Patronatserklärung

Patronatserklärung

Die Patronatserklärung ist der Sammelbegriff für in Inhalt und Umfang nicht normierte schuldrechtliche Erklärungen im Gesellschaftsrecht, wonach ein Unternehmen oder eine kommunale Gebietskörperschaft („Patron“) dafür sorgen will, dass eine kreditnehmende Tochtergesellschaft ihre Kreditverpflichtungen erfüllt.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Neben der Bürgschaft und Garantie hat sich die Patronatserklärung als eigenständiges Kreditsicherungsmittel in der Form einer Personalsicherheit entwickelt. Koch verfolgt sie bis einige Jahre vor 1967 zurück.[1] Für Rümker war sie noch ein Sammelbegriff für verschiedene Erklärungsvarianten, deren „juristische Bandbreite von Mitteilungen mit „Good Will“-Charakter bis zur Verpflichtung mit garantieähnlichem Inhalt reicht“.[2] Mosch zählt 1977 bereits 22 verschiedene Versionen auf.[3] Entsprechend hoch ist seitdem die Formulierungsbandbreite, die auch aus der fehlenden gesetzlichen Regelung resultiert.

Eine bankaufsichtsrechtliche Legaldefinition findet sich in der Großkredit- und Millionenkreditverordnung (§ 1 Abs. 2 GroMiKV) vom 29. Dezember 1997, die jedoch auf regulatorische Zwecke reduziert ist und deshalb keinesfalls allgemeinrechtlichen Anforderungen genügt: „Eine Patronatserklärung im Sinne dieser Verordnung ist eine Willenserklärung, die das (Kredit-)Institut verpflichtet, die Erfüllung der Verbindlichkeit eines anderen Unternehmens sicherzustellen.“

Inhalt und Umfang

Patronatserklärungen sind gesetzlich nicht geregelt und selten Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Deshalb werden Voraussetzungen, Inhalt und Reichweite in der Literatur behandelt.[4]

Allen Varianten gemeinsam ist jedoch der Anlass ihrer Entstehung. Mit ihrer Hilfe will der „Patron“ die Zweifel des Gläubigers an der Bonität seiner Tochtergesellschaft ausräumen, indem er bestimmte gläubigerschützende Formulierungen wählt. Rechtssystematisch lassen sich dabei generell zwei Varianten unterscheiden.

Die „weiche“ Patronatserklärung

ist eine für den „Patron“ rechtlich unverbindliche „Erklärung guten Willens“. Hierin erklärt der Patron lediglich, dass er (mehrheitlich) an der kreditnehmenden Tochtergesellschaft beteiligt ist (Beteiligungsklausel) und während der Kreditlaufzeit auch nicht beabsichtigt, diese Beteiligung zu veräußern (Absichtserklärung). Ferner wird der Patron seinen gesellschaftsrechtlichen Überwachungspflichten nachkommen (Kontrollklausel). Diese Fassung löst keine Bilanzierungspflicht aufgrund einer Eventualverbindlichkeit gemäß § 251 Satz 1 HGB aus. Weiche Patronatserklärungen, bei denen es sich um bloße Informationen über die Zahlungsfähigkeit einer Tochtergesellschaft oder um allenfalls moralisch verpflichtende Good-will-Erklärungen handelt,haben keinen rechtsgeschäftlichen Charakter und begründen damit keine irgendwie geartete Verbindlichkeit des Patrons,so dass die kreditgebende Bank keinen einklagbaren Anspruch hieraus ableiten kann. In einem solchen Fall ist grundsätzlich auch kein Raum für einen Anspruch der kreditgebenden Bank auf Schadenersatz aus Vertrauenshaftung bzw. Verschulden bei Vertragsabschluss.[5]

