Parteiordnungsverfahren

Parteiordnungsverfahren

Ein Parteiordnungsverfahren ist ein Schiedsgerichtsverfahren in Parteien, bei dem Parteistrafen bis hin zum Parteiausschluss verhängt werden können.

Inhaltsverzeichnis

Parteiordnungsverfahren in Deutschland

Grundlage

Das Parteiordnungsverfahren ist in der Satzung der jeweiligen Partei geregelt. Meist verfügen Parteien darüber hinaus über eine Schiedsordnung (in Deutschland Pflicht), in der Details geregelt sind.

In Deutschland sind die Parteien gemäß § 10 Parteiengesetz verpflichtet, in ihrer Satzung

  • die zulässigen Ordnungsmaßnahmen (Parteistrafen)
  • die Gründe für Ordnungsmaßnahmen und
  • die zuständigen Organe (Parteischiedsgerichte) für die Festlegung von Ordnungsmaßnahmen

zu regeln.

Parteistrafen

Als Parteistrafen werden vielfach vorgesehen:

  • die Erteilung einer Rüge,
  • die zeitweilige Aberkennung des Rechts zur Bekleidung von Parteiämtern und Funktionen
  • das zeitweilige Ruhen von Rechten aus der Mitgliedschaft
  • der Parteiausschluss.

Gründe für Ordnungsmaßnahmen

Gründe, die zu Ordnungsmaßnahmen berechtigen können z.B. sein

  • Verstöße gegen die Satzung, Finanzordnung oder andere Regelwerke der Partei
  • Verstöße gegen die Ordnung der Partei
  • Verletzung der Grundsätze der Partei

Sofern die Parteistrafe im Parteiausschluss liegt, bedarf es schärferer Anforderungen, die in § 10 Abs. 4 PartG niedergelegt sind. Ein Mitglied kann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze der Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.

Parteischädigend verhält sich z.B. (als Beispiel wurden die Regelungen der CDU gewählt) wer

  • zugleich einer anderen politischen Partei angehört,
  • in Versammlungen politischer Gegner, in deren Rundfunk- oder Fernsehsendungen sowie Presseorganen gegen die grundsätzliche Politik der Union Stellung nimmt,
  • bei der Wahl einer Vertretungskörperschaft als Bewerber gegen die Christlich-Demokratische Union auftritt,
  • als Kandidat der Christlich-Demokratischen-Union in eine Vertretungskörperschaft gewählt ist und der christlich-demokratischen Fraktion nicht beitritt oder aus ihr ausscheidet,
  • vertrauliche Parteivorgänge veröffentlicht oder an politische Gegner weitergibt,
  • Vermögen, das der Partei gehört oder zur Verfügung steht, veruntreut.

Parteischiedsgerichte

In Deutschland sind Parteien gemäß § 14 PartG verpflichtet, Parteischiedsgerichte einzurichten. Die Mitglieder dürfen nicht gleichzeitig Parteivorstandsmitglieder (auf der gleichen Ebene) sein und dürfen höchsten auf 4 Jahre gewählt werden.

In dringenden und schwerwiegenden Fällen, die sofortiges Eingreifen erfordern, kann die Satzung vorsehen, dass der Parteivorstand als erste Instanz Parteistrafen verhängt.

Rechtsweg

In Deutschland ist durch die Partei eine Revisionsinstanz gegen die Entscheidung des zuständigen Schiedsgerichtes zu gewährleisten. Dies erfolgt typischerweise über das Schiedsgericht der übergeordneten regionalen Parteiorganisation.

Gegen Entscheidungen der Parteischiedsgerichte steht den Mitgliedern die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Klage zu (§ 1059 ZPO).

Parteistrafen zur Disziplinierung von Abgeordneten

Der Verstoß gegen Grundsätze der Partei ist vielfach Grund für Parteistrafen. Hieraus kann sich ein Konflikt mit dem Prinzip des Freien Mandat des Abgeordneten ergeben, wenn er fürchten muss, für sein Abstimmungsverhalten im Parlament, dass Beschlüssen von Parteigremien widerspricht, über Parteistrafen zur Rechenschaft gezogen wird. So definiert z.B. die Schiedsordnung der SPD, „Gegen die Grundsätze der SPD verstößt insbesondere,… wer beharrlich Beschlüssen des Parteitages oder der Parteiorganisation zuwider handelt.“[1].

Öffentliche Aufmerksamkeit erregten die Parteiordnungsverfahren gegen Carmen Everts, Silke Tesch und Jürgen Walter, die sich nach der Landtagswahl in Hessen 2008 gemäß der Wahlversprechen der SPD aber entgegen den Parteitagsbeschlüssen nach der Wahl weigerten, eine Regierungsbildung unter Unterstützung der Partei Die Linke im Parlament mitzutragen . Die Revisionsverfahren, mit denen sie sich gegen die verhängten Parteistrafen wenden, sind nicht abgeschlossen.

Parteiordnungsverfahren in (Partei)diktaturen

In Parteidiktaturen stellt die Mitgliedschaft in der/den herrschenden Parteien ein Instrument zur Teilhabe an der Macht dieser Partei dar. Die Mitgliedschaft in der Partei ist mit Vergünstigungen und Karrierechancen verbunden. Damit stellen Parteistrafen in einer Parteidiktatur ein wesentliches Machtinstrument der Partei dar. Entsprechen weitreichende Folgen konnten daher die Parteistrafen haben, die das Oberstes Parteigericht der NSDAP oder die Zentrale Parteikontrollkommission der SED aussprach.

Insbesondere in den sozialistischen Staaten war die Erzwingung der Einhaltung der Parteidisziplin ein konstitutives Element der Parteidiktatur. Gemäß dem Prinzip des "Demokratischen Zentralismus" waren die Vorgaben der jeweils höheren Parteiinstanz für die unteren verbindlich. So galt z.B. für die SED:

„Der Organisationsaufbau der Partei beruht auf dem Prinzip des Demokratischen Zentralismus. Dieser Grundsatz besagt: ... c) daß alle Beschlüsse der höheren Parteiorgane für die nachgeordneten Organe verbindlich sind, straffe Parteidisziplin zu üben ist und die Minderheit sowie der Einzelne sich den Beschlüssen der Mehrheit diszipliniert unterordnet.“

Ziffer 23 des Statutes des SED 1976[2]

Entsprechend war ein Verstoß gegen die von Oben vorgelegten Vorgaben ein Grund für Parteiordnungsverfahren.

„Wer gegen die Einheit und Reinheit der Partei verstößt, ihre Beschlüsse nicht erfüllt, die Partei- und Staatsdisziplin verletzt ist ... zur Verantwortung zu ziehen.“

Ziffer 8 des Statutes des SED[3]

Die Parteimitglieder befanden sich in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zur SED. Parteistrafen oder gar ein Parteiausschluss hatten den Verlust von Funktion und Arbeitsplatz außerhalb der Partei sowie den Verlust von Privilegien zur Folge[4].

Parteiordnungsverfahren in der Schweiz

Die Schweiz verfügt über kein Parteiengesetz. Die Parteien sind als Vereine organisiert. Parteiordnungsverfahren und Parteiausschlüsse können daher individuell je Partei geregelt werden. Rechtsgrundlagen sind Art. 60 bis 79 ZGB[5]. Eine weitere Individualisierung ergibt sich daraus, dass die meisten Parteien als Vereine auf kantonaler Ebene bestehen. In den gesamtschweizer Parteien sind dann nicht die Einzelmitglieder sondern die kantonalen Parteien Mitglied.

Literatur

  • Block, Nils: Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP. Europäische Hochschulschriften: Reihe 2, Rechtswissenschaft; Bd. 3377. Lang, 2002. ISBN 3-631-39097-1.
  • Büdding, Meike: Parteischiedsgerichtsbarkeit auf Bundes- und Landesparteiebene unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1990 – 2000. Diss. Bocholt 2003
  • Hasenritter, Karl-Heinrich: Parteiordnungsverfahren. Heidelberg 1981. ISBN 3-76853781-1.
  • Henke, Wilhelm: Das Recht der politischen Parteien. Göttingen 1964/1972
  • Kerssenbrock, Trutz Graf: Der Rechtsschutz des Parteimitglieds vor Parteigerichten.
  • Kressel, Dietrich: Parteigerichtsbarkeit und Staatsgerichtsbarkeit. Berlin 1998

Einzelnachweise

  1. § 34 Organisationsstatut der SPD
  2. Ziffer 23 des Statutes des SED, zitiert nach Klaus Marxen, Gerhard Werle, Toralf Rummler, Petra Schäfter: Strafjustiz und DDR-Unrecht. de Gruyter Recht, Berlin 2002, ISBN 389949007X, Seite 655
  3. Ziffer 23 des Statutes des SED 1976, zitiert nach Klaus Marxen, Gerhard Werle, Toralf Rummler, Petra Schäfter: Strafjustiz und DDR-Unrecht. de Gruyter Recht, Berlin 2002, ISBN 389949007X, Seite 656
  4. Klaus Marxen, Gerhard Werle, Toralf Rummler, Petra Schäfter: Strafjustiz und DDR-Unrecht. de Gruyter Recht, Berlin 2002, ISBN 389949007X, Seite 655-657
  5. ZGB
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