- Nabonid-Chroniken
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Die Nabonid-Chroniken (auch Nabunaid- und Nabu-na'id Chronik ABC7 sowie CM53) beschreiben die Tätigkeiten von Nabonid, dem letzten König des neubabylonischen Reichs,[1] in den 17 Jahren seiner Regierung. Nachfolgend sind Auszüge aus den Chroniken erstellt.
Inhaltsverzeichnis
Die Nabonid-Chroniken
Akzessionsjahr und 1. Regierungsjahr
Berufung zum König und Zug nach Kilikien
„Nabonid wurde im Akzessionsjahr [556 v. Chr.] zum neuen König ernannt...Im ersten Jahr musterte er die Armee und marschierte gegen das Land Hume.“
– Nabonid-Chronik ABC7
2. Regierungsjahr
Orakelanfrage
„Monat Ululu: Nabonid befragte Sin, ob es ein neue Entu-Priesterin von Babylon geben wird...Die Antwort lautete "Ja"[2]... Es folgte an den großen Gott von Himmel und Erde, Sin, die nächste Frage, ob ein göttlicher [Nachfolger] gezeugt wird ?... Die Antwort lautete "Nein"... In der letzten Frage wurde Auskunft über die großen Götter erbeten: "Werden Šamaš und Adad noch große Götter sein ?"... Sin antworte "Ja"... Danach schrieb Sin eine Nachricht, die Nabonids Gesichtszüge erstarren ließ...Die herbeigerufenenen Schriftgelehrten breiteten vor ihm die alten heiligen Schriften von Enuma Anu Enlil aus...Dennoch verstanden sie nicht den Inhalt ohne seine (Nabonids) Interpretation[3]... Die Aufgaben einer Entu-Priesterin waren auf einer Stele des Nebukadnezar I., dem Sohn von Ninurta-nādin-šumi [1132–1126 v. Chr.], mit den alten Riten, Regeln und Zeremonien niedergeschrieben... Unkenntnis bestand bei allen Gelehrten über das, was Sin sich von der Entu-Priesterin erwünschte...Mit Blick auf die Schrifttafeln gab Nabonid in Angst seine Tochter En-nigaldi-Nanna in die Obhut des Tempels.[4]... Eine Opfergabe für Sin, dessen Worte unveränderlich sind.“
– Nabonid-Teilchronik CM53
Tempelbau Ebabbar
„Im Monat Ululu, als im Ebabbar-Tempel von Šamaš in Sippar die Fundamente gefunden wurden... Seine (Nabonaids) Vorgänger hatten vergeblich nach dem Fundament des alten Wohnsitzes von Šamaš gesucht... Ihm, seinem Diener und Verehrer, der fortwährend die heiligen Stätten der alten Götter suchte, offenbarte er bei der Suche die heiligen Gründungskapseln von Naram-Sin, dem Sohn Sargons... In diesem Jahr legte er zu einem günstigen Zeitpunkt, den Šamaš bestimmte, den Grundstein für Ebabbar...Nabonaid legte das Fundament über die heilige Gründungskapsel von Naram-Sin... Nicht eine Handbreite wich er ab und fügte seine Inschrift hinzu... Die beschädigte gesichtslose Statue von Sargon wurde wieder zu ihrer ursprünglichen Gestalt restauriert und danach auf den alten Platz gestellt... Opfer für Naram-Sin und Sargon organisierte Nabonaid... Für Šamaš erbaute er Ebabbar jauchzend vor Freude und verwendete 6.000 Zederbalken für das Dach des Tempels... Nabonaid erhöhte ihn vergleichbar einem hohen Berg... Die Türen wurden aus Zedernholz, das Tempeltor aus Bronze angefertigt... Wie ein strahlender Tag leuchte der Tempel und die Arbeiten beendete Nabonaid daran... Es folgten reichlich Opfergaben... Nach dem heiligen Ritus konnte Šamaš freudigen Herzens seine Wohnstätte beziehen.“
– Nabonaid-Teilchronik CM53
Zug nach Hamath
„Ein Bote aus Hatti verlas die neuen überbrachten Informationen...Die großen Götter wurden dort entfernt... So sollte bald der Weg des Todes durch die Berge nach Hatti beschritten werden...Die Waffen wurden gegen die dortige Bevölkerung erhoben... Im Monat Tebêtu zog der König in das Land von Hamath.“
– Nabonaid-Chronik ABC7 und Nabonaid-Teilchronik CM53
3. Regierungsjahr
Zug nach Girra und Dadanu
„Im Monat Ajaru, im dritten Regierungsjahr, musterte Nabonaid seine Truppen in Babylon...Nach einer Wegstrecke von 13 Tagen erreichte das Heer Ammana... Die aufständische Bevölkerung wurde geköpft... Den dortigen König hängte er vor den Augen des Volkes... Die Felder und Obstgärten wurden verbrannt... Im Schatten der Berge wurde Girra in eine Ruine verwandelt und der Abmarsch begann im Monat Abu... Der König von Dadanu kannte nicht die notwendigen Riten... Weite Wege zog Nabonaid unter größten Schwierigkeiten dorthin, wo eine Überfahrt unmöglich ist... Der dortige König reichte ihm die Hand und übergab die üppige Obst- und Pflanzenernte... Der König wurde krank, erholte sich aber bald wieder.“
– Nabonaid-Teilchronik CM53 und Chronik ABC7
Zug nach Edom
„Im Monat Kislimu musterte der König die Armee und ließ sie in einem Bündnis mit Nabû-tattan-usur von Amurru nach Adummu marschieren... Er zog den Weg durch das Tor von Šintini und tötete die dortigen gegnerischen Truppen.“
– Nabonaid-Chronik ABC7
4. bis 8. Regierungsjahr
Der Kampf zwischen Astyages und Kyros II.
„[Keine lesbaren Einträge für das 4. und 5. Regierungsjahr]... Im 6. Regierungsjahr musterte der König Ištumegu sein Heer und zog gegen das Heer von Kuraš, um ihm einen Kampf zu liefern...Die Armee von Astyages revoltierte daraufhin und lief zu Kuraš über... Kuraš eroberte das Land Umman-Manda und gelangte in die Königsstadt Agamtanu... Die großen Schätze von Agamtanu ließ er nach Anšan schaffen.“
– Nabonaid-Chronik ABC7
Kein Neujahrsfest
„Im 7. Regierungsjahr hielt sich Nabonaid in Temâ auf... Sein Kronprinz, die Würdenträger und die Armee befanden sich in Akkad... Die Neujahrszeremonien im Nisannu fielen aus... Nabû kam deshalb nicht nach Babylon... Bêl konnte nicht aus Esagila auf dem Prozessionsweg feiern...Rituale wurden in Esagila und Ezida komplett [in Abwesenheit der Götter] vom Oberpriester (šešgallu) übernommen... [Für das 8. Regierungsjahr keine lesbaren Einträge].“
– Nabonaid-Chronik ABC7
9. bis 16. Regierungsjahr
Tod der Mutter Adad-happe
„Am 5. Nisannu starb im 9. Regierungsjahr die Mutter des Königs in der Nähe am Euphrat von Sippar... Der Kronprinz und seine Armee verordneten eine dreitägige Staatstrauer... In Akkad ließ Nabonaid im Monat Simanu erneut staatlich verordnete Trauertage ausrufen.“
– Nabonaid-Chronik ABC7
Der Feldzug von Kyros II. gegen Urartu
„Im Monat Nisannu des 9. Regierungsjahres von Nabonaid musterte Kuraš seine Armee und zog über den Tigris unterhalb Arbelas... Im Monat Ajaru zog er gegen das Land Urartu, tötete den König und übernahm das Gebiet... In seiner eigenen Garnison, die stärker befestigt wurde, stationierte er seine Truppen.“
– Nabonaid-Chronik ABC7
Keine Neujahrsfeste
„Vom 9. bis zum 11. Regierungsjahr erfolgten keine Neujahrsfeiern...Die Götter blieben in ihren Tempeln...Die Rituale wurden vom Oberpriester vollzogen...Nabonaid war noch immer in Temâ...Am 21. Simanu, im 10. Regierungsjahr, die Bewohner des Landes Elam kamen nach Akkad...[Keine lesbaren Einträge für das 12. bis 15. Regierungsjahr].“
– Nabonaid-Chronik ABC7
Beginn der Angriffe von Kyros II. auf Babylon
„Im 16. Regierungsjahr [überschritten die Truppen von Kuraš] den Tigris...Im Monat Adaru wurde das Bildnis der Ištar von Uruk [nach Babylon] gebracht... Die Armee der Parsu unternahm einen Angriff auf babylonisches Gebiet.“
– Nabonaid-Chronik ABC7
17. Regierungsjahr
Überführung der Götterstatuen
„Der Gott Nabû erschien aus Borsippa zur Prozession mit Bêl... Nabonaid betrat den Tempel von Eturkalamma... Das Seeland führte einen kurzen Angriff aus... Das Neujahrsritual konnte in kompletter Form vollzogen werden... Im Monat [Abu?] kamen Lugal-Marada und die anderen Götter der Städte von Marad und Zabada an... Aus Kiš traf Ninlil mit weiteren Göttern aus Hursagkalama in Babylon ein...Bis zum Ende des Monats Ulûlu fanden fast alle Götter aus dem Land Akkad den Weg nach Babylon... Die Götter von Borsippa, Kutha und Sippar fehlten.“
– Nabonaid-Chronik ABC7
Der Fall von Babylon
„Im Monat Tašrîtu, als Kuraš die Armee von Akkad in Upija am Tigris angriff, lehnte sich das Volk von Akkad auf... aber er massakrierte die in Aufruhr geratene Bevölkerung...Am 15. Tašrîtu fiel Sippar ohne Kampf und Nabonaid floh... Am nächsten Tag betrat Ugbaru von Gutium und die Armee von Kuraš kampflos Babylon... Später wurde Nabonaid festgenommen, als er nach Babylon kam...Bis zum Ende des Monats schütze die Armee der Gutäer Esagila und die anderen Tempel... Kein Fest wurde verpasst... Am 3. Arahsamna wurden Kuraš bei seinem Einzug grüne Zweige ausgebreitet...Der Stadt Babylon wurde der Frieden verkündet...Ugbaru stellte als neuer Statthalter weitere Unterstatthalter ein... Von Kislîmu bis Addaru kehrten die von Nabonaid nach Babylon gebrachten Götter von Akkad zu ihren Heimatstädten zurück.“
– Nabonaid-Chronik ABC7
Siehe auch
- Menetekel
- Strophengedicht des Nabu-na'id
- Harran-Inschrift des Nabu-na'id
- Egipar-Inschrift des Nabu-na'id
- Gebet des Nabu-na'id
- Kyroszylinder
Anmerkungen und Belege
- ↑ Unter Dareios I. folgten 522 v. Chr. Nebukadnezar III. und 521 v. Chr. Nebukadnezar IV. als Usurpatoren.
