- Netzwerkanalysator
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Ein Netzwerkanalysator (amerikanisch: Network Analyzer oder Vector Network Analyzer, britisch: Network Analyser, kurz: NWA, VNA oder NA) wird in der Elektronik, Nachrichtentechnik und besonders in der Hochfrequenztechnik eingesetzt, um die Streuparameter (S-Parameter), also Reflexion und Transmission von elektrischen Messobjekten (kurz: MO oder DUT nach engl. Device Under Test) als Funktion der Frequenz zu messen.
Inhaltsverzeichnis
Prinzip
Der Netzwerkanalysator sendet ein Signal (hinlaufende Welle) auf das Messobjekt (DUT). Dessen Frequenz, Amplitude und Phase sind bekannt. Der Prüfling reflektiert einen Teil dieses Signals (weglaufende Welle am Eingang). Der Rest läuft in das Messobjekt, wird dort verändert (gedämpft, verstärkt, phasenverschoben) und tritt am Ausgang des DUT als übertragenes Signal (weglaufende Welle am Ausgang) in Erscheinung.
- Aus dem Verhältnis von reflektiertem zu gesendetem Signal wird die Reflexion des Messobjektes gemessen und
- aus dem Verhältnis von übertragenem zu gesendetem Signal wird die Transmission des Messobjektes gemessen.
Nomenklatur
Man unterscheidet die früher weit verbreiteten Skalaren Netzwerkanalysatoren (engl. Scalar Network Analyzer, kurz SNA), die nur den Betrag der Reflexion und Transmission messen können, von den heute fast nur noch anzutreffenden Komplexen Netzwerkanalysatoren, die außer dem Betrag auch die Phase der S-Parameter messen können. In Anlehnung an die im englischen Sprachraum gebräuchliche Bezeichnung Vector Network Analyzer (VNA) werden sie im Deutschen häufig und unpräzise als Vektor-Netzwerkanalysatoren oder als Vektorielle Netzwerkanalysatoren bezeichnet. Da sie jedoch keine Vektoren sondern komplexe Größen (Zeiger, siehe auch Phasor) messen, ist die Bezeichnung Komplexe Netzwerkanalysatoren präziser. Inzwischen genügt schlicht der Name „Netzwerkanalysator“ ohne jeden Zusatz, da skalare Analysatoren nahezu verschwunden sind und die begriffliche Unterscheidung nicht mehr nötig ist.
Verwirrung kann ferner dadurch entstehen, dass die Netzwerkanalysatoren irrtümlich mit der Analyse von Computer-Netzwerken wie dem World Wide Web in Zusammenhang gebracht werden. Sie dienen jedoch nicht zu deren Analyse sondern zur Messung elektrischer Netzwerke, Komponenten und Schaltungen wie beispielsweise von Dämpfungsgliedern, Filtern, Richtkopplern, Verstärkern oder Mischern. Insofern wäre ein Name wie „Streuparameter-Messgerät“ für Netzwerkanalysatoren weniger missverständlich.
Aufbau
Die wichtigsten Schnittstellen eines Netzwerkanalysators sind seine Messtore (engl. Ports). Gewöhnliche Netzwerkanalysatoren („Zweitor-Netzwerkanalysatoren“) verfügen über zwei Messtore in koaxialer Ausführung, beispielsweise Typ-N-Buchsen. Sie sind zur Messung von Prüflingen mit einem oder zwei Toren gut geeignet. Die Prüfung von Messobjekten mit mehr als zwei Toren, wie beispielsweise von Richtkopplern gestaltet sich damit umständlich. Inzwischen sind aber auch Netzwerkanalysatoren mit mehr als zwei Toren („Mehrtor-Netzwerkanalysatoren“) verfügbar. Dabei sind Geräte mit bis zu 8 Messtoren und 16 parallelen Empfangskanälen von den deutschen Messgeräteherstellern Rohde & Schwarz und Ballmann erhältlich. Zur Erzielung noch höherer Torzahlen können externe Umschalter (Schaltmatrizen) verwendet werden.
Weitere Schnittstellen (wie GPIB, Seriell, LAN (zum Teil LXI-konform) oder USB) dienen zur Fernsteuerung und Datenausgabe. So kann der Netzwerkanalysator durch einen Computer gesteuert werden und die Messergebnisse dort gespeichert werden. Moderne Netzwerkanalysatoren enthalten bereits einen Computer, so dass der gesamte Messablauf automatisch durch das Gerät selbst abgewickelt werden kann. Zur Speicherung der Messdaten ist häufig ein Diskettenlaufwerk, ein Speicherkartenleser oder ein USB-Anschluss vorhanden.
