- Privates Veräußerungsgeschäft
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Als Spekulationsgeschäft wird ein Vorgang bezeichnet, bei dem Wirtschaftsgüter innerhalb kurzer Zeit nach der Anschaffung wieder verkauft werden. Während die regelmäßige Tätigkeit als Spekulant (Broker) eine gewerbliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ist, rechnet man den gelegentlichen Handel zu den Privatgeschäften.
Inhaltsverzeichnis
In Deutschland
Rechtslage bis 1998
Gewinne aus den privaten Veräußerungsgeschäften innerhalb der Spekulationsfrist unterlagen der Einkommensteuer. Obwohl umgangssprachlich von einer Spekulationssteuer gesprochen wird, handelt es sich nicht um eine eigenständige Steuerart, sondern um die Einkommensteuer, die für Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften zu entrichten ist. Die privaten Spekulationsgewinne zählen zu den sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Einkommensteuergesetz und beziehen sich somit auch auf Gewinne, die im Ausland erzielt wurden.
Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Veräußerungsfrist (früher Spekulationsfrist) realisierte Gewinne aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertsteigerungen des privaten Vermögens der Einkommensteuer zu unterwerfen. Dabei werden die folgenden Fälle unterschieden:
- Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt (Ausnahme: Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden),
- Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern, früher auch Wertpapieren, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Werden allerdings diese Wirtschaftsgüter zumindest in einem Kalenderjahr zur Erzielung von Einkünften genutzt, erhöht sich der Zeitraum auf zehn Jahre (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EstG). Dies gilt nach neuester Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs[1] auch für Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die häufig nur mit Verlust veräußert werden können.
Die Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften bleiben steuerfrei, wenn der in einem Kalenderjahr realisierte Gesamtgewinn weniger als 600 Euro (bis VZ 2007 waren es 512 Euro) beträgt. Wird diese Freigrenze überschritten, muss der gesamte Gewinn versteuert werden. Eine Verrechnung mit Verlusten aus anderen Spekulationsgeschäften ist möglich. Eine Verrechnung der Verluste mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten ist ausgeschlossen. Die nicht verrechenbaren Verluste werden gesondert festgestellt und können in das vorangegangene Jahr zurück- und das folgende Jahr vorgetragen werden. Bei einem entsprechenden Verlustrück- bzw. -vortrag ist die Verrechnung wiederum nur mit positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften möglich.
Entwicklungen
Vor 1999 betrug die Spekulationsfrist lediglich sechs Monate für Wertpapiere und zwei Jahre für Immobilien. Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, verkündet am 31. März 1999 (Bundesgesetzblatt I Seite 402) wurde die Frist für Grundstücke auf 10 Jahre verlängert. Das galt auch für Fälle, in denen die Zwei-Jahres-Frist bereits abgelaufen war. Hierin sieht das Bundesverfassungsgericht eine unzulässige Rückwirkung. [2]
Das Bundesverfassungsgericht erklärte mit Entscheidung vom 9. März 2004 die Besteuerung von Spekulationsgewinnen aus Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren in den Jahren 1997 und 1998 für verfassungswidrig, wegen einer Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen. Diese liege darin, dass nach der gesetzlichen Regelung für diese Steuer Daten nur sehr unzureichend erfasst und geprüft werden können, sodass sich die Finanzverwaltung ohne jede Kontrollmöglichkeit auf die bloße Steuererklärung verlasse. Dies führe im Ergebnis dazu, dass der Staat nur auf die redlich erklärten Gewinne zugreifen wolle, nicht aber auf alle Steuerpflichtigen, was einer „Freiwilligensteuer“ gleichkomme (sogenanntes strukturelles Vollzugsdefizit, umgangssprachlich und in der politischen Diskussion auch als „Dummensteuer“ bezeichnet).
Um dieses Problem zu lösen, führte der Gesetzgeber das Kontenabrufverfahren und die Jahresbescheinigung (§ 24c EStG a.F.) ein. Mittels Kontenabrufverfahren können die Finanzbehörden feststellen, welche Konten der Steuerpflichtige hat. Mit der Jahresbescheinigung bescheinigen die Banken den Kunden die entstandenen Gewinne/Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften.
Mit Einführung der Abgeltungsteuer im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 sind private Veräußerungsgewinne seit 1. Januar 2009 im Bereich der Wertpapiere generell und auch bei einer Haltedauer von mehr als einem Jahr steuerpflichtig (Einkünfte aus Kapitalvermögen, § 20 Abs. 2 EStG). § 23 EStG neuer Fassung betrifft dann nur noch Grundstücke und „andere Wirtschaftsgüter“. Die Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG n.F. beträgt bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten (wie bisher) zehn Jahre, bei den anderen Wirtschaftsgütern ein Jahr. Werden diese Wirtschaftsgüter jedoch innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung als Einkunftsquelle genutzt, verlängert sich die Spekulationsfrist auf zehn Jahre. § 24c EStG a.F. fällt ersatzlos weg.
Folgende Tabelle verdeutlicht die Behandlung von Wertpapieren (HEV=Halbeinkünfteverfahren):
ab WP-VK steuerpfl. Verlustanrechnung HEV Berücksichtigung im Topf vor 1999 bis 6 Monate Rücktrag: 1 Jahr, Vortrag: unbegrenzt nein Zunächst Entnahme steuerfreier Bestand FIFO, dann Entnahme stpfl. Bestand proportional! (alles muss also zum jeweiligen genauen Veräußerungstermin gerechnet werden und der Korb aktualisiert vorgetragen werden) 1999 bis 12 Monate Rücktrag: 1 Jahr, Vortrag: unbegrenzt nein 2002 ja 2004 ja nun auch Entnahme stpfl. Bestand als FIFO 2009 für Neufälle: nie, Abgeltungsteuer kein Rücktrag, Vortrag: unbegrenzt, Altverluste verrechenbar bis 2013 nein für Neufälle: jede Veräußerung ist steuerpflichtig Die Abkehr von der Durchschnittsbewertung der steuerpflichtigen Positionen bis 2003 und Hinwendung zum FIFO-Verfahren ab 2004 (first in, first out = die älteste Position wird zuerst abgebaut) ist die einfache Erfüllung der Gegenforderung der Banken, die ab 2005 die Veräußerungsgewinne der Depotinhaber ermitteln müssen.
Beispiel Aktie
Bei Wertpapieren einer Gattung ermittelt sich das Veräußerungsergebnis wie folgt:
Transaktion Stück Kurs Transaktionskorb st-frei -pflichtig HEV ---------------------------------------------------------------- 15.06.1998 K 200 70 19980615 200 70 Erster Kauf 14.12.1998 K 200 72 19980615 200 70 19981214 200 72 Hinzukauf der Aktie Bestand: 400 71 27.12.1998 V 300 75 19981214 100 72 1000 300 Nach [[FIFO]] werden erst die steuerfreien Posten, dann der Rest entnommen (1998 gelten noch sechs Monate Haltefrist) 11.08.1999 K 400 67 19981214 100 72 19990811 400 67 „Verbilligung“ Bestand: 500 68 13.10.1999 K 250 65 19981214 100 72 19990811 400 67 19991013 250 65 Weitere Verbilligung Bestand: 750 67 27.10.1999 V 300 64 19981214 60 72 „Panikverkauf!“ 19990811 240 67 19991013 150 65 Bestand: 450 67 -900 Bei diesem Verkauf gibt es keine Position außerhalb der Frist; von den steuerpflichtigen Positionen wird proportional entnommen (1999 und später gelten zwölf Monate Haltefrist) 20.12.1999 V 255 78 19990811 120 67 Kurs erholt, 19991013 75 65 „Gewinnmitnahme!“ Bestand: 195 66,23 360 2295 Hier geschieht beides: Entnahme erst der steuerfreien Posten, dann proportional aus den (nur noch zwei) steuerpflichtigen Posten 11.09.2003 K 105 70 19990811 120 67 19991013 75 65 20030911 105 70 Nachkauf Bestand: 300 67,55 05.12.2003 K 300 71 19990811 120 67 19991013 75 65 20030911 105 70 20031205 300 71 Weiterer Nachkauf Bestand: 600 69,28 04.04.2004 V 500 75 20031205 100 71 1710 1325 662,50 Kommentar wie 20. Dezember 1999 oben; erstmalig Halbeinkünfte-Verfahren! 02.03.2006 V 100 70 -100
In der Schweiz
In der Schweiz unterliegen steuerpflichtige Personen bzgl. privater Veräußerungsgewinne grundsätzlich keiner Steuer. In Deutschland sind steuerpflichtige Personen auch bzgl. ihres Einkommens aus Veräußerungsgewinnen aus Geschäften in oder über die Schweiz weiterhin in Deutschland steuerpflichtig. Die Schweizer Banken sind aber nicht verpflichtet, ein ausführliches – den deutschen Gesetzen entsprechendes – Reporting auszustellen, wenngleich einige Schweizer Banken dies als Service für deutsche Kapitalanleger bieten.
Weblinks
Literatur
- Messerer, Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG, 2007, Unternehmensteuerreform 2008, ISBN 978-3-415-03956-8
Einzelnachweise
- ↑ Urteil vom 22. April 2008, IX R 29/06
- ↑ Beschluss vom 7. Juli 2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05
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