Die „harte“ Patronatserklärung

geht über den Erklärungsumfang der „weichen“ Form hinaus. Danach verpflichtet sich der Patron während der Kreditlaufzeit uneingeschränkt entweder im Innenverhältnis zu seiner Tochtergesellschaft oder im Außenverhältnis zu deren Gläubiger, seine Tochtergesellschaft derart zu leiten und finanziell so auszustatten, dass sie zur Erfüllung der gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten fristgemäß imstande ist (Ausstattungsverpflichtungsklausel[6]). Eine harte Patronatserklärung statuiert eine rechtsgeschäftliche Einstandspflicht des Patrons gegenüber dem Adressaten der Erklärung; sie löst eine Bilanzierungspflicht nach § 251 Satz 1 HGB „unterm Strich“ aus. Die Haftungsfolge hat der Bundesgerichtshof in einem grundlegenden Urteil bestätigt, wonach die Kreditinstitute aus einer „harten“ Patronatserklärung regelmäßig einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gegen den Patron haben.[7] Hier hatte der BGH - gestützt auf die herrschende Literaturmeinung - auch klargestellt, dass kreditnehmende Tochtergesellschaft und Patron nebeneinander wie Gesamtschuldner haften und nicht etwa wie ein Ausfallbürge anzusehen sind. Es genügt für die uneingeschränkte Haftung des Patrons der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit der kreditnehmenden Tochtergesellschaft.[8]

Eine von der Muttergesellschaft zugunsten ihrer Tochtergesellschaft abgegebene konzerninterne Patronatserklärung wird auch als Verlustdeckungszusage oder Verlustübernahmeerklärung bezeichnet. Sie begründet auch in der Insolvenz der Tochtergesellschaft zu deren Gunsten einen eigenen vom Insolvenzverwalter zu verfolgenden Ausstattungsanspruch gegen die Muttergesellschaft. Mit Hilfe einer konzerninternen Patronatserklärung, durch die sich die Muttergesellschaft gegenüber ihrer Tochtergesellschaft verpflichtet, dieser die zur Erfüllung ihrer jeweils fälligen Forderungen benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen, kann die Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft vermieden werden. Dies setzt jedoch - falls nicht der Tochtergesellschaft ein ungehinderter Zugriff auf die Mittel eröffnet wird - voraus, dass die Muttergesellschaft ihrer Ausstattungsverpflichtung tatsächlich nachkommt.

Die von der Muttergesellschaft dem Gläubiger ihrer Tochtergesellschaft erteilte externe Patronatserklärung verwandelt sich in der Insolvenz der Schuldnerin in eine Pflicht zur Direktzahlung an diesen. Eine solche konzernexterne Patronatserklärung schafft jedoch keine eigenen Ansprüche der Tochtergesellschaft gegen die Muttergesellschaft.

Anspruchsgrundlage

Anders als bei einer Bürgschaft, Garantie oder einem Schuldbeitritt beinhaltet die Patronatserklärung keine Übernahme einer vertraglichen Zahlungsverpflichtung des Patrons gegenüber den Gläubigern der Tochtergesellschaft, falls diese ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllt. Die Anspruchsgrundlage „Schadenersatz wegen Nichterfüllung“ aus den §§ 280 ff. BGB resultiert daraus, dass der Patron seiner finanziellen Unterstützungs- und Ausstattungspflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist, weil er seine Tochtergesellschaft eben verpflichtungswidrig nicht in die Lage versetzt hat, ihre von der Erklärung begünstigten Kredite fristgemäß zurückzuzahlen.

Patronatserklärungen einer kommunalen Gebietskörperschaft werden in ihrer rechtlichen Tragweite bezüglich EU-Beihilferecht mit einer Ausfallbürgschaft gleichgesetzt. Sie entfalten daher die gleiche Wirkung hinsichtlich der grundsätzlichen Notifizierungspflicht nach EU-Recht.

Auch wenn die Patronatserklärung eine typische Kreditsicherungsart für Konzernverbindungen darstellt,[9] so darf diese Erklärung nicht auf die Beziehung Muttergesellschaft-Tochtergesellschaft reduziert werden. Diese Erklärung kann auch bei ganz anders gearteten Rechtsbeziehungen oder wirtschaftlichen Interessenlagen abgegeben werden.[10]

Auslegungsfragen

Die juristische Bandbreite der Formulierungsalternativen einer Patronatserklärung macht sie der Auslegung zugänglich. Ausgangspunkt jeder Auslegung sind der Vertragswortlaut[11] sowie die Berücksichtigung der Interessen der Vertragspartner.[12] Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Auslegung des Rechtsbindungswillens.[13] Geringer Rechtsbindungswille ist eher bei privaten Patronen und Patronatserklärungen gegenüber einer größeren Zahl von Gläubigern oder gar der Allgemeinheit vorhanden.[14] Bei Kreditinstituten und Firmen indes geht die Literatur und Rechtsprechung eher davon aus, dass diese Kreise Begriffe und Formulierungen sorgsam auswählen. Deshalb kann hierbei in der Regel von einem eindeutigen Sachverhalt ausgegangen werden, sodass für eine weitere Auslegung kein Platz ist.

