Marcus Iunius Brutus

Marcus Iunius Brutus
Denar des Brutus

Marcus Iunius Brutus Caepio (* 85 v. Chr.; † 23. Oktober 42 v. Chr.), oft kurz Brutus genannt (eigentlich Lateinisch für „Stumpfsinniger“, hier aber Ehrenname von Mitgliedern der römischen gens Iunia, zurückgehend auf Lucius Iunius Brutus, der sich durch fingierte Idiotie (daher der Name) in seiner Jugend vor Verfolgung gerettet und später Rom von der Königsherrschaft befreit haben soll)[1] war ein römischer Politiker in der Zeit der späten Republik und einer der Mörder Gaius Iulius Caesars.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Familie und Jugend

Brutus’ Vater war ein Senator gleichen Namens, der im Bürgerkrieg das belagerte Mutina gegen Pompeius hielt. Er hatte sich diesem aus unbekannten Gründen nach Sullas Tod 77 v. Chr. ergeben, wurde jedoch am folgenden Tag von Pompeius’ Anhänger Geminius ermordet.[2]

Brutus’ Mutter Servilia war die Halbschwester von Cato dem Jüngeren. Sie war eine Geliebte Caesars; spätere Legenden sprachen davon, dass möglicherweise Caesar Brutus’ wahrer Vater gewesen sei.[3] Allerdings war Caesar bei Brutus’ Geburt erst 15 Jahre alt. Servilia heiratete nach dem Tod ihres Mannes Decimus Iunius Silanus, von dem sie drei Töchter hatte. Die Ehemänner zweier seiner Halbschwestern gehörten 44 v. Chr. ebenfalls zu den Caesarmördern.

Als junger Mann wurde Brutus von seinem Onkel Quintus Servilius Caepio adoptiert und fügte dessen cognomen seinem Namen an.[4] So kann er möglicherweise mit dem Quintus Servilius Caepio identifiziert werden, mit dem Iulia, der Tochter Caesars, im Kinderalter verlobt wurde,[5] allerdings kam eine Heirat nie zustande.

Er war in erster Ehe mit Claudia Pulchra, der Tochter des Appius Claudius Pulcher verheiratet, mit der er eine Tochter und drei Söhne hatte. Nach Catos Tod ließ er sich 45 v. Chr. von ihr scheiden und heiratete in zweiter Ehe seine Cousine, Catos Tochter Porcia. Er verfasste eine Schrift, in der er die Vorzüge seines verstorbenen Schwiegervaters pries. Er und Porcia hatten einen Sohn namens Marcus Iunius Brutus, der jedoch schon 43 v. Chr. starb und eine Tochter, Iunia, die um 44 v. Chr. geboren wurde und deren Verbleib ungeklärt ist. Porcia starb 43 oder 42 v. Chr.

Brutus wurde von seinem Onkel Cato erzogen. Er hatte eine erstklassige philosophische und rhetorische Ausbildung erhalten und stand im Ruf, alle griechischen Philosophen zu kennen.[6] Besonders verehrte er den Platoniker Antiochos von Askalon, dessen Bruder Aristos von Askalon er als Lehrer in sein Haus aufnahm. Er stand in engem Kontakt zu Marcus Tullius Cicero, mit dem er einen Briefwechsel pflegte[7] und der ihm mehrere rhetorische und philosophische Schriften, darunter Brutus und Orator, widmete.

Politische Karriere

Brutus begann seine politische Karriere 58 v. Chr. als Assistent Catos, als dieser Statthalter von Zypern war. Während dieser Zeit bereicherte er sich durch die Vergabe von Krediten gegen hohe Zinsen. In diesen Jahren, vielleicht auch erst 54 v. Chr., ließ Brutus als Münzmeister Münzen prägen.[8] 53 v. Chr. war er Quästor seines Schwiegervaters Appius Claudius Pulcher in Kilikien.

