- Optische Telegrafie
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Unter dem Begriff optische Telegrafie versteht man im Allgemeinen die Telegrafie über große Entfernungen mit Hilfe optischer oder einer Kombination von optischen mit akustischen Vorrichtungen. Im Speziellen wird damit das von Claude Chappe gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Frankreich installierte System optisch-mechanischer Telegrafenlinien bezeichnet, das bis zum Aufkommen der elektrischen Telegrafie über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus in ganz Europa Verwendung fand.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bereits in der Antike dienten Rauch- und Feuerzeichen zur Übermittlung von Nachrichten. Der griechische Dichter Aischylos beschrieb in seinem Drama Agamemnon, wie die Nachricht vom Sieg der Griechen über Troja im Jahre 1184 v. Chr. mit einer Feuerzeichenkette von Troja in das 555 km entfernte Argos gelangte. Der Historiker Thukydides berichtete vom Einsatz von Feuersignalen im Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.).[1] Allerdings konnten durch diese einfache optische Telegrafie nur jeweils zuvor verabredete Botschaften übermittelt werden.
Die Idee, frei formulierbare Botschaften mit Hilfe der Feuerzeichentelegrafie zu übermitteln, beschrieb erstmals der griechische Geschichtsschreiber Polybios: Hinter einem großen Schild standen zwei „Telegrafisten“, die entsprechend dem zu sendenden Buchstaben Fackeln an einer bestimmten Position links oder rechts des Schildes positionierten. Die Römer richteten entlang der Grenzen des Imperium Romanum Wachtürme ein, die über Feuerzeichen miteinander kommunizierten, so in Germanien entlang des Limes vom Rhein bis an die Donau.
Ausgangspunkt der modernen optischen Telegrafie war die Entwicklung des Fernrohrs im Jahr 1608 durch holländische Brillenmacher, mit dem die Reichweite der menschlichen Wahrnehmung erheblich zunahm. Bereits 1684 legte Robert Hooke der Royal Society in London seine Idee zur Übermittlung von „Gedanken über weite Entfernungen“ vor, deren technische Umsetzung sich jedoch als problematisch erwies. Große, mit Buchstaben beschriebene Tafeln sollten dabei mit Hilfe von Seilzügen auf einem Mastsystem aufgebaut und mit Hilfe eines Fernrohrs abgelesen werden.
Erste Versuche
Wenig bekannt sind erste Versuche durch Christoph Ludwig Hoffmann. In einem Brief an den Grafen Ludwig, Sohn des Grafen Karl von Bentheim Steinfurt: „Unter seiner Regierung erfand ich in Burgsteinfurt die Telegraphie. In Münster ließ ich im Jahre 1782 von dieser Sache eine abgekürzte Nachricht abdrucken, also zehn Jahre früher, als die Franzosen der Welt von etwas bekannt gemacht haben.“
In einem Artikel unter dem Titel Description d´un telégraph trés simple et à la portée le monde A. Paris et Amsterdam 1800 findet man folgenden (hier übersetzten) Hinweis: „Im siebenjährigen Krieg wurde sie in Schönbusch auf der Anhöhe bei Burghorst (Borghorst) ausgeführt.“ Diese Versuche wurden nicht weitergeführt und gerieten in Vergessenheit.
Chappe-System
Erst dem französischen Techniker Claude Chappe gelang in den Wirren der französischen Revolution eine technisch praktikable, optische Telegrafie-Vorrichtung, basierend auf der Zeichenübermittlung mit Hilfe von schwenkbaren Signalarmen (auch Flügeltelegraf oder Semaphor). An einem hohen Mast waren zwei schwenkbare Querbalken mit zwei weiteren schwenkbaren Balken an jedem Ende angebracht, womit je nach Position anhand eines Codes unterschiedliche Buchstaben signalisiert werden konnten.
Aufbauend auf den Ideen des Physikers Guillaume Amontons, der bereits 1690 erste Experimente zur Signalübertragung vornahm, konnte Chappe 1792 die gesetzgebende Nationalversammlung von der Einrichtung einer 70 km langen Versuchsstrecke zwischen Pelletier St. Fargaux um St. Martin de Thetre überzeugen. Bereits im Jahr davor hatte er den Semaphoren zusammen mit seinen Brüdern in Parcé und Boulon erfolgreich öffentlich vorgeführt.
Mehrere Versuchsreihen zeigten, dass das System einfach zu bedienen und robust war. So konnte 1794 eine erste reguläre Telegrafenlinie zwischen Paris und Lille eingerichtet werden, die mit 22 Semaphorstationen 270 km überbrückte. Die Laufzeit für die Übertragung eines einzelnen Buchstabens lag bei damals beeindruckenden zwei Minuten. Jeder der beiden Signalarme konnte sieben verschiedene Stellungen einnehmen, die Querbalken noch jeweils zwei, das ergab insgesamt 7 × 2 × 7 × 2 = 196 verschiedene Zeichen. Die Flexibilität und Geschwindigkeit überzeugte vor allen Dingen die Militärs vom zügigen Aufbau eines landesweiten optisch-mechanischen Telegrafennetzes.
Die Telegrafenstationen standen je nach Geländebeschaffenheit und Sichtverhältnissen zwischen neun und zwölf Kilometer weit auseinander, so dass man mit einem Fernrohr die Zeichen der Nachbarstation noch zweifelsfrei erkennen konnte. In jeder Station arbeiteten zwei „Telegraphisten“, welche die Zeichen von einer der beiden Nachbarstationen ablasen, diese an ihrer Station gleich selbst einstellten und dadurch wiederum an die Nachbarstation weitergaben.
Napoléon Bonaparte nutzte das System, und es ermöglichte ihm bessere Kommunikation zwischen den verschiedenen Truppenteilen als sie jede andere Armee der Zeit hatte. Den Nachteil, dass die Signalmasten von jedermann gesehen werden und die militärischen Nachrichten somit auch von Unbefugten gelesen werden konnten, überwand man durch die Einführung von Geheim-Codes.
Bis 1845 entstand in Frankreich ein von Paris ausgehendes, flächendeckendes Telegrafennetz, das die Hauptstadt mit allen wichtigen Städten des Landes verband. Allerdings hatte die optische Telegrafie stets mit witterungsbedingten Kommunikationsproblemen zu kämpfen. Unwetter, schlechte Sicht oder einsetzende Dämmerung verschuldeten einen oft unregelmäßigen und unzuverlässigen Betrieb. Der Versuch, Lampen an den Signalarmen anzubringen, bewährte sich nicht.
Das System wurde in vielen anderen europäischen Staaten übernommen und dort aufgrund der militärischen Bedeutung schneller Kommunikation überwiegend von den Staaten betrieben. In den USA wurden ebenfalls Linien realisiert, etwa von New York nach Philadelphia, insgesamt allerdings in bescheidenem Ausmaß. Unter Muhammad Ali wurde auch in Ägypten ein optisch-mechanischer Telegraf zwischen Alexandria, Kairo und Sues errichtet.
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Telegrafenturm System Chappe bei Saverne, Frankreich
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Zeigertelegraf in Brake (Unterweser)
Preußische optische Telegrafie
Die erste optische Telegrafenlinie auf heutigem deutschem Gebiet war die französische Optische Telegrafenlinie Metz–Mainz von 1813. Die nächste wurde erst 1830 zwischen Berlin und Potsdam aufgenommen. Dies reichte jedoch bald nicht mehr aus. Da Preußen das Rheinland erhalten hatte und die Grenze zu Frankreich bewachen sollte, benötigte man zur schnellen Nachrichtenübermittlung ein stationäres System im großen Stil.
Dies wurde unter Leitung des Majors im Generalstab Franz August O’Etzel (1783–1850) und des Entwicklers des Telegrafen, dem Geheimen Postrat Carl Philipp Heinrich Pistor (1778–1847), welcher auch für die Ausrüstung der Stationen mit Signalgebern und Fernrohren verantwortlich war, angelegt.
Der Preußische optische Telegraf führte von der Sternwarte in der Dorotheenstraße in Berlin über die Dahlemer Dorfkirche zum Telegrafenberg bei Potsdam, weiter über Magdeburg, Oschersleben, Veltheim, Liebenburg, dann zwischen Hahausen bei Seesen und Bevern bei Holzminden durch braunschweigisches Gebiet zum Köterberg westlich der Weser wieder ins preußische Westfalen über Paderborn nach Köln und von dort nach Koblenz. Zwischen 1832 und 1852 bestand diese Linie auf einer Länge von fast 550 km. In Köln-Flittard ist eine rekonstruierte Station dieser Telegrafenlinie zu besichtigen, komplett mit einer ebenfalls rekonstruierten Zeigervorrichtung auf dem Dach. Die Stationen Neuwegersleben bei Oschersleben und Oeynhausen bei Nieheim/Westf. sowie die Straßenhauser Station im Kreis Neuwied wurden ebenfalls rekonstruiert und als Museum eingerichtet. Von der Station 28 auf dem Burgberg bei Bevern (Kreis Holzminden) steht noch der Turm. Aufgrund der militärischen Geheimhaltung sind nur wenige Codebücher erhalten. Der preußische Balkentelegraf folgte etwa dem System des Engländers Barnard L. Watson.[2][3] Am oberen Ende eines Mastbaums waren sechs Flügel montiert, die durch über Rollen laufende Schnüre mit einem Observationszimmer verbunden waren und sich von dort aus schwenken ließen. Mit insgesamt 4096 Flügelstellungen war somit ein komplexes Übermittlungssystem möglich. Die Nachrichten wurden jeweils von Station zu Station beobachtet und weitergegeben und waren so um ein mehrfaches schneller als reitende Boten, auf die man bis dahin angewiesen war.
Optische Telegrafie in Norddeutschland
Am 18. März 1838 wurde der Hamburger optische Telegraph zwischen Hamburg und Cuxhaven eröffnet.[4] Ein Johann Ludwig Schmidt erhält 1836 eine Konzession des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, diese Linie zu betreiben. 1847 kommt die Verbindung nach Bremerhaven und Bremen hinzu. Um 1850 stellte der optische Telegraph nach und nach seinen Dienst ein, weil er der ebenfalls 1847 eröffneten elektrischen Telegrafenlinie Bremen–Bremerhaven wirtschaftlich unterlegen war. Bemerkenswert ist der in beiden Gesellschaften tätige Friedrich Clemens Gerke, der besonders später bei der Einführung des elektrischen Telegraphen auf der gleichen Strecke eine herausragende Rolle einnahm.
Der Optische Telegraf in Hamburg und Bremen war das erste deutsche öffentlich zugängliche Kommunikationsmedium seiner Art, begründet und genutzt von Kaufleuten. Das preußische System diente dagegen (wie schon zunächst das französische) allein der Verwaltung und dem Militär.
Übergang zur Morsetelegrafie
Die sukzessiven technischen Verbesserungen in der Morsetelegrafie ab den 1830er Jahren läuteten das Ende der Ära des optisch-mechanischen Telegrafen ein. Die Morsetelegrafie war um ein Vielfaches schneller mit einer höheren Symbolrate, war mit der Zeit einfacher und billiger zu bauen und zu unterhalten als der optische Telegraf, weniger störungsanfällig und nicht abhängig von Wetter oder Tageszeit. Die Ablösung erfolgte aber nicht abrupt, sondern gleitend. Die beiden Systeme existierten während fast zwei Jahrzehnten bis in die 1850er Jahre nebeneinander. 1853 wurde der Betrieb der letzten optischen Telegrafenlinie Frankreichs eingestellt, in Schweden wurden optische Telegrafen noch bis 1880 betrieben. In abgewandelter Form werden optische Telegrafen auch heute noch als Eisenbahnsignal verwendet.
Optische Telegrafen kurzer Reichweite waren u. a. einfache Blinkspiegel und komplexere Spiegeltelegrafen, Winkzeichen („WigWag“ bzw. nautisch) sowie die „einfachen“ Flaggensignale.
Bis heute sind Morselampen in der Seefahrt für kurze Entfernungen gebräuchlich, Laserfunkverbindungen für Daten und Sprache stellen moderne Kommunikationsmittel in Konkurrenz zu Funkleitungen dar.
Nachbauten
1998 wurden im Saarland an ihrem mutmaßlichen historischen Standort im südlichen Saarpfalz-Kreis in der Gemeinde Mandelbachtal in der Nähe des Neuhofs bei Bebelsheim und in der Stadt Blieskastel in Biesingen von einem Förderkreis unter Vorsitz des Heimatforschers Günter Wolf zwei Rekonstruktionen von Optischen Telegrafen gebaut. Eine weitere Rekonstruktion wurde in Alsting in Frankreich geschaffen. Die drei Anlagen haben bei klarem Wetter Sichtkontakt, so dass sie mittels optischer Telegrafie miteinander kommunizieren können.
Telegrafie und Zeit
Die Auswirkungen der Telegrafie sind für das allgemeine Bewusstsein von Raum und Zeit von epochaler Bedeutung. Bis dahin war es selbstverständlich gewesen, dass eine größere Distanz nur in einer entsprechend langen Zeit zu überwinden war. Telegrafische Kommunikation erforderte die genaue Einhaltung vereinbarter Normalzeiten, damit Signale pünktlich beobachtet werden konnten. So galt in der preußischen Telegrafie überall die Berliner Zeit, die sich von der westdeutschen Wahren Ortszeit immerhin um 20 Minuten unterscheidet. Täglich um 19:00 Uhr wurde ein Zeitsignal von Berlin bis Koblenz gesendet, das nach wenigen Minuten dort ankam.
Siehe auch
- Optische Telegrafenlinie Metz–Mainz erste Telegraphenlinie auf deutschem Boden
- Heliograph (Nachrichtenübertragung)
- Windsemaphor Cuxhaven
Literatur
- AFP: Mit beweglichen Holzbalken Nachrichten übermitteln – Vor 200 Jahren ging die Telegrafenlinie zwischen Paris und Straßburg in Betrieb / Das erste Netz für Telekommunikation, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. August 1998
- Volkmann Bruckner, Grundlagen der optischen Narichtenübertragung, in Deutsche Telekom Unterrichtsblätter, 50. Jahrgang, 1/1997, S. 40
- Hiebel, Hiebel, Kogler, Walitsch: Große Medienchronik, Wilhelm Fink Verlag, München, 1999, ISBN 3-7705-3332-1.
- Christian Mähr: Vergessene Erfindungen. Warum fährt die Natronlok nicht mehr?, Dumont 2006, ISBN 3-8321-7744-2.
- Dieter Herbarth: Die Entwicklung der optischen Telegraphie in Preussen, Rheinland-Verlag: Köln 1978.
Weblinks
Commons: Optische Telegrafie – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienEinzelnachweise
- ↑ In: Der Peloponnesische Krieg, II 93-94, III 22, III 80.
- ↑ Lieutenant Watson's Telegraph. In: Polytechnisches Journal, Band 27, S. 76.
- ↑ Mechanics magazine, Band 8, S. 299
- ↑ D. Kasten: 100 Jahre Telegraphenamt Hamburg, Postgeschichtliche Blätter 1968
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