- Physikalisches Gesetz
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Ein physikalisches Gesetz oder auch Naturgesetz beschreibt (meist in mathematischer Form) Zustände und deren Änderungen eines physikalischen Systems mittels messbarer, eindeutig definierter physikalischer Größen (Parameter, Variablen).
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Physikalische Gesetze formulieren in der Regel Veränderungszusammenhänge: Sie beschreiben also, wie eine Ausgangssituation durch eine Verlaufsfunktion in eine Endsituation verändert wird.
Ein physikalisches Gesetz muss mit reproduzierbaren physikalischen Experimenten vereinbar sein. Im allgemeinen Sprachgebrauch gilt es dann auch als bestätigt.
Ein physikalisches Gesetz ist immer Teil einer physikalischen Theorie, die einheitlich und widerspruchsfrei sein muss und durch die Praxis bestätigt werden muss. Eine Theorie, deren Vorhersagen noch nicht bestätigt werden konnten, lässt sich genauer mit dem Begriff Hypothese charakterisieren (wie z. B. die Stringtheorie).
Eine geschlossene Theorie ist die Gesamtheit von Gesetzen, die ein ganzes Gebiet vollständig beschreiben, wie z. B. die Maxwellschen Gleichungen die gesamte Elektrodynamik beschreiben. Dies gilt allerdings wieder nur in den definierten Grenzen und Modellen (idealer Leiter, ideales Vakuum etc.).
Physikalische Gesetze sind meist in der Sprache der Mathematik verfasst, da diese die notwendige logische und konzeptionelle Klarheit besitzt. Hinzu kommen sprachliche Beschreibungen und Illustrationen der Zusammenhänge. Sowohl die einzelnen Begriffe als auch der Geltungsbereich müssen hierbei definiert sein.
Die wissenschaftlich akzeptierten physikalischen Gesetze bestimmen das im 20. Jahrhundert vorherrschende materielle Weltbild. Es steht im Gegensatz zu einem Weltbild, in dem sich die Natur nicht ausschließlich entsprechend beobachtbarer Gesetzmäßigkeiten verhält, sondern auch entsprechend anderen (nicht beobachtbaren) Prinzipien, wie z. B. entsprechend dem Willen höherer Wesen oder des Confinements.
Naturgesetze als Spiegel des wissenschaftlichen Fortschritts
Im Laufe der Zeit wurden immer wieder scheinbar unabhängige Gesetze auf jeweils einen zu Grunde liegenden Zusammenhang zurückgeführt. Ein Beispiel hierfür sind die zahlreichen in der Mechanik beschriebenen Kräfte und die Gesetze ihres Wirkens, die letzten Endes alle auf elektromagnetische Wechselwirkungen und die Gravitation zwischen und in den beteiligten Körpern zurückgeführt werden können.
Der Übergang von der Newton'schen Physik zur Relativistik Albert Einsteins zeigt, wie sich als unumstößlich erkannt geglaubte Gesetze dann doch nur als Modell für einen Spezialfall (nämlich für kleine Geschwindigkeiten und Massen) erweisen.
Diese Überlegung führt zur Suche nach "letzten" und grundlegenden Gesetzen, einem Weltgesetz, mit dem "alles" erklärt und aufgebaut werden kann, vergleichbar den mathematischen Axiomen. "Stringtheorie", "Quantengravitation" und "Große Vereinheitlichte Theorie" sind Beispiele für diese Bemühungen.
Jedes Naturgesetz, das auf ein allgemeineres Gesetz zurückgeführt werden kann, hat nur noch den Rang eines Modells. Dies ist ein Argument für die Vermutung, alle uns bekannten Naturgesetze seien tatsächlich nur Konstrukte des menschlichen Geistes.
Die Bezeichnung Natur"gesetz" legt nahe, die Natur verhalte sich ähnlich wie Personen unter dem Zwang von Gesetzen; tatsächlich ist die Physik aber eine Erfahrungswissenschaft, und die von ihr aufgestellten "Gesetze" sind nur Beschreibungen des vorgefundenen Verhaltens.
Formulierungsschema
Um die Vorgänge exakt zu beschreiben, werden Naturgesetze meist mathematisch formuliert. Ein Beispiel dafür ist das Gravitationsgesetz von Isaac Newton. Es lautet: Die Anziehungskraft F zwischen zwei Massen m1 und m2 ist proportional der Größe der Massen und umgekehrt proportional zum Abstandquadrat r2.