Geräte mit eingebautem Bildschirm zeigen die gemessenen Parameter als Amplituden- oder Phasengang oder in komplexer Darstellung in einem Smith-Diagramm an. Die Darstellung im Smith-Diagramm ist allerdings nur bei der Eingangs- und Ausgangsreflexion (S11 und S22) von Interesse. Sie dient beispielsweise dazu, die geeignete Impedanzanpassung (Matching) zur Übertragung der maximalen Leistung zu ermitteln. Heutige Netzwerkanalysatoren bieten die Möglichkeit, außer den S-Parametern auch andere Parameter wie beispielsweise die Gruppenlaufzeit des Prüflings zu messen und darzustellen.
Kalibrierung und Systemfehlerkorrektur
Die einzelnen Komponenten eines Netzwerkanalysators sind fehlerbehaftet, das heißt sie verfügen selbst über einen Frequenz- und Phasengang. Diese sogenannten Systemfehler verändern die von einem Messobjekt erhaltenen Werte besonders zu höheren Frequenzen so stark, das eine genaue Aussage über dieses kaum noch zu treffen ist.
Durch eine Kalibrierung des Analysators können die Systemfehler kompensiert und die Messgenauigkeit stark erhöht werden. Hierzu werden nacheinander verschiedene Kalibrierstandards mit bekannten elektrischen Eigenschaften an den Messtoren angeschlossen und die Messwerte ermittelt. Durch Verrechnung der Messwerte der verschiedenen Kalibriermessungen unter Berücksichtigung der bekannten elektrischen Eigenschaften der Standards können die Fehlerkoeffizienten berechnet werden, die die Systemfehler des Analysators beschreiben.
Bei der späteren Prüfung von Messobjekten werden die erhaltenen Messdaten während der Systemfehlerkorrektur mit den Fehlerkoeffizienten verrechnet und so die durch den Analysator verursachten Fehler kompensiert. Es existieren eine Reihe von Kalibrierverfahren mit unterschiedlichen Vorzügen, die in der Regel nach den Anfangsbuchstaben der verwendeten Kalibrierstandards benannt werden, zum Beispiel:
- OSL bzw. MSO: Open-Short-Load bzw. Match-Short-Open
- SOLT: Short-Open-Load-Through
- TRL: Through-Reflect-Line
- TAN: Through-Attenuation-Network
Jede Veränderung des Messfrequenzbereiches (zu höheren oder tieferen Frequenzen) oder der Wechsel der Messleitungen machen eine Neukalibrierung erforderlich. Je nach Methode und Anzahl der Messtore müssen zur Kalibrierung mehrere Messungen mit den entsprechenden Standards durchgeführt werden. Somit kann ein Kalibirierungsvorgang mehrere Minuten in Anspruch nehmen. Die Zeit hängt zusätzlich noch von der Messkonfiguration des NWA ab. Je mehr Messpunkte innerhalb des gewünschten Frequenzbereiches sind und je länger die Wartezeit bei einem Messpunkt ist, desto länger dauert die Kalibrierungsmessung eines jeden Standards.
Seit einiger Zeit bieten die verschiedenen Messgerätehersteller auch automatische Kalibriereinrichtungen an, die die unterschiedlichen für eine Kalibrierung notwendigen Standards in einem kompakten Gehäuse kombinieren. Die Standards können innerhalb der Einrichtung über HF-Schalter an die verschiedenen Messtore des Analysators geschaltet werden, die vor Beginn der Kalibrierung mit der Kalibriereinrichtung verbunden wurden. Während des Kalibriervorganges, bei dem automatisch (vom Analysator gesteuert) die Standards ein- oder umgeschaltet werden, ist eine Umverkabelung nicht mehr notwendig. So können auch Messkonfigurationen mit einer größeren Anzahl von Messtoren problemlos und schnell kalibriert werden.
Open
Bei einem Open (deutsch: Offen) ist die Messleitung definiert offen, das heißt mit nichts verbunden. Ein offenes Leitungsende bewirkt eine Totalreflexion des gesendeten Signals. Betrachtet man die komplexen Daten einer Reflexionsmessung an einem Tor des Netzwerkanalysators im Smith-Diagramm, so definiert der Open den Punkt Unendlich auf der X-Achse.
Short
Bei einem Short (deutsch: Kurzschluss) ist die Messleitung definiert mit der Leitungsschirmung (Masse) verbunden, d.h. kurzgeschlossen. Ein kurzgeschlossenes Leitungsende bewirkt ebenfalls eine Totalreflexion des gesendeten Signals, jedoch ist die Phase des Signals gegenüber den Open um 180° gedreht. Im Smith-Diagramm definiert der Short den Punkt Null auf der X-Achse.
Match
Bei der Match-Kalibrierung (deutsch: Angepasst) wird die Messleitung mit dem Wellenwiderstand, in der Nachrichtentechnik meist 50 Ω abgeschlossen, d.h. ein definierter Widerstand zwischen die Leitungsseele und -schirmung geschaltet. Ist die Messleitung mit dem Wellenwiderstand abgeschlossen, treten keine Signalreflexionen auf. Im Smith-Diagramm definiert der Match den Punkt Eins auf der X-Achse, das heißt den Mittelpunkt des Diagrammes. Dieser Punkt wird im Zusammenhang mit Netzwerkanalysatoren auch häufig mit dem Begriff Systemimpedanz bezeichnet.
Through
Bei der Through-Messung (deutsch: Durchgehend) sind die Messleitungen des Netzwerkanalysators definiert miteinander verbunden. Da der Through-Standard über zwei Anschlüsse verfügt, wird er den Zweitorstandards zugerechnet.
Reflect
Der Reflect-Standard stellt eine allgemeinere Form des Short oder Open dar, bei dem die genauen Eigenschaften nicht bekannt sein müssen. Er ist daher nur bei den Kalibrierverfahren, die über mindestens einen Selbstkalibrierstandard (nicht vollständig bekannter Standard) verfügen, verwendbar. Geeignete Kalibrierverfahren sind zum Beispiel TRL oder TRM.
Attenuation
Der Attenuation-Standard stellt genauso wie der Reflect einen Selbstkalibrierstandard dar, ist im Gegensatz zu ihm aber (wie der Through oder die Line) ein Zweitorstandard, der zwischen die beiden zu kalibrierenden Messtore des Analysators geschaltet wird. Der Attenuation-Standard sollte über eine möglichst konstante Einfügungsdämpfung verfügen, deren exakter Wert nicht bekannt sein muss - und muss reziprokes Verhalten aufweisen, das heißt keine richtungsabhängigen Eigenschaften besitzen.
Line
Der Line-Standard ist ähnlich wie der Through ein möglichst rückwirkungsfreier Zweitorstandard, dessen Impedanz bekannt sein muss. Die elektrische Länge muss nur exakt bekannt sein, sofern dieser Leitungsstandard ein Through ersetzt. Ist TRL vollständig programmiert, so muss die Länge von L nur auf ±90° bekannt sein.
Frequenzumsetzende NWA-Messungen
Es ist weiterhin möglich mittels eines NWA, einer Zusatzsoftware (mit Kalibrierverfahren wie Without Thru) sowie zwei weiteren Kalibrierstandards (Kammgenerator und Leistungsmesskopf) frequenzumsetzende NWA-Messungen durchzuführen. Neben vektoriellen Oberwellenmessungen sind somit auch kalibrierte vektorielle Intermodulations- und Mischermessungen möglich. Die vektorielle Information erlaubt ein Modelling von nichtlinearen Effekten und deren Lokalisierung. Darüber hinaus ist dieser NWA als hochpräzises Sampling-Oszilloskope einsetzbar, da Fehlanpassungen im Gegensatz zu Oszilloskopen durch die Systemfehlerkorrektur eliminiert werden.
Wichtige Kenngrößen
... des reflektierten Signals
... des transmittierten Signals
Siehe auch
- Frequenzgang (System)
Literatur
- Michael Hiebel: Grundlagen der vektoriellen Netzwerkanalyse. Rohde & Schwarz GmbH, München, Erste Auflage 2006
- Joachim Müller: Praxiseinstieg in die vektorielle Netzwerkanalyse beam-Verlag, Marburg, ISBN 978-3-88976-159-0
Weblinks
Kategorie:- Elektrotechnisches Messgerät
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