Extrusion (Verfahrenstechnik)

Extrusion (Verfahrenstechnik)

Bei der Extrusion (von lateinisch extrudere = hinausstoßen, -treiben) oder dem Strangpressen werden feste bis dickflüssige härtbare Massen unter Druck kontinuierlich aus einer formgebenden Öffnung (auch als Düse, Matrize oder Mundstück bezeichnet) herausgepresst. Dabei entstehen Körper mit dem Querschnitt der Öffnung in theoretisch beliebiger Länge.

Inhaltsverzeichnis

Verfahren

Produkte der Extrusionstechnik finden sich in zahlreichen Anwendungsgebieten wieder. Abhängig von den Eigenschaften des zu verarbeitenden Materials, der Druckerzeugung und dem gewünschten Ergebnis lassen sich unterschiedliche Verfahren unterscheiden. Bei der Kaltextruktion wird mit niedrigen Drücken, Temperaturen und Scherkräften, bei der Warmextrusion mit höheren Temperaturen und bei der Heißextrusion sowohl mit hohen Drücken und Temperaturen gearbeitet.

Bauformen des Extruders

Kolbenextruder

Kolbenextrusion von Knetmasse mit einem Kinderspielzeug.

Bei dieser Bauform wird der Druck mittels eines Kolbens erzeugt (engl. ram extrusion). Kolbenextruder werden vor allem eingesetzt, wenn sich das zu verarbeitende Material nicht mittels Schneckenextrudern verarbeiten lässt oder ein häufiger Produktwechsel durchgeführt werden soll.

Kolbenextruder werden häufig für keramische Materialien verwendet. Schneckenextruder haben in der Keramikproduktion den gravierenden Nachteil, dass sich die Schnecken durch die hochabrasive Keramikmasse schnell abnutzen. Auch andere Materialien, die empfindlich auf hohe Scherkräfte reagieren, sind durch Kolbenextrusion besser produzierbar. Kolbenextruder können schnell gereinigt werden und haben nur wenig Kontaktfläche zur Extrusionsmasse.

Durch einsetzen von großen Kolbendurchmessern und Zylinderlängen kann auch eine semikontinuierliche Produktion betrieben werden. Auch das parallel schalten von zwei Kolbenextrudern kann dies noch optimieren.

Schneckenextruder

Schematische Darstellung eines Schneckenextruders.
3 Zonen Schnecke

Bei dieser Bauform wird der Druck mittels einer Schneckenwelle, auch Schnecke genannt erzeugt. Sie steckt in dem so genannten Schneckenzylinder, dessen Nenndurchmesser gleich dem Außendurchmesser der Schnecke ist. Am vorderen Ende des Schneckenzylinders befindet sich die formgebende Auslassöffnung. Am hinteren Ende des Zylinders befindet sich der Antrieb, in den meisten Fällen ein Elektromotor mit Getriebeeinheit, der für die Rotation der Schnecke sorgt.

Die zu verarbeitenden Materialien werden der Schnecke meist kontinuierlich über einen Trichter von oben zugeführt. Entscheidend ist bei mehreren Komponenten die exakte und reproduzierbare Dosierung. Man unterscheidet in Abhängigkeit vom Regelungsmechanismus zwischen gravimetrischen und volumetrischen Dosierungen. Weitere Komponenten können über Seitenbeschickung, Nadelventile etc. in den Schneckenzylinder eingebracht werden. In der Kunststoffverarbeitung sind dies z. B. sogenannte Masterbatches (Färbemittel), Verstärkungsfasern, Alterungsschutzmittel oder Weichmacher.

Die Schnecke selbst wird im Allgemeinen in drei Zonen aufgeteilt, die unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Im hinteren Bereich des Schneckenzylinders befindet sich die sogenannte Einzugszone. In dieser wird das zu extrudierende Material welches z. B. als Feststoff in Form von Granulat oder Pulver vorliegt, über einen Trichter eingespeist („Fütterung“) und ggf. aufgeschmolzen (bei Thermoplasten). Durch die Drehung der Schnecke wird das Material weiterbefördert. An diese schließt sich die Kompressionszone an, in der das Material durch die verringerte Gangtiefe der Schnecke weiter verdichtet und damit der für den Austrag im Werkzeug notwendige Druck aufgebaut wird. Abschließend sorgt die Austragszone bzw. Meteringzone für einen homogenen Materialstrom zum Werkzeug hin.

Die Form bzw. Bauart der Schnecken bestimmt die Eigenschaften.

