Polymilchsäure

Polymilchsäure
Sparschwein aus PLA

Polylactide, die auch Polymilchsäuren (kurz PLA, vom englischen Wort polylactic acid) genannt werden, sind durch Wärmezufuhr verformbare Kunststoffe (siehe dazu Thermoplaste). Sie sind aus vielen, chemisch aneinander gebundenen Milchsäuremoleküle aufgebaut, gehören also zu den Polymeren. Polylactid-Kunststoffe sind biokompatibel. Entdeckt wurde der Kunststoff 1932 von Wallace Hume Carothers, einem Mitarbeiter von DuPont. Erst 2002 wurde von NatureWorks LLC die erste kommerzielle Anlage zur Herstellung des Kunststoffes mit einer Kapazität von 150.000 Tonnen gebaut. In Europa wird bis Mitte 2012 eine Produktionsanlage in Guben (Brandenburg) in Zusammenarbeit von Pyramid Technologies Ltd. aus Zug (Schweiz) und der German Bioplastics GmbH aus Guben mit einer Jahreskapazität von 60.000 Tonnen errichtet [1]. Zu den größten Herstellern weltweit gehören: Mitsui Toatsu Chemical (Japan), Cargill Dow Polymers (USA), Shimadzu Corporation (Japan), Kanebo Goshen (Japan), Rodenburg Biopolymers (Niederlande) und Galactic (Belgien).

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

PLA-Becher

Polylactide zählt man zu den Polyhydroxysäuren. Diese aufgrund des asymmetrischen Kohlenstoffatoms optisch aktiven Polymere treten in der Form von D- oder als L-Lactide auf.

Die Eigenschaften der Polylactide hängen vor allem von der Molekülmasse, dem Kristallinitätsgrad und gegebenenfalls dem Anteil von Copolymeren ab. Eine höhere Molekülmasse steigert die Glasübergangs- sowie die Schmelztemperatur, die Zugfestigkeit sowie den E-Modul und senkt die Bruchdehnung. Aufgrund der Methylgruppe verhält sich das Material wasserabweisend (hydrophob), wodurch die Wasseraufnahme und somit auch die Hydrolyserate der Hauptbindung gesenkt wird. Weiterhin sind Polylactide in vielen organischen Lösungsmitteln löslich (z. B. Dichlormethan, Trichlormethan; durch Zugabe eines Lösungsmittel (z.B. Ethanol) in dem das Polylactid schlechter löslich ist kann es wieder ausgefällt werden). Zur Verbesserung der Gebrauchseigenschaften der Polylactide können diese bei ihrer Verarbeitung (z.B. Spritzguss, Extrusion (Verfahrenstechnik) auch faserverstärkt werden.

PLA wird auf Grund seiner Umweltverträglichkeit von gemeinnützigen Verbänden (vor allem aus dem Landwirtschafts- und Umweltssektor) beworben. Diese beruht teilweise darauf, dass PLA eine gewisse Biodegradabilität aufweist, d.h. durch natürliche Prozesse abgebaut werden kann, allerdings sind hierfür bestimmte Umweltbedingungen nötig wie sie in der Regel nur in industriellen Kompostieranalgen zu finden sind. Zudem ist die Abbaubarkeit stark von chemischen Zusammensetzungen, sowie dem Einsatz eventueller Copolymere abhängig. Unter industriellen Kompostbedingungen vollzieht sich der Abbau jedoch innerhalb weniger Monate. In der Natur wird sich PLA in dem meistern Fällen nicht zersetzen. Des Weiteren wird PLA aus einen nachwachsendem Rohstoff gewonnen, was es im Vergleich zu erdoelbasierten Polymeren zu einem nachhaltigen Material macht, allerdings liegt der Energieaufwand bei der Herstellung auf einem ähnlichen Niveau wie Polypropylen.

Synthese

Reaktionsdarstellung von Lactid zu Polylactid durch Ringöffnungspolymerisation

Polylactide sind vor allem durch die ionische Polymerisation von Lactid, einem ringförmigen Zusammenschluss von zwei Milchsäuremolekülen, zugänglich. Bei Temperaturen zwischen 140 und 180 °C sowie der Einwirkung katalytischer Zinnverbindungen (z. B. Zinnoxid) findet eine Ringöffnungspolymerisation statt. So werden Kunststoffe mit einer hohen Molekülmasse und Festigkeit erzeugt. Lactid selbst lässt sich durch Vergärung von Melasse oder durch Fermentation von Glukose mit Hilfe verschiedener Bakterien herstellen.