G ist dabei ein Proportionalitätsfaktor, der die Massen m1 und m2 und das Inverse des Abstandsquadrats 1 / r2 miteinander in Relation setzt. Da dieser als Gravitationskonstante bezeichnete Faktor in allen untersuchten physikalischen Systemen den exakt gleichen Wert besitzt und eine fundamentale physikalische Wechselwirkung (die Anziehung von Massen untereinander) beschreibt, spricht man von einer Naturkonstanten.
Beispiele für Naturgesetze
- Newtons Gravitationsgesetz (siehe oben)
- Licht breitet sich im Vakuum mit einer universellen Geschwindigkeit aus (Lichtgeschwindigkeit).
- die Hauptsätze der Thermodynamik
- Thermische Zustandsgleichung idealer Gase
- Ohm’sches Gesetz
Kein Naturgesetz
Die Abgrenzung was ein Naturgesetz ist und was keines, ist nicht immer ganz scharf.
Naturgesetze, die als solche widerlegt wurden (Vermeintliche Naturgesetze)
- Die Genetische Information fließt immer von der DNA zur RNA und nicht umgekehrt.
- Dieses Dogma der Genetik wurde mit dem Auftauchen der Retroviren wie zum Beispiel HIV und ihre reverse Transkriptase widerlegt.
- Chromosomen und Gene sind unteilbare Einheiten der Vererbung
- Dieser Gedanke der Genetik des frühen zwanzigsten Jahrhunderts wurde durch die Existenz der springenden Gene beim Mais (Transposition) widerlegt.
- Das Licht braucht den Äther als Trägermedium.
- Die Ätherlehre wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts durch genaue Messungen der Lichtgeschwindigkeit abgeschafft.
- Leben entsteht immer wieder neu. (Urzeugungstheorie)
- Organische Stoffe können nicht aus anorganischen hergestellt werden – es wird eine Art „Lebenskraft“, die vis vitalis benötigt.
- Durch Friedrich Wöhlers erfolgreiche Harnstoffsynthese widerlegt.
- Phlogiston (griechisch phlogistós – verbrannt) oder Caloricum ist eine hypothetische Substanz, von der man im späten 17. und 18. Jahrhundert glaubte, dass sie allen brennbaren Körpern bei der Verbrennung entweicht, sowie bei Erwärmung in sie eindringt.
- Die Phlogiston-Theorie wurde Ende des 18. Jahrhunderts von Antoine Lavoisier durch die Oxidationstheorie abgelöst. Er untersuchte die Gewichtsveränderung verschiedener Stoffe bei Oxidation bzw. Reduktion und entdeckte, dass das gerade entdeckte Element Sauerstoff dabei die entscheidende Rolle spielt.
Historisches Ereignis
- Der genetische Code gilt für alle Lebewesen gleichermaßen.
- Die Aussage ist (abgesehen von einigen Cyanobakterien) wahr, beruht aber auf einem historisch einmaligen Ereignis (der Evolution des genetischen Codes), nicht auf einer Gesetzmäßigkeit.
- Der Mensch und der Affe haben gemeinsame Vorfahren.
- Die Aussage ist ebenfalls wahr, gilt aber nur für die genannten Arten (Mensch und Affe) und kann daher kein Gesetz mit universeller Gültigkeit sein.
Mathematischer Lehrsatz
Viele mathematische Sätze enthalten wichtige Aussagen, die in der Naturwissenschaft und anderswo genutzt werden. Der Satz Die Winkelsumme im Dreieck in der Ebene beträgt 180 Grad ist korrekt. Er ist aber nach allgemeiner Ansicht kein Naturgesetz, sondern ein mathematischer Lehrsatz, der auf gewissen Grundaxiomen der Geometrie beruht.
Empirisches Gesetz
In den angewandten Wissenschaftszweigen und der der Technik verwendet man zahlreich Formeln, die gewisse Zusammenhänge physikalischer Messgrößen hinreichend beschreiben, ohne dass die zugrundeliegenden Zusammenhänge eindeutig klar sind: Sie „funktionieren“ einfach, „erfahrungsgemäß“ und „gut genug“. Das nennt man empirische Formel oder empirisches Gesetz.