  • Barriereschnecke
Schnitt durch die Aufschmelzzone einer Standardschnecke
Barriereschnecke
Schnitt durch die Aufschmelzzone einer Barriereschnecke

Bei der Barriereschnecke ist zu Beginn der Barrierezone ein zusätzlicher Steg angebracht, dessen Höhe geringer ist als die des Hauptstegs. Dieser Steg wird als Barrieresteg bezeichnet. Durch den Barrieresteg wird der Schneckenkanal in Schmelze und Feststoffkanal aufgeteilt. Die Spaltweite ist so klein, dass keine Feststoffteilchen über den Steg in den dahinterliegenden Schmelzekanal gelangen können. Durch die Trennung von Schmelze und Festkörper ist ein besserer Aufschmelzvorgang gewährleistet, da keine Feststoffinseln in der Schmelze herum schwimmen können. In der Austragszone einer Barriereschnecke sind Homogenisierelemente wie Scher- und Mischteile vorhanden. Gegen Ende der Barrierezone wird der Feststoffkanal kleiner und der Schmelzekanal größer. Dadurch werden die verbleibenden Festkörper durch Dissipation gezwungen, auch in Schmelze zu gehen.

Weitere Bauformen

  • Kaskadenextruder
  • Planetenextruder

Vorteile des Extrusionsverfahren

Als Vorteile des Verfahrens gelten die Möglichkeit komplexe Formen zu erstellen und sprödes bzw. weiches Material zu verarbeiten.

Anwendungen & Produkte

Produkte der Extrusionstechnik finden sich in zahlreichen Anwendungsgebieten wieder z.B. Bauindustrie (Hoch- und Tiefbau), Automobilindustrie, Luftfahrtindustrie, Medizintechnik, Möbelindustrie (vor allem Küchen- oder Büromöbel), Messebau, Verpackungen, Agrareinsatz, Schlauchanwendungen und Granulierung.

Beispiele für Produkte, welche durch Extrusion erzeugt wurden sind

  • Rohre, Stäbe (Halbzeug)
  • Profile wie Fensterrahmen, Kabelkanäle oder Dichtungen
  • Ummantelungen, wie z. B. für Elektrokabel
  • Schläuche
  • Platten mittels Breitschlitzdüse, welche nach der Fertigung bei Bedarf durch Thermoformung umgeformt werden können.
  • Folien (mittels Blaskopf oder Breitschlitzdüse und nachgeschaltetem Kalander)
  • Laufflächen von Autoreifen
  • Kleinere Autoteile (Innentürverkleidungen, Rückspiegelfassungen)
  • Wischgummi beim Scheibenwischer
  • Fahrradfelgen
  • Keil- und Zahnriemen durch Zuführen von Kupferdraht durch den Extruderkopf
  • Türdichtungen
  • Extrudierte Polystyrol-Hartschaumplatten (XPS)
  • Keramik und Ziegel

Kunststoffindustrie

Ein Drainagerohr welches mittels Extrusion hergestellt wurde.

Kunststoff und Kunststoffgranulate, auch Compound-Granulate

Durch Extrusion können beispielsweise nahtlose Platten, Rohre und Profile mit über der Länge konstantem Querschnitt hergestellt werden. Auch Kunststoffbehälter, wie Flaschen, Dosen oder Kraftstofftanks werden durch Extrusion hergestellt. Ein extrudierter Schlauch wird von einer Form umschlossen und mittels Druckluft an die Werkzeugwand geblasen. In diesem Fall spricht man von Extrusionsblasformen. Das wichtigste Produkt aus Wood-Plastic-Composite (WPC) sind Terrassendielen.

Extruder für Kunststoff-Fußleisten

Neben der Lebensmittelindustrie ist die Kunststoffindustrie ein Hauptabnehmer für Extruder. Hier werden zusätzlich zum oben genannten Aufbau Heizbänder am Schneckenzylinder befestigt, die das eingefüllte Kunststoffgranulat oder -pulver aufschmelzen (plastifizieren). Extruder müssen nicht nur beheizt werden. Einige verfahrenstechnische Aufgaben machen auch das Kühlen des plastifizierten Kunststoffes notwendig. Dies erfolgt entweder durch Kühlgebläse oder in den Zylinder des Extruders eingearbeitete Kühlkanäle, die mit einem Kühlmedium, z. B. unter Druck stehendem Wasser, durchströmt werden. Je nach Art des verwendeten Kunststoffes ist weitere Ausrüstung nötig, zum Beispiel zum Abpumpen von Gasen, die Blasen im Endprodukt hinterlassen würden. Das verwendete Material ist auch maßgeblich bestimmend für die Form der Schnecke. So kann die Steigung, die Anzahl der Windungen und die Breite der Schneckengänge je nach Kunststoff vollkommen unterschiedlich sein.

