahres“ gewählt.[3] Insgesamt komponierte er im Laufe seiner Karriere über 100 Lieder und nahm über 200 Lieder auf,[3] die auf über 50 Langspielplatten veröffentlicht wurden. Bei der Interpretation der Lieder sind seine fesselnde Stimme hervorzuheben und ebenso seine präzise Artikulation des Türkischen, die für türkische klassische Musik wichtig ist. Wie es für die Musikrichtung üblich ist, handeln die meisten seiner Lieder von der Liebe. In den späten 1970er Jahren näherte er sich auch der Musikrichtung Arabeske an.
Ab 1955 trat Müren für einige Zeit im Küçük Çiftlik Gazinosu auf, einem der drei bekanntesten Istanbuler Nachtclubs der damaligen Zeit. Dort wurde er von Instrumentalisten wie Selahattin Pınar, Yorgo Bacanos, Sadi Işılay, Hakkı Derman, Şükrü Tunar, Feyzi Aslangil, Kadri Şençalar, İsmail Şençalar und Necdet Gezen begleitet. In manchen Zeiten hatte er hundert Bühnenauftritte im Jahr.[2] Er trat auch bei türkeispezifischen, günstigen Matinees auf, die weiblichem Publikum vorbehalten waren, bei denen sie wie bei einem Picknick Essen und Trinken mitbringen und wo teilweise ein spezielles Repertoire gesungen wird.[4]
Bemerkenswert waren auch sein exzentrisches Auftreten als Paradiesvogel und seine Bühnenkostüme, die er selbst entwarf.[5] Neben den von Anfang an getragenen Anzügen, Smokings und legererem kommt nach einer Begegnung mit Liberace auf einer Amerikareise in den 1960er Jahren Extraordinäres hinzu.[1] Eine Zeit lang trat er öfters in einer Art Minikleid auf, manchmal auch mit Netzstrümpfen und Plateaustiefeln dazu.[6] Müren verglich es einmal mit römischen Tunikas, die im Original aber länger waren. Müren war auch der erste, der glitzernde Kostüme trug.[4] Auch in späteren Jahren trug er öfters Umhänge, war generell eher feminin gekleidet, stets geschminkt und trug prunkvolle Ringe.[7][8] Er wirkte androgyn, aber nie als Drag-Queen, sondern blieb trotz aller Effemination immer als Mann erkennbar. Seine Kleidung ist heute im Zeki Müren Museum zu besichtigen.[9]
Seine Selbstinszenierung und sein Autreten werden öfters mit Liberace verglichen,[10][11], wegen seiner damaligen Popularität, seinen Glitzer-Kostümen und seinen Gewichtsproblemen im Alter wird er manchmal mit Elvis Presley verglichen.[4]
Film, Gedichte und Malerei
1953 drehte er seinen ersten Spielfilm Beklenen Şarkı („Das erwartete Lied“), zusammen mit der berühmten Schauspielerin Cahide Sonku. Sie war auch die Ehefrau des väterlichen Geschäftspartners Ihsan Doruk.[1] Bis zu seinem letzten Film Rüya Gibi („Wie ein Traum“) im Jahre 1971 folgten siebzehn weitere Filme mit ihm in der Hauptrolle, in denen er im Gegensatz zur Showbühne reguläre Männer spielte und bisweilen den eifersüchtigen Liebhaber darstellte, der seine Konkurrenten auch handgreiflich ausschaltete.[12] Für einige Filme schrieb er auch die Musik.
Müren war auch als Dichter aktiv und verfasste mehr als 300 Gedichte. 1951 brachte er das Buch Bildircin Yagmuru („Der verzagte Regen“) heraus.[4] Nur als Hobby malte er auch.