Diese Formeln sind keine Gesetzmäßigkeiten im physikalischen Sinne, ihnen fehlt die theoretische Grundlage. Teilweise handelt es sich jedoch um Idealfälle oder Vereinfachungen von Naturgesetzen, deren Ungenauigkeit sich in bekanntem Rahmen hält, und für eine spezifische Anwendung hinreichend genau ist.
Andererseits müssen empirische Formeln oder Formelsätze aber nicht einmal unbedingt auf die korrekten Einheiten Rücksicht nehmen und benutzen oft ebenso empirische Kenngrößen (dimensionslose Kennwerte). Im Extremfall nennt man sie dann Faustregel.
Literatur
- Gerhard Vollmer: Was sind und warum gelten Naturgesetze? - Philosophia naturalis, Journal for the Philosophy of Nature, Dez. 2000, Band 37/2 - (Zusammenfassung)
- Erwin Schrödinger: Was ist ein Naturgesetz? - Beiträge zum naturwissenschaftlichen Weltbild - 5. Aufl. - München : Oldenbourg, 1997. (Scientia nova) - ISBN 3-486-56293-2
- David Armstrong: What Is a Law of Nature?, Cambridge University Press, 1983 S. L. Goldman: Review
- Alfred Jules Ayer: What is a law of nature?, in: Revue Internationale de Philosophie 10 (1956), 144-65, auch in: Curd/Cover 1998
- Helen Beebee: The Non-Governing Conception of Laws of Nature, in: Philosophy and Phenomenological Research 61 (2000), 571-594.
- Nancy Cartwright: How the Laws of Physics Lie, Oxford University Press 1983
- M.Curd, J. A. Cover (Hgg.): Philosophy of Science: The Central Issues, W.W. Norton & Company 1998, v.a. 808-877
- Fred Dretske: Laws of Nature, in: Philosophy of Science 44 (1977), 248-268.
- John Foster: The Divine Lawmaker: Lectures on Induction, Laws of Nature, and the Existence of God, Oxford: Clarendon Press, 2004. Evan Fales: Review, in: Notre Dame Philosophical Reviews 2004
- R.N. Giere: Science Without Laws, Chicago: University of Chicago Press 1999
- Carl Gustav Hempel: Aspects of Scientific Explanation, New York: Free Press 1965
- William Kneale: Natural Laws and Contrary-to-Fact Conditionals, in: Analysis 10 (1950), 121-25.
- M. Lange: Natural Laws in Scientific Practice. Oxford: Oxford University Press 2000
- John Leslie Mackie: The Cement of the Universe, Oxford University Press 1974
- S. Mumford: Laws in Nature, Routledge Stathis Psillos: Review
- Karl Popper: A Note on Natural Laws and So-Called Contrary-to-Fact Conditional, in: Mind 58 (1949), 62-66.
- Patrick Suppes (Hg.): The Structure of Scientific Theories, Urbana: University of Illinois Press 2. A. 1977
- Michael Tooley: The Nature of Laws, in: Canadian Journal of Philosophy 7 (1977), 667-698
- Bas van Fraassen: Laws and Symmetry, Oxford: Clarendon Press 1989
Populäre Literatur
- Richard P. Feynman: Vom Wesen physikalischer Gesetze. Piper, München 1990 ISBN 3-492-03321-0
Weblinks
Wikiquote: Naturgesetz – Zitate- Yuri V. Balashov: What is a Law of Nature? The Broken-Symmetry Story, in: The Southern Journal of Philosophy 40 (2002), 459-473
- John W. Carroll: Laws of Nature, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)
- John W. Carroll: Nailed to Hume's Cross?, in: John Hawthorne, Ted Sider, Dean Zimmerman (Hgg.): Contemporary Debates in Metaphysics, Oxford: Basil Blackwell 2007
- Nancy Cartwright: Philosophy of Science: Laws
- Antony Eagle: Laws of Nature (Seminarunterlagen: Causation and Explanation, Oxford 2005)
- W. Russ Payne: What a Law of Nature is
- Jonathan Schaffer: Causation and Laws of Nature: Reductionism, in: Hawthorne/Sider/Zimmerman 2007
- Markus Schrenk: Bibliography on Laws of Nature, AHRC, Nottingham 2011.
- Norman Swartz: Laws of Nature in der Internet Encyclopedia of Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)
- Joe LoVetri: On the Metaphysics of Laws of Nature, Diss. Winnipeg, Manitoba 1993
- Aufsätze zum Thema Laws of Nature in PhilSci Archive
Videos
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