- ↑ Die "Ja-Antwort" bezieht sich auf eine erfolgte Mondfinsternis am 19. September 554 v. Chr.; der 13. Ululu fiel 554 v. Chr. auf den 26. September und der Frühlingsanfang auf den 28. März im proleptischen julianischen Kalender. Zum gregorianischen Kalender beträgt die Zeitdifferenz 7 Tage, die vom 26. September in Abzug gebracht werden müssen. Berechnungen nach Jean Meeus: Astronomische Algorithmen - Anwendungen für Ephemeris Tool 4,5 -, Barth, Leipzig 2000 und Ephemeris Tool 4,5 Umrechnungsprogramm. Die Mondfinsternis erreicht erst am Vormittag gegen 9:00 Uhr das Maximum und begann kurz nach Sonnenaufgang; vgl. hierzu W.G. Lambert: A new Source for the reign of Nabonidus In: AfO 22, 1968/69: Wenn im Monat Ululu während der Morgenwache eine Mondfinsternis eintritt, dann wünscht sich Sin eine neue Entu-Priesterin, vgl. hierzu auch: David Clines, Elke Blumenthal: Weisheit in Israel: Beiträge des Symposiums "Das Alte Testament und die Kultur der Moderne" anlässlich des 100. Geburtstags Gerhard von Rads (1901 - 1971), Heidelberg, 18. - 21. Oktober 2001, Lit, Münster 2003, S. 43.
- ↑ akkadische Schreibung: tuppi iškar ud an DINGIREnlilla gipisan ultu babili ana naplusu lutupšarru ubillunu mahar-šu la šemu la idi libbuš bala qabe-šu.
- ↑ Mit dem Neujahrsfest am Anfang seines dritten Regierungsjahres 553 v. Chr. übergab der Babylonierkönig En-nigaldi-Nanna wegen der erfolgten negativen Vorzeichen dem Tempel in Ur.
Literatur
- Hanspeter Schaudig: Die Inschriften Nabonids von Babylon und Kyros' des Großen, samt den in ihrem Umfeld entstandenen Tendenzschriften. Ugarit-Verlag, Münster 2001, ISBN 3-927120-75-8.
- James B. Pritchard: Ancient near Eastern texts (Reprint). Pro Quest, 2005, ISBN 0-691-03503-2.
- Adolf Leo Oppenheim: The cuneiform texts. 1970 (Übersetzungen von James B. Pritchard’s Ancient near Eastern texts).
- Jean Meeus: Astronomische Algorithmen, u.a. Anwendungen für „Ephemeris Tool 4,5“. Verlag Barth, Leipzig 2000, ISBN 3-335-00400-0.
- Reinhard-Gregor Kratz: Das Judentum im Zeitalter des Zweiten Tempels. Mohr-Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-148835-0 (Studienausgabe aus der Schriftenreihe: Forschungen zum Alten Testament, Nr. 42).
- Stephen Langdon, Rudolf Zehnpfund: Die neubabylonischen Königsinschriften. Hinrichs, Leipzig 1912 (Deutsche Übersetzung der englischen Originalfassung von Stephen Langdon).
- W.G. Lambert: A new Source for the reign of Nabonidus. In: Archiv für Orientforschung (AfO). Nr. 22, AfO, 1968/69, S. 1–36.
- Paul-Alain Beaulieu: Legal and administrative texts from the reign of Nabonidus. Yale University Press, New Haven 2000, ISBN 0-300-05770-9.
- J.J. Glassner: Babylonian Chronicles. Atlanta 2004 (edited by Benjamin R. Foster).
- Albert-Kirk Grayson: Assyrian and Babylonian Chronicles (Nabonidus Chronicles). Augustin, New-York 1975.
- Raymond Philip Dougherty: Nabonidus and Belshazzar: A study of the closing events of the neo-Babylonian empire. AMS Press (Nachdruck 1929), New York 1980, ISBN 0-404-60285-1.
Weblinks
- Jona Lendering: Teilchronik (CM53). In: Livius.org (englisch)
- Jona Lendering: Nabonid-Chronik (ABC 7). In: Livius.org (englisch)
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