Prozessorganisation

Prozessorganisation
Prozesse im Unternehmen

In einer Prozessorganisation ist ein Unternehmen nach durchgehenden Geschäftsprozessen modelliert. Dabei bleibt in vielen Unternehmen die klassische hierarchische Aufbauorganisation erhalten. Kernprozesse sind z. B. Marketingprozesse, Produktionsprozesse, Materialprozesse bzw. Logistikprozesse. Dazu kommen Managementprozesse und unterstützende Prozesse, wie z.B. Personalprozesse, Rechnungswesenprozesse, Finanz- bzw. Investitionsprozesse und Informationsprozesse.

Das Modell der Prozessorganisation ist somit ein System von Aktivitäten, die über einen durchgängigen Leistungsfluss miteinander verknüpft sind und in einer klar definierten Folgebeziehung zueinander stehen. Die Prozesse richten sich am Kunden aus, um für den Kunden und das Unternehmen wertschöpfend zu sein – kundenorientierte Rundumbearbeitung. Einerseits wird dadurch die Koordination verbessert – weniger Schnittstellen führen zu weniger Fehlern bei der zeitlichen und sachlichen Abstimmung von Teilleistungen. Andererseits steigt die Motivation, da Leistungen eigenständig erbracht werden und kundenspezifisch Prozess-Teams zugerechnet werden können.

Der Begriff Prozessorganisation wurde von Gaitanides[1] geprägt, der auf der Basis des Reengineeringkonzeptes[2] den traditionellen Terminus der Ablauforganisation ersetzte. Die Prozessorganisation umfasst die dauerhafte Strukturierung von Arbeitsprozessen unter der Zielsetzung, das geforderte Prozessergebnis möglichst effizient zu erstellen[3].

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

In der Prozessbetrachtung ist der horizontale ganzheitliche Blick auf das Unternehmen das zentrale Element (im Gegensatz zur vertikalen hierarchischen Sichtweise). Es werden Prozesse betrachtet. Beispiel Krankenhaus: hier interessiert den Patient, der krank hineinkommt, wie er hoffentlich gesund wieder entlassen wird. Die horizontale Betrachtung reicht über die Unternehmensgrenzen hinaus und bezieht neben dem Kunden auch die Lieferanten mit ein. Durch den Perspektivenwechsel wird die Aufbauorganisation (Beispiel Krankenhaus: Ärzte, Pflege, Verwaltung) in den Hintergrund gerückt und der Fokus auf die Ablauforganisation (der Kunde und seine Interessen) gelegt. Diese Konzentration ermöglicht einem Unternehmen seine Wertschöpfungsprozesse zu erkennen und gezielt zu verbessern (siehe KVP). Effizientes Prozessmanagement hilft dabei, eine optimale Prozessgestaltung zu erreichen und kann das Unternehmen entscheidend von der Konkurrenz abheben, da die kundenorientierten Prozesse schwer nachzuahmen sind.

Gründe für Prozessorganisation

  • Höhere Marktdynamik erfordert Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
  • stark zunehmender Wettbewerb
  • intensivere Fokussierung der Kunden und kundenspezifischer Angebote

Theoretische Grundlagen

Zunächst beschreibt die Kontingenztheorie, dass in dynamischen Umwelten eher eine Prozessorganisation entsteht. Deswegen geht sie davon aus, dass diese dann effizienter ist. Etwas genauer setzt sich die Transaktionskostenökonomie mit dem Gedanken auseinander. Hier wird in der Hauptsache ein Entwicklungspfad zur Prozessorganisation beschrieben, wenn die Umweltbedingungen dynamischer werden. Die Transaktionskosten steigen in diesem Fall bei einer spezialisierten Arbeitsteilung stark an. Zusätzliche Faktoren für die Höhe der Transaktionskosten sind die Spezifität, die Häufigkeit und die strategische Bedeutung. Bei recht undynamischen Umwelten sollte auf jeden Fall an den tayloristischen Prinzipien festgehalten werden, da deