Parallaxenfrei

Parallaxenfrei
In der Spiegelung im Wasser scheint die Sonne viel näher an der Laterne zu stehen als bei direkter Sicht auf diese.

Als Parallaxe (gr. παραλλαγή parallagé „Veränderung“, „Abweichung“) bezeichnet man die scheinbare Änderung der Position eines Objektes, wenn der Beobachter seine eigene Position verschiebt.

Strenger definiert ist die Parallaxe der Winkel zwischen zwei Geraden, die von verschiedenen Standorten („Basislinie“) auf einen Punkt (ein Objekt) gerichtet sind. Dies ist auch der Winkel unter dem diese Basislinie vom beobachteten Punkt aus erscheint.

Hält man z. B. die Hand vor sich und betrachtet sie abwechselnd mit dem linken und dem rechten Auge, so verschiebt sich ihr Bild vor dem weiter entfernten Hintergrund. Die Basis ist hier der Augenabstand (siehe auch Daumensprung). Die Parallaxe ist umso größer, je näher sich das beobachtete Objekt befindet und je länger die Basislinie ist.

Aufgrund der Parallaxe lassen sich Entfernungen abschätzen (Grundlage des räumlichen Sehens) oder mittels technischer Hilfsmittel berechnen. Letztere werden vor allem in der Astronomie und in der Fotografie angewandt. Bei Messungen an Skalen kann man die Parallaxe nutzen, um genauere Ablesungen zu erzielen.

Inhaltsverzeichnis

Parallaxe in der Astronomie

Tägliche Parallaxe, Höhenparallaxe

Für Distanzmessungen zum Erdmond und nahen Planeten kann bereits der Erdradius als Basislinie dienen. So erscheint etwa die Parallaxe der Venus zwischen zwei Beobachtungsorten auf der Erdkugel in einer leicht verschiedenen Position vor dem Sternhintergrund. Bei den seltenen Venusdurchgängen vor der Sonne wurde die Parallaxe relativ zum Sonnenrand gemessen und brachte auf diese Weise erste Werte für die Astronomische Einheit.

Beim Mond beträgt die Parallaxe wegen seiner geringen Distanz maximal 2° (siehe Horizontalparallaxe), d. h. der Mond zieht z. B. von Europa aus betrachtet an völlig anderen Sternen vorbei als in Südafrika.

Ein zweites Messprinzip ist die Benutzung der Erdrotation: Auch von einem einzelnen Standort aus entsteht eine Parallaxe, weil der Ort alleine durch die Drehung der Erde verschiedene Positionen erreicht. Die Anwendung dieses Effekts wird Höhenparallaxe genannt. Umgekehrt muss bei genauer Astrometrie dieser Einfluss auf die Messungen als Reduktion angebracht (korrigiert) werden.

Jährliche Parallaxe, Sternparallaxe

Prinzip der Sternparallaxe: Durch die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne verschiebt sich ein naher Stern vor dem entfernten Hintergrund im Halbjahresrhythmus (hier stark übertrieben)

Die Parallaxe wird zur Entfernungsmessung sonnennaher Sterne eingesetzt. Als Basislinie dient der Radius der Erdbahn. Der Umlauf der Erde ändert die scheinbaren Sternpositionen in Form einer kleinen Ellipse, deren Form vom Winkel abhängt, um den der Stern von der Ekliptik (Ebene der Erdbahn) absteht. Die Parallaxe ist der Winkel, unter dem der Radius der Erdbahn vom Stern aus erscheint. Beträgt die Parallaxe eine Bogensekunde (1/3600 eines Grades), so entspricht das einer Entfernung von 3,26 Lichtjahren oder rund 31 Billionen Kilometern. Diese Entfernung wird auch als 1 Parsec (parallax arc second) bezeichnet.

Die Parallaxe ist selbst bei nahen Fixsternen so klein, dass man sie lange nicht beobachten konnte. Dies wurde in der frühen Neuzeit als wichtigstes wissenschaftliches Argument gegen das neue heliozentrische Weltbild ins Feld geführt. Auf der Suche nach der Parallaxe wurde zunächst ein völlig anderer Effekt, die Aberration entdeckt. Erst 1838 gelang Friedrich Wilhelm Bessel die Parallaxenmessung: er wählte den Schnellläufer (Stern mit großer jährlicher Eigenbewegung) 61 Cygni aus und konnte die halbjährliche Winkeländerung nach längeren Analysen zu 0,3" (0,00008 Grad) bestimmen. Selbst beim sonnennächsten Stern Proxima Centauri (4 Lichtjahre von der Erde entfernt) beträgt die Parallaxe nur 0,772". In den 1990ern gelangen mit dem europäischen Astrometriesatelliten Hipparcos genaue Parallaxenmessungen für 118.000 Sterne. Gaia, sein vermutlicher Nachfolger, soll Ende 2011 damit beginnen, noch vierzigmal genauere Messungen an etwa 1 Milliarde Sternen durchzuführen.