Späte Jahre, Tod und Nachruhm
Im Zuge der gesellschaftlichen Neuordnung nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 erhielt Müren Auftrittsverbot, ebenso wie die Transsexuelle Bülent Ersoy. Nach ein paar Jahren durfte er wieder auftreten.[13][2][12] In seinen letzten Lebensjahren litt Müren an starkem Übergewicht und lebte seit 1992 zurückgezogen in seiner Villa in Bodrum. Bei seltenen Fernsehaufnahmen beschränkte man sich darauf Gesicht und Hände zu zeigen.[4]
Müren starb während der Aufnahmen zu einer Sendung in den Izmir-Studios von TRT. In dieser Sendung sollte ihm zum Abschluss eines Dokumentarfilms über sein Leben Batmayan Güneş (Die nicht untergehende Sonne) ein Preis verliehen werden. Besonders erregt hatte Müren die Ankündigung, dass ihm das Mikrofon geschenkt werden würde, mit dem er 1951 im Ankara-Radio sein erstes Lied gesungen hatte. In dieser Sendung war auch Ajda Pekkan zu Gast. Nachdem er gestorben war, blendete TRT den Schriftzug „Die Sonne ist untergegangen“ ein. Das Begräbnis glich einem Staatsbegräbnis mit zehntausenden Männern und Frauen aller politischer Richtungen und der türkischen Flagge auf seinem Sarg. Der damalige Staatspräsident Süleyman Demirel verkündete „Er war mein Freund“[14] und Generalstabschef Hakki Karadayi ließ ausrichten „Zeki Müren hat sein Vaterland geliebt.“[15][16]
Einen großen Teil seines Erbes vermachte Müren der Stiftung der türkischen Armee und der staatlichen Bildungsstiftung.[17] In seiner Geburtsstadt Bursa gibt es das Musik- und Kulturgymnasium Zeki Müren Anadolu Güzel Sanatlar Lisesi, mit dem die Musikschule der Stadt Rathenow partnerschaftliche Beziehungen unterhält.[18] Sein Sommerhaus im Ferienort Bodrum an der Zeki Müren Caddesi („Zeki Müren Strasse“), wurde vom Kulturministerium renoviert und am 8. Juni 2000 als Zeki Müren Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.[12][19] Die Bardakçı Bucht in Bodrum wird auch Zeki Müren koyu („Zeki Müren Bucht“) genannt.
Umgang mit der „extraordinären Art“
Im Laufe seiner Karriere wurden ihm Romanzen mit vielen berühmten Frauen und Starlets, insbesondere auch mit Ajda Pekkan, nachgesagt. Er selbst sprach lediglich darüber, zwischen 1962 und 1970 eine große Liebe gelebt zu haben. Das Geschlecht dieser Person hat er nie verraten. Zumindest Anfang der 1980er Jahre lebte er offen mit Fahrettin Arslan in seinem Haus in Bodrum. In einem langen Interview, das kurz nach Arslans Tod veröffentlicht wurde, glich er ihre Partnerschaft explizit mit mann-männlichen Partnerschaften des klassischen Sufismus. Müren selbst verglich sich mit dem mittelalterlichen Mystiker Mevalana Celaleddin Rumi und Arslan mit dessen Lebensgefährten und Inspiration Schams-e Tabrizi.[1]
In der Pseudo-Autobiographie Şimdi uzaklardaysin von Ceyhan Güç (1996) wird eine überintensive Beziehung zur Mutter und eine kindliche, aber nie erfüllte Liebesaffäre in Bursa herangezogen, um seinen künstlerischen Geist (ince ruhlu) und seine Unfähigkeit zu Langzeitbeziehungen mit anderen Frauen zu erklären. Im Buch Dargınım Sana Hayat: Zeki Müren İçin Bir Demet Yasemen von Ergun Hiçyılmaz (1997) wird die Mutter nicht erwähnt und der Autor berichtet in langen Szenen über Mürens jugendliche Besuche in Bordellen im Istanbuler Stadtteil Galata, wo er angeblich mit 104 Frauen geschlafen haben soll. Die Beziehung zu Arslan interpretiert Hiçyılmaz als eine von mehren platonischen Beziehungen zu Frauen und Männern. Die Presse veröffentlichte auch zahlreiche Bilder, die ihn tanzend oder engumschlungen mit weiblichen Stars zeigen.[1]