Wie sein Vater und sein späterer Schwiegervater Cato war Brutus überzeugter Republikaner und unterstützte von seinem ersten Auftritt im Senat an die Partei der Optimaten gegen das von Crassus, Pompeius und Caesar gebildete Erste Triumvirat. Da Pompeius im Jahr 77 v. Chr. seinen Vater hatte ermorden lassen, hatte Brutus allen Grund ihn zu hassen. Dennoch schloss er sich seinem alten Feind Pompeius an, der sich nach dem Bruch mit Caesar 53 v. Chr. den Optimaten annäherte, als es im Jahr 49 v. Chr. zum Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius kam, und kämpfte in der Schlacht von Pharsalus gegen Caesar. Nach der Niederlage bat er Caesar in einem Brief um Verzeihung, welche dieser ihm sofort gewährte. Caesar nahm ihn sogar in den Kreis seiner engsten Vertrauten auf; er schätzte ihn sehr und respektierte seine Ansichten. Von 48 bis 46 v. Chr. machte er Brutus zum Statthalter von Gallien. Im Jahr 44 v. Chr. erhielt Brutus die Prätur als praetor urbanus.

Die Verschwörung gegen Caesar

Unter der Führung von Brutus und seinem Freund und Schwager Gaius Cassius Longinus bildete sich eine Verschwörung von Senatoren und Rittern gegen Caesar, der sich zum Diktator auf Lebenszeit ernannt hatte. Diese Aktion, die jede Hoffnung auf einen freiwilligen Rückzug des Alleinherrschers (nach dem Vorbild Sullas) zunichte machte, gab offenbar den Ausschlag und veranlasste Brutus dazu, sich an die Spitze der Attentäter zu stellen, ungeachtet des Umstandes, dass er Caesar persönlich zum Dank verpflichtet war. Die Spannbreite der Opposition erstreckte sich von Verfechtern altrömischer Tugenden bis hin zu schlicht Unzufriedenen. Die Verschwörer waren sich darin einig, dass der „Tyrann“ Caesar umgebracht werden müsse. Sie erwarteten, dass allein mit der Beseitigung Caesars die „alte Republik“ wie von selbst neu entstehen werde. An den Iden des März (15. März) 44 v. Chr. ermordeten sie Caesar im Senat. Laut einem von Sueton wiedergegebenen Bericht soll der sterbende Caesar zu Brutus καὶ σὺ τέκνον; (Altgriechisch „Auch du, Sohn?“) gesagt haben.[9] Die Historizität dieser Szene wird aber von den meisten Forschern bezweifelt.

Der Bürgerkrieg

Unmittelbar nach dem Mord gewährte der Senat den Mördern Caesars Amnestie; dies war ein fauler Kompromiss, denn statt die Attentäter, wie von diesen erwartet, als Freiheitshelden zu feiern, stellte der Senat damit im Gegenteil implizit fest, dass die Tötung Caesars ein Verbrechen gewesen sei, das aber nicht verfolgt werden solle. Doch schon nach kurzer Zeit wandte sich die öffentliche Meinung in Rom vollständig gegen die Verschwörer, als Marcus Antonius, der Führer der caesarianischen Partei, in seiner berühmten (und von Shakespeare kongenial nachgedichteten) Grabrede das Testament des Diktators bekannt gab, gemäß dem jeder Einwohner Roms eine gewisse Geldsumme erhalten solle. Um einer Anklage zu entgehen, flüchtete Brutus schließlich nach Athen. Dort widmete er sich einerseits dem Studium der Philosophie, unter anderem bei dem von Cicero sehr geschätzten Kratippos von Pergamon, andererseits aber rüstete er sich für den bevorstehenden Kampf gegen Caesars politische Erben Antonius und Octavian. Das Jahr 43 verbrachten er und Cassius damit, im griechischen Osten gegen Caesarianer wie Dolabella zu kämpfen und die griechischen Städte, teils mit Gewalt, dazu zu veranlassen, ihre Aufrüstung zu finanzieren. Die Stadt Xanthos wurde von Brutus' belagert und ging in Flammen auf; nur 150 Einwohner überlebten. Thrakische Fürsten hingegen unterstützten ihn freiwillig und versorgten ihn mit Edelmetall, aus dem er Denare mit seinem eigenen Portrait schlagen ließ, die auf der Rückseite die Ermordung Caesars feierten.