Sternstromparallaxe

Bei sich gemeinsam bewegenden Sternhaufen wie den Hyaden ist eine der Parallaxe verwandte, rein geometrische Entfernungsbestimmung möglich. Als Basislinie dient die über Jahre summierte Bewegung des Sternstroms. Dazu muss die Radialgeschwindigkeit und die Eigenbewegung des Sternstroms bekannt sein, sowie der Konvergenzpunkt (Fluchtpunkt) am Himmel, dem die Haufensterne scheinbar zustreben.

Parallaxe im Sinne von Entfernung

Im älteren Sprachgebrauch der Astronomie wurde der Begriff Parallaxe auch für Entfernung im allgemeinen Sinne benutzt. Dies galt auch dann, wenn die Entfernungsbestimmung andere, z. B. fotometrische Verfahren nutzte.

Der Gebrauch von Parallaxe als Synonym für Entfernung kommt daher, dass die Entfernung eines Sterns in pc (Parsec, ca. 3,26 Lichtjahre) dem Kehrwert der halbjährlichen Parallaxe in Bogensekunden entspricht. Das Wort Parsec leitet sich ab von der englischen Abkürzung für parallax arcsecond'.

Parallaxe in der Fotografie

Parallaxefehler bei Sucherkameras, schematisch

In der Fotografie tritt bei zweiäugigen Kameras, sowohl bei Sucherkameras als auch zweiäugigen Spiegelreflexkameras, ein Parallaxenfehler auf: Der Bildausschnitt im Sucher und das resultierende fotografische Bild stimmen nicht überein. Dieser Fehler wird naturgemäß umso größer, je näher das Objekt gelegen ist.

Teure Kameras haben daher einen Parallaxenausgleich: Die Entfernungseinstellung der Kamera dient nicht nur zur Fokussierung des Objektivs (Schärfe), sondern verändert auch den Winkel zwischen Sucher und Objektiv bzw. die Sucherfeldbegrenzung und kompensiert so den Großteil des Parallaxenfehlers. Völlig frei von Parallaxenfehlern sind lediglich einäugige Spiegelreflexkameras und digitale Kompaktkameras, bei denen der Monitor die Funktion des Suchers übernommen hat oder das Bild des Suchers ebenfalls vom Bildsensor stammt.

In der Fotogrammetrie (Bildmessung) dient die Parallaxe zwischen den Bildern von zwei Standorten als Maß für die Entfernung und wird mittels Stereoskopie ausgewertet. Als Vertikalparallaxe wird hingegen eine fehlerhafte Ausrichtung der Bilder bezeichnet, bei dem die Augenachsen in etwas verschiedene Höhen blicken müssen. Sie führt zu baldiger Ermüdung der Augen und sollte bewusst kontrolliert und weggestellt werden.

Parallaxe bei der Ablesung von Skalen

Spiegelskale; der Spiegel hilft beim senkrechten Ablesen

Bei genauen Messungen an Skalen – etwa an einem Maßstab oder einem Thermometer – muss die Ablesung senkrecht zur Skala erfolgen (Parallaxenfehler). Bei elektrischen Zeigermessgeräten erleichtert dies ein Spiegel auf der Skala: Der Zeiger und sein Spiegelbild müssen zum Zeitpunkt der Ablesung in Deckung stehen.

Aber auch ohne Hilfsmittel kann die richtige Augenposition gefunden werden, wenn man auf die Skalenparallaxe achtet: der Mittelwert aus zwei Extrempositionen ist meist genauer als eine unkontrollierte Ablesung. Bei üblichen Außenthermometern kann man die Genauigkeit dadurch von 1° auf 0,5° verbessern.

Ausdehnungs- und Schleuderthermometer sind am genauesten ablesbar, wenn man sie senkrecht hängen lässt und beim Ablesen waagerecht blickt (wobei das Spiegelbild des eigenen Kopfes an einer Außenscheibe hilfreich sein kann). Wichtig ist bei Thermometern ein zügiges Ablesen, um den verfälschenden Einfluss der warmen Atemluft zu vermeiden.

Siehe auch

Weblinks


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