Müren war für seine ausgewählte, ja schon aristokratische Ausdrucksweise bekannt, er war immer extrem zuvorkommend, zeigte beste Manieren und machte öffentlich immer höfliche Aussagen. Wenn man ihn auf seine Bühnengarderobe ansprach, antwortete er, dass Küstler oft viele Farben zu tragen pflegen.[17] Ein anderes mal kommentierte er die Annahme, dass jemand wegen seiner androgynen Kleidung denken könnte, er habe eine Geschlechtsumwandlung vollzogen, bei Frauen in Hosen werde dies ja auch nicht in den Raum gestellt. Auf die Frage, ob ein Mann in Frauenkleidern nicht etwas von seiner Männlichkeit verloren hätte, antwortete er, dass dies keine Frauenkleider seien, sondern die Art von Kleidern, wie sie Caesar, Baytekin oder Brutus getragen haben. Und auf die Nachfolgefrage wie er sich in seiner Nacktheit (çiplakliğiniz) auf der Bühne fühlen würde, sagte er „wie ein Wrestler, der im Schwimmkostüm hinausgeht.“[1]
Viele Türken, die beim Coming-out gegenüber ihren Eltern schwer die richtigen Worte finden, sagen: „Ich bin wie Zeki Müren …“[20]
Wenn es um LGBTT in der Türkei geht, werden oft Zeki Müren und Bülent Ersoy nebeneinander genannt, manchmal sogar als Freunde bezeichnet. Journalisten haben auch schon zu Lebzeiten Mürens immer wieder „Vergleiche“ angestellt.[1] Die beiden trafen sich jedoch nie. „Müren war verletzlich, zurückhaltend, der 21 Jahre jüngere Ersoy das Gegenteil. Müren fand Ersoy abstoßend, Ersoy Müren zu ängstlich.“[12] So nahm Ersoy auch nicht 2006 an den Tribute-Auftritten zum 13. Preis der Goldenen Linse und dem daraus entstandenen Album „Eine Stimme - dreizehn Atem“ teil.[21]
Im April 2002 griff der bekannte Musiker und Komponist Özdemir Erdoğan in einer Fernsehshow Müren, Tarkan und Ersoy an: „Zeki Müren hat die türkische Jugend zur Homosexualität inspiriert. Seit seinen Röckchenauftritten in den 60er Jahren habe ich vermehrt in den Istanbuler Gossen kuriose Gestalten gesehen.“ Zeki Müren und Tarkan seien Rattenfänger und „Bülent Ersoy hat sich von Zeki Müren zur Geschlechtsumwandlung inspirieren lassen.“ Darauf hin warfen Medien und Künstler Erdoğan Blasphemie vor.[11]
Filme
(Mit internationalem englischen Verleihtitel soferne vorhanden, übersetzten deutschen Titel und weiteren Hauptdarstellern)
- 1953 - Beklenen Şarkı - („Das erwartete Lied“; Cahide Sonku)
- 1955 - Son Beste – (The Last Musical Composition; Belgin Doruk)
- 1957 - Berduş – (The Vagabond; Deniz Tanyerli; auch Filmmusik)
- 1958 - Altın Kafes – (The Golden Cage; Nilüfer Aydan; auch Filmmusik)
- 1959 - Gurbet – (Mualla Kaynak; auch Filmmusik)
- 1959 - Kırık Plak – (The Broken Disk; Belgin Doruk; auch Filmmusik)
- 1961 - Aşk Hırsızı – (The Love Thief; Leyla Sayar; auch Filmmusik)
- 1962 - Hayat Bazen Tatlıdır – (Sometimes Life Is Enjoyable; Belgin Doruk)
- 1963 - Bahçevan – (The Gardener; Belgin Doruk)
- 1964 - İstanbul Kaldırımları – (Pavements of Istanbul; Belgin Doruk; auch Filmmusik)
- 1965 - Hep O Şarkı („Immer dieses Lied“; Belgin Doruk; auch Filmmusik)
- 1966 - Düğün Gecesi - (The Wedding Night)
- 1967 - Hindistan Cevizi – (The Coconut; Filiz Akın)
- 1968 - Katibim – (?Katip?; Sezer Güvenirgil)
- 1969 - Kalbimin Sahibi – (Sema Özcan)
- 1969 - İnleyen Nağmeler – (Mine Mutlu)
- 1970 - Aşktan da Üstün – (Filiz Akın; auch Filmmusik)
- 1971 - Rüya Gibi - („Wie ein Traum“, Esen Püsküllü)
Weblinks
- Zeki Müren in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Auftritte von Zeki Müren
- Bericht in der Milliyet (türk.)