In der Regel sind zur Herstellung von Kunststoff-Produkten nach der Düse weitere Maschinen nötig.

Dazu wird der Kunststoff bzw. das Extrudat zunächst durch einen Extruder (auch Schneckenpresse genannt) mittels Heizung und innerer Reibung aufgeschmolzen und homogenisiert. Weiterhin wird im Extruder der für das Durchfließen der Düse notwendige Druck aufgebaut. Nach dem Austreten aus der Düse erstarrt der Kunststoff meist in einer wassergekühlten Kalibrierung. Das Anlegen von Vakuum bewirkt, dass sich das Profil an die Kaliberwand anpresst und somit die Formgebung abgeschlossen wird. Im Anschluss darauf folgt oft noch eine Kühlstrecke in Form eines gekühlten Wasserbades. Der Querschnitt des so entstehenden geometrischen Körpers entspricht der verwendeten Düse oder Kalibrierung. Die möglichen Fertigungstoleranzen bewegen sich im Bereich von ±0,05 mm. Ein analoges, auf demselben Urformprinzip basierendes Verfahren, das bei der Heißumformung von Metallen zum Einsatz kommt, bezeichnet man als Stranggießen.

Das Zusammenführen von artgleichen oder fremdartigen Materialien vor dem Verlassen der Profildüse wird auch Coextrusion genannt. Hier unterscheidet man einstufige und zweistufige Verfahren:

  • Einstufige Verfahren

Beim Einstufenprozess, auch Direktextrusion genannt, werden z.B. die Holzpartikel und das Kunststoffgranulat für Wood-Plastic-Composites am gleichen Ort zur gleichen Zeit dem Extruder zugeführt. Für Einstufenprozesse werden meist konische, gegenläufige Doppelschneckenextruder eingesetzt, die die Aufgabe des intensiven Mischens und eines erforderlichen Druckaufbaus für das Extrudieren gleichzeitig erfüllen.

  • Zweistufige Verfahren

Im zweistufigen Extrusionsprozess werden Kunststoffgranulat und Holzpartikel in parallelen Doppelschneckenextrudern (Compoundern), Heiz-Kühl-Mischern oder Pelletierpressen zuerst gemischt und kompaktiert. Die eigentliche Extrusion findet dann in einem anderen, direkt gekoppelten oder räumlich und zeitlich getrennten Aggregat statt. Die im zweistufigen Verfahren erzeugten WPC-Zwischenprodukte können neben der Extrusion auch im Spritzguss, Rotationsguss oder in der Plattenpresstechnik eingesetzt werden.

Rohr- und Profilextrusion

Bei der Rohr- oder Profilextrusion muss das extrudierte Material danach in einem Kalibriertisch in Form gehalten werden, bis es abgekühlt ist. Sonst sackt es in sich zusammen und verformt sich. Herzstück des Kalibriertisches ist die Kalibrierhülse, die primär dem Formerhalt des Rohrs oder Profils dient. Sie ist direkt hinter der Düse des Extruders angebracht. Sie besteht aus einem Metallblock, der innen exakt den Querschnitt des Rohrs oder Profils aufweist. Das extrudierte Rohr oder Profil läuft also durch die Kalibrierhülse. Für den Formerhalt des Profils wird im Inneren der Hülse vor allem mit Vakuum gearbeitet. Vakuumöffnungen an unterschiedlichen Stellen in der Hülse entlang des Querschnitts saugen das Profil an die Innenwände, Wasser um- und durchspült dabei das Profil, bis es abgekühlt ist. Die Art und Form des Kalibriertisches richtet sich dabei sehr nach dem zu extrudierenden Kunststoffprodukt. Gerade bei komplizierten Profilen, wie Fensterrahmen, ist hier viel Know-how gefragt, damit das Profil nicht beim Abkühlen in sich selbst zusammensackt und verformt wird.