Die Entscheidung fiel schließlich im Oktober 42 v. Chr. in zwei Schlachten bei Philippi. Am 3. Oktober konnte Brutus zwar Octavian schlagen, doch Cassius unterlag Antonius und beging Selbstmord, da er nichts von Brutus' Sieg wusste. In der zweiten Schlacht am 23. Oktober wurde auch Brutus’ Armee entscheidend geschlagen. Brutus konnte zunächst entkommen, ließ sich jedoch kurz darauf töten. Octavian ließ Brutus’ Kopf später vor der Statue seines Großonkels Caesar in Rom niederlegen.

Historische Überlieferung

Die wichtigste Quelle zu Brutus ist die Lebensbeschreibung, die ihm etwa 150 Jahre nach seinem Tod der griechische Philosoph Plutarch widmete. Weitere Informationen bieten die Geschichtsschreiber Appian und Cassius Dio. Seit langer Zeit umstritten ist die Authentizität einer Sammlung griechischer Briefe, die angeblich den Schriftwechsel zwischen Brutus und griechischen Gemeinden des Ostens in den Jahren 43 und 42 enthalten - jeweils 35 Briefe von Brutus und 35 Antwortschreiben. Wären diese Schreiben authentisch, so würden sie eine enorm wichtige Quelle darstellen; doch obwohl sich bedeutende Forscher wie Eduard Meyer und Matthias Gelzer für die Echtheit ausgesprochen haben, plädiert heute die Mehrheit dafür, die Texte als spätere Fabrikation zu betrachten, deren Urheber allerdings vermutlich auf heute verlorene historiographische Zeugnisse Zugriff gehabt habe (so etwa Jürgen Deininger). Auch die beiden letzten und längsten lateinischen Briefe des Brutus an Cicero sind in ihrer Echtheit nicht über alle Zweifel erhaben; doch ist die Forschung in diesem Punkt noch gespaltener als in Hinblick auf die griechische Sammlung.

Brutus als literarische Figur

Stich nach Rubens: Marcus Iunius Brutus

Cicero schrieb oft über oder an Brutus, so in seinen Schriften De virtute (Über die Tugend, nicht erhalten) und Orator; und die Darstellung der Geschichte der Redner Roms betitelte er sogar mit Brutus – Cicero billigte im Nachhinein den Mord an Caesar und ließ sich dafür gar selbst beglückwünschen.

Die Figur des Marcus Brutus tritt in der abendländischen Literatur immer wieder als Protagonist völlig gegensätzlicher Haltungen auf. Je nach Einstellung des Autors gilt er einmal als mutiger Tyrannenmörder, der die Pflicht über seine persönlichen Gefühle stellt, dann wieder als ein niederträchtiger Verräter im Stil des Judas.

Für Dante beispielsweise war Brutus das Musterbeispiel schändlichen Verrats. Im 34. Gesang (Verse 64-67) des Abschnitts Inferno der Göttlichen Komödie befindet er sich zusammen mit Judas Ischariot und Cassius im innersten Kreis der Hölle, wo Satan beständig an ihm nagt, ihn aber nie völlig verzehrt.

William Shakespeares Tragödie Julius Cäsar dagegen schildert ihn als „ehrenwerten Mann“, der im besten Glauben handelt, von Cassius aber zu einer Tat getrieben wird, mit der Brutus sich nicht identifiziert. Bei Voltaire (Brutus, 1730) und Vittorio Alfieri (Bruto secondo, 1787) schließlich erscheint Brutus als durchweg positiver, hochmoralischer Charakter: Haupt der Verschwörung und Anführer der Tyrannenmörder, der am Konflikt zwischen Sohnes- und Bürgerpflicht beinahe zerbricht, bevor er sich letztlich für die Freiheit Roms und gegen den - als selbstherrlichen, wenn auch väterlichen Diktator gezeichneten - Vater entscheidet.