Bilanzierung

Bilanziert (genauer: vermerkt) wird die Patronatserklärung „unter der Bilanz“ des Patrons nach § 251 in Verbindung mit § 268 Abs. 7 HGB wie andere Eventualverbindlichkeiten, wenn sie die Voraussetzungen eines Gewährleistungsvertrages (bei „harten“ Patronatserklärungen) erfüllt. Dies ist ein eigenständiger bilanzrechtlicher Begriff, der jeden nicht als Bürgschaft zu qualifizierenden Vertrag erfasst, durch den die Verpflichtung begründet wird, für einen bestimmten Erfolg oder eine Leistung oder für den Nichteintritt eines bestimmten Nachteils einzustehen, soweit hiermit eine Vermögensbelastung verbunden sein kann. Über den Vermerk kann der Gläubiger letztlich erkennen, dass die ihm vorliegende Patronatserklärung aus Sicht des Patrons eine verpflichtende, justiziable Wirkung entfaltet. Verpflichtungen hieraus sind jedoch erst zu passivieren, wenn die Gefahr einer Inanspruchnahme ernsthaft droht (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB).

Bei ernsthaft drohender Inanspruchnahme des Patrons ist - an Stelle des Vermerks unter der Bilanz - die Passivierung als Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten vorzunehmen (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB), denn jede Verbindlichkeit - auch eine ungewisse - setzt eine Verpflichtung gegenüber einem Gläubiger aus einem Schuldverhältnis voraus.[15] Dem Patron droht ernsthaft eine Inanspruchnahme in der Krise oder der Insolvenz des kreditnehmenden Unternehmens, denn dann steht dem Gläubiger ein unmittelbar durchsetzbarer Anspruch gegen den Patron zu.[16][17]

Einzelnachweis

  1. Jens Koch, „Die Patronatserklärung“, Tübingen 2005, S. 11, ISBN 3161486749 virtuell zu finden in „Google Buchsuche“
  2. Rümker, WM 1974, S. 990
  3. Mosch, Patronatserklärungen, 1974, S. 12 ff.
  4. stellvertretend für viele: Jens Koch, „Die Patronatserklärung“, a.a.O.
  5. OLG Karlsruhe, ZIP 1992, 1394
  6. Jens Koch, a.a.O. S. 28 ff. und 78 ff.
  7. BGH WM 1992, 502 ff.
  8. BGH WM 1992, 502
  9. Jens Koch, a.a.O. S 66 f.
  10. Jens Koch, a.a.O., S. 19
  11. BGH WM 2000, 2371, 2372
  12. BGH WM 2001, 1863, 1864
  13. Peter Jung, Der Unternehmensgesellschafter als Personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 402 ff., ISBN 3161478622
  14. Peter Jung, a.a.O., S. 402
  15. BFH, Urteil vom 12. Dezember 1990, BFHE 163, 146; BStBl. II 1991, 479
  16. OLG München, ZIP 2004, 2102
  17. BFH, Urteil vom 25. Oktober 2006, Az: I R 6/05

Literatur

  • Holger Fleischer: Gegenwartsprobleme der Patronatserklärung im deutschen und europäischen Privatrecht. Wertpapier-Mitteilungen (WM). Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, 53. Bd. (1999), H. 14, S. 666-676.
  • Jörg Fried: Die weiche Patronatserklärung. Berlin: Duncker & Humblot 1998.
  • Dirk Hoffmann: Die Patronatserklärung im deutschen und österreichischen Recht. Frankfurt am Main, Bern u. a. 1989.
  • Nicola La Corte: Die harte Patronatserklärung; zugleich ein Plädoyer für eine geänderte Anlassrechtsprechung. Berlin: Duncker & Humblot 2006.
  • Sabine Leitner: Die Patronatserklärung. In: Österreichisches Bankarchiv, 2002, H. 7, S. 517-527.
  • Dietrich Reinicke (Begr.): Kreditsicherung. 5. Aufl. Neuwied: Luchterhand 2006.
  • Christian Ulrich Wolf: Die Patronatserklärung. Baden-Baden: Nomos 2005.
  • Georg Maier-Reimer / Peter Etzbach: Die Patronatserklärung (zugleich Besprechung von BGH NJW 2010, 3442 -STAR21-), NJW 16/2011, 1110
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