Darüber hinaus können hochmolekulare und reine Polylactide mit Hilfe der so genannten Polykondensation direkt aus Milchsäure erzeugt werden. In der industriellen Produktion ist allerdings die Entsorgung des Lösungsmittels problematisch.

Verwendung

Kugelschreiber aus Polymilchsäure (PLA)

PLA weist zahlreiche Eigenschaften auf die für vielerlei Einsatzgebiete von Vorteil sind: Eine geringe Feuchtigkeitsaufnahme mit hoher Kapillarwirkung, dadurch geeignet für Sport- und Funktionsbekleidung. Eine geringe Flammbarkeit, hohe UV-Beständingkeit und Farbechtheit wodurch Anwendungen im Möbelbereich für Innen- und Außenbereiche denkbar werden. Zudem ist die Dichte von PLA relative gering, wodurch es sich auch für Leichtbauanwendungen eignet. Typische Verarbeitungsmethoden für PLA sind Extrusion, Thermoformen, Spritzguss, Blasformen,Faserspinnen, Verstrecken oder auch das Aufschäumen.

Verpackung

Ihr größtes Anwendungsgebiet finden Polylactide in der Verpackungsindustrie, da ihre plastischen Eigenschaften sehr denen von Polyethylenterephthalat (PET) ähneln. Insbesondere seine Transparenz und Ungiftigkeit prädestinieren PLA für einen Einsatz im Lebensmittelverpackungsbereich. Der Preis von PLA von über 3 EUR pro Kilo [2] ist deutlich höher als vergleichsweise der von PET, jedoch wird davon ausgegangen, dass die Produktionskosten von PLA in den kommenden Jahren mit steigenden Produktionszahlen sinken werden. Experten schätzen, dass der Markt für Biokunststoffe bis zum Jahre 2020 um 20 bis 25 % pro Jahr wächst [3]. PLA eignet sich neben dem Einsatz für Verpackungen auch für Einmalbesteck, oder Trinkbecher. Auch gibt es bereits erste Trinkflaschen aus PLA, die äußerlich kaum von PET zu unterscheiden sind.

Medizintechnik

Einer der wichtigsten Anwendungsbereich derzeit, dürfte die medizinische Anwendung sein. PLA steht auf Grund seiner Abbaubarkeit und seiner Biokompatibilität für zahlreiche Anwendungen zur Verfügung. Die Fähigkeit des menschlichen Körpers PLA abzubauen, wurde bereit 1966 das erste Mal beobachtet [4]. PLA, oft in Verbindung mit einem Co-Polymer, eignet sich zum Beispiel als Nahtmaterial. Auch ist es möglich Implantate aus PLA herzustellen, die abhängig von der chemischen Zusammensetzung, Porosität und Kristallinität, einige Monate bis zu mehreren Jahren im Körper verbleiben bis sie abgebaut sind. Auch die mechanischen Eigenschaften werden von diesen Faktoren beeinflusst, wodurch sich Implantate für unterschiedliche Anwendungen realisieren lassen. Dazu gehören zum Beispiel Nägel und Schrauben, aber auch Platten oder Stent. Allen Implantaten ist jedoch gemein, dass ein zweiter Eingriff um das Implantat wieder zu entfernen in der Regel entfällt, wodurch den Patienten eine zweite Operation erspart werden kann. PLA eignet sich auch als Gerüstmaterial für das Tissue Engineering. Hierfür werden poröse Strukturen aus PLA-Fasern hergestellt, an die sich unterschiedliche Zell-Typen, abhängig von der Porengröße, anlagern können.