Ein Abzug hinter dem Kalibriertisch sorgt dabei für den Transport des Rohrs oder Profils. Dabei handelt es sich um zwei oder mehrere Raupenketten, deren Laufflächen gegeneinander gedrückt werden. Zwischen diese Laufflächen wird dann das extrudierte Rohr oder Profil gelegt und durch die Bewegung der Ketten unter Zug gesetzt. Der Abzug zieht also das extrudierte Kunststoffprodukt aus dem Extruder heraus und durch den Kalibriertisch. Die Geschwindigkeit des Abzugs bestimmt dabei zusammen mit der Geschwindigkeit des Extruders maßgeblich die Laufgeschwindigkeit des Profils oder Rohrs.

Hinter dem Abzug befindet sich meist noch eine Schneideanlage, die das bisher endlose Rohr oder Profil entsprechend ablängt. Ein Sammeltisch sammelt die abgelängten Rohre oder Profile. Der Bediener der Maschine kann die fertigen Rohre oder Profile hier bündeln und abpacken.

Die Kombination von Extruder, Kalibriertisch, Abzug, Schneideanlage und Sammeltisch wird „Extrusionslinie“ bezeichnet, weil die einzelnen Maschinen dem Fertigungsablauf entsprechend in einer Achse hintereinanderstehen.

Blasfolienextrusion

Extruder sind auch Bestandteil einer Blasfolienanlage. Hier wird das plastifizierte Material nicht in die Form eines Profils gebracht, sondern zu einer hauchdünnen Folienblase aufgeblasen. Hierfür wird die Schmelze in vertikale Richtung umgelenkt und durch Wendelverteilerwerkzeuge auf die Form eines Schlauchs gebracht. Durch ringförmige Anordnung von bis zu neun Extrudern und Zusammenführung der einzelnen Schmelzströme im Wendelverteilerwerkzeug können auf diese Art und Weise mehrschichtige Folien produziert werden. Um den austretenden Schmelzeschlauch auf die heute üblichen Dicken von mehreren hundertstel Millimeter zu bringen, werden die Schläuche anschließend verstreckt. Dies geschieht durch zentrisches Einblasen von Luft, die den Schlauch nicht nur mechanisch verstreckt sondern auch abkühlt und damit in seiner Form fixiert. Der Folienschlauch wird durch einen Korb kalibriert, umgelegt und aufgewickelt.

Gängige Materialien der Verarbeitung sind:

und innovative Biowerkstoffe wie

Siehe auch Holzextrusion.

Futtermittel- und Lebensmittelindustrie

Erdnussflips

In der Futtermittel- und Lebensmittelindustrie werden im Rahmen der Vorkonditionierung z. B. Erhitzungs- und Bedampfungsprozesse integriert, die z. B. Getreidebestandteile aufschließen und damit verdaulich machen.

  • Kaugummi und Kaubonbons
  • Teigwaren (Nudeln)
  • viele Knabberprodukte:
  • Reiscrispies
  • Schokoflocken
  • Karamell
  • Brot (sog. Knusperbrot)
  • manche Frühstücksflocken
  • Textured Vegetable Proteine (TVP) (z. B. Texturiertes Soja, siehe auch: Fleischersatz)
  • Trockene und halbtrockene Futterstücke, sog. Kibbles. Vornehmlich für Hunde, Katzen, Fische sowie andere Tierarten wie Schweine. Durch die Bearbeitung durch den Expander wird das Futter für die Tiere leichter verdaulich und erhöht die Futterverwertung. Außerdem wird durch die hohen Temperaturen das Futter entkeimt.

Beim Heißextrudieren wird ein recht wasserhaltiger Teig (Masse) unter enormem Druck in einer Verdichtungsschnecke (ähnlich einem Fleischwolf) erhitzt wird. An der Austrittsdüse fällt der Druck ab, so dass das Wasser verdampft und das Produkt stark gelockert wird. Dabei kann die bereits verkleisterte Stärke die Gashaltung (ähnlich wie bei einer Brandmasse) unterstützen und zu festen Poren festhalten. Oft wird noch eine Trocknungs- oder Röststation nachgeschaltet. Typische Produkte sind Erdnussflips, Zwiebelringe und andere Knabberartikel. Aber auch einige Brotsorten (z.B. Flachbrot oder Brotchips) und Gebäck werden in diesem Verfahren produziert[1][2].

Kunststoffindustrie

Siehe Strangpressen

Literatur

Quellen

  1. BMELV, Leitsätze für Brot und Kleingebäck, Stand 2005
  2. Schaaf Technologie GmbH, Videos von Extrudern im Einsatz

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Biokunststoff – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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