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h i j k Martin Stokes: The Tearful Public Sphere: Turkey's „Sun of Art“, Zeki Müren in: Tullia Magrini (Hrsg.): Music and Gender: Perspectives from the Mediterranean, University of Chicago Press, 2003, ISBN 0-226-50166-3, S. 307 ff.
- ↑ a b c d e postaci: Zeki Muren 1955 - 1963 Kayitlari (Recordings), avaxhome.ws, 4. Oktober 2006
- ↑ a b c d Summary of the political and economic news in the Turkish press this morning - TURKEY MOURNS DEATH OF MUSIC IDOL ZEKI MUREN, byegm.gov.tr, 26. September 1996
- ↑ a b c d e Sean Killeen: The Late, The Great Zeki Muren - Im Gespräch mit Terken Hacaloglu und Aykut Kansu, Studies in Popular Culture 22.3, 1999
- ↑ Hakan Saygun'un haberi: Sanat Güneşi Zeki Müren anılıyor, WDR, Funkhaus Europa, 24. September 2007
- ↑ Beispielsweise Fotos der Bildergalerie bei Hürriyet: Nr. 1, Nr. 3, Nr. 10, Nr. 12
- ↑ Zeki Müren -Biography, turkishmusicclub.com, Abruf: 7. Januar 2009
- ↑ Jürgen Gottschlich: „Der lange Weg zur Toleranz“, taz, 29. Mai 2008
- ↑ Bilder vom Zeki-Müren-Museum in Bodrum
- ↑ Susan Taylor Martin: A city comes out, St. Petersburg Times, 17. Januar 2003
- ↑ a b Homosexualität in der Türkei - 'An allem ist Zeki Müren schuld', vaybee.de, 2002, Abruf: 7. Januar 2009
- ↑ a b c d Peter Lachnit: Türkische Diven - Grenzgänger und -innen, Ö1, Spielräume Spezial, 25. September 2005
- ↑ Kerem Öktem: Another Struggle: Sexual Identity Politics in Unsettled Turkey, merip.org, September 2008
- ↑ Carsten Weidemann: Türkische TV-Travestie abgesagt, queer.de, 9. Mai 2006
- ↑ Zand: TÜRKEI - Liebe im Herzen, DER SPIEGEL 50/1997, 8. Dezember 1997, S. 180
- ↑ Dirk Ludigs: Migranten - Eine Frage der Ehre - Interview mit Psychotherapeut Halis ÇiÇek, Lifestylemagazin FRONT, Ausgabe 03/08; fokus.de, 5. März 2008
- ↑ a b Joachim Schönert: Der General ist tot - oder - Ein Lebenskonzept, LUST Nr. 39, Dezember 1996/Januar 1997
- ↑ Vereine und Institutionen mit partnerschaftlichen Beziehungen, havelland.de, Aufruf: 5. Januar 2009
- ↑ 16 Turkish Press Review - ZEKI MUREN ART MUSEUM, byegm.gov.tr, 10. Juli 2000
- ↑ Koray Ali Günay, GLADT e.V.: Minderheit in der Minderheit - Erfahrungen von nicht-heterosexuellen Menschen aus der Türkei in Berlin und Deutschland, in: Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Visionen für ein diskriminierungsfreies Berlin, 16. Juli 2003, bei gladt.de
- ↑ Jim & Perihan Masters: Modern Turkish Music Stars Salute the 'Past Master' Zeki Muren, practicalturkish.com, 31. Mai 2006
Personendaten NAME Müren, Zeki KURZBESCHREIBUNG türkischer Sänger und Komponist GEBURTSDATUM 6. Dezember 1931 GEBURTSORT Bursa, Provinz Kırşehir, Türkei STERBEDATUM 24. September 1996 STERBEORT İzmir, İzmir (Provinz), Türkei
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