Verbundwerkstoffe

Neben Anwendungen im Verpackungsbereich und der Medizintechnik, besitzt PLA auch großes Potential als Matrixmaterial für Verbundwerkstoffe. Durch die Verbindung von PLA mit Naturfasern lassen sich biologisch abbaubare Verbundwerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen welche eine Alternative zu den konventionellen glasfaserverstärkten oder gefüllten Kunststoffen darstellen. Durch seinen thermoplastischen Charakter ist PLA für den Einsatz im (Naturfaser-)Spritzguss- und Extrusionsbereich geeignet. Bereits realisierte Bauteile sind zum Beispiel Aschekapsel für Urnen, aber auch Sitzunterflächen von Bürostühlen. Auch wurde bereits ein Prototyp für eine Handyoberschale entwickelt. Durch den Zusatz hoch dehnbarer Naturfasern ließ sich ein Werkstoff herstellen, der in der Lage ist mit den heutzutage gängigen rohölbasierten Kunststoffen zu konkurrieren.

Neben den vergleichsweise hohen Kosten ist vor allem die geringe Temperaturbeständigkeit von PLA ein Problem bei der Anwendung im industriellen Bereich. Da der Kunststoff bereits bei etwa 50-60 °C weich wird, eignet er sich nur für Anwendungen im moderaten Temperaturbereich, was für viele dauerhafte Anwendungen nicht akzeptabel ist. Durch eine Verstärkung mit Naturfasern lässt sich die Temperaturbeständigkeit in einen Bereich von etwa 100 °C erhöhen und gleichzeitig könnten die Kosten durch die Einbringung der günstigeren Naturfaser bezogen auf das Preis-Leistungs-Verhältnis verringert werden.

Einzelnachweise

  1. k-zeitung online,"96 Mio. EUR für PLA-Produktion in Guben", 29.10.2008
  2. Michael Carus, Christian Gahle, Cezar Pendarovski, Dominik Vogt, Sven Ortmann, Franjo Grotenhermen, Thomas Breuer, Christine Schmidt: “Studie zur Markt- und Konkurrenzsituation bei Naturfasern und Naturfaserwerkstoffen (Deutschland und EU)” Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), 2008
  3. Severin Beucker,Frank Marscheider-Weidemann unter Mitarbeit von Michael Carus, „Zukunftsmarkt Biokunststoffe“, Fallstudie im Auftrag des Umweltbundesamtes im Rahmen des Forschungsprojektes Innovative Umweltpolitik in wichtigen Handlungsfeldern, Dezember 2007
  4. RK Kulkarni, KC Pani, C Neuman, F Leonard, “Polylactic acid for surgical implants”, Archives of surgery, Ausgabe 93, Nr. 5, 1966, S. 839-843

Literatur

  • Caroline Baillie (Hrsg.):“Green composites – Polymer composites and the environment“, Woodhead Publishing Limited, Cambridge, 2004, ISBN 1-85573-739-6
  • Amar K. Mohanty, Manjusri Misra, Lawrence T. Drzal, (Hrsg.): “Natural fibers, biopolymers, and biocomposites”, Taylor & Francis Group, Boca Ranton, FL 2005, ISBN 084931741X
  • Ray Smith (Hrsg.): „Biodegradable polymers for industrial applications“, Woodhead Publishing Limited, Cambridge, 2005, ISBN 1-85573-934-8
  • Bhuvanesh Gupta, Nilesh Revagade, Joens Hilborn, „Poly(lactic acid) fiber: An overview“, Progress in Polymer Science Ausgabe 32, 2007, S. 455–482
  • L.-T. Lima,R.Aurasb, M. Rubino, „Processing technologies for poly(lactic acid)“, Progress in Polymer Science Ausgabe 33, 2008, S. 820–852
  • Koichi Goda, Yong Cao, „Research and Development of Fully Green Composites Reinforced with Natural Fibres“, Journal of Solid Mechanics and Solid Engineering, Ausgabe 1, Nummer 9, 2007, S. 1073-1084
  • A.P. Gupta, Vimal Kumar, “ New emerging trends in synthetic biodegradable polymers – Polylactide: A critique“, European Polymer Journal Ausgabe 43, 2007, S. 4053–4074
  • K. Van de Velde, P. Kiekens, „Material Properties, Biopolymers: overview of several properties and consequences on their applications“, Polymer Testing Ausgabe 21, 2002, S. 433–442
  • „Introduction to Polylactic acid (Pla)“ in „Environmental Briefs of Common Packaging Materials“, GreenBlue, Charlottesville, VA 2008
  • „Highlights in Bioplastics“, Interessengemeinschaft Biologisch Abbaubare Werkstoffe e.V., Berlin 2005

Weblinks


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