Stammbaum

  • (1) = 1. Ehemann/Frau
  • (2) = 2. Ehemann/Frau
  • × = Caesarmörder


Salonia (2)
 
Marcus Porcius Cato Censorius
 
Licinia (1)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Marcus Porcius Cato Salonianus
 
 
 
Marcus Porcius Cato Licinianus
 
Marcus Livius Drusus
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Marcus Porcius Cato Salonianus (2)
 
Livia
 
Quintus Servilius Caepio (1)
 
 
Marcus Livius Drusus
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Atilia (1)
 
Marcus Porcius Cato Uticensis
 
 
 
 
 
 
 
Marcus Livius Drusus Claudianus (adoptiert)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Marcus Iunius Brutus (1)
 
Servilia Caepionis
 
Decimus Iunius Silanus (2)
 
Quintus Servilius Caepio
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Porcia Catonis
 
Marcus Iunius Brutus ×
 
Iunia Prima
 
 
 
Iunia Tertia
 
Gaius Cassius Longinus ×
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Marcus Porcius Cato
 
 
 
 
Marcus Aemilius Lepidus
 
Iunia Secunda
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Nachfahrin Sullas und des Pompeius
 
Marcus Aemilius Lepidus
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Manius Aemilius Lepidus
 
Aemilia Lepida


Quellen

  • Marcus Tullius Cicero; Marion Giebel (Hrsg. und Übers.): Briefwechsel mit M. Brutus. Lateinisch/deutsch. Reclam, Stuttgart 1982 (Universal-Bibliothek, 7745), ISBN 3-15-007745-1.
  • Marcus Tullius Cicero; Bernhard Kytzler (Herausgeber und Übersetzer): Brutus. Lateinisch-deutsch. 5. Auflage, Artemis & Winkler, Düsseldorf 2000 (Sammlung Tusculum), ISBN 3-7608-1519-7.
  • Plutarch; Wilhelm Ax (Herausgeber und Übersetzer): Römisches Heldenleben. Coriolan, die Gracchen, Sulla, Pompeius, Cäsar, Cicero, Brutus. 6. Auflage, Kröner, Stuttgart 1959.

Literatur

  • Hermann Bengtson: Zur Geschichte des Brutus. Bayerische Akademie der Wissenschaften, München 1970 (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse, ISSN 0342-5991, 1970, 1).
  • Ulrich Gotter: Marcus Iunius Brutus – oder: die Nemesis des Namens. In: Karl-Joachim Hölkeskamp, Elke Stein-Hölkeskamp (Hrsg.): Von Romulus zu Augustus. Große Gestalten der römischen Republik. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46697-4, S. 328–339.
  • Erik Wistrand: The policy of Brutus the Tyrannicide. Kungl. Vetenskaps- och Vitterhets-Samhället, Göteborg 1981, ISBN 91-85252-25-5 (Acta Regiae Societatis Scientiarum et Litterarum Gothoburgensis, Humaniora, ISSN 0072-4823, 18).

Weblinks

 Commons: Marcus Junius Brutus – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Titus Livius, Ab urbe condita, 1, 56.
  2. Plutarch: Pompeius 16, 3-5.
  3. Plutarch: Brutus, 5.2.
  4. Q. Caepio Brutus, erwähnt bei Marcus Tullius Cicero, Philippische Rede 10,25f.
  5. Sueton, Divus Iulius 21, 3; Plutarch, Caesar 14, 3 und Pompeius 47, 6; Appian, Bürgerkriege 2, 14; Cassius Dio 38, 9, 1.
  6. Plutarch: Brutus, 2, 2.
  7. Cicero: Ad Brutum.
  8. Michael Crawford: Roman republican coinage. Band 1, Cambridge University Press, Cambridge 1974, S. 455–456..
  9. Sueton: Caesar 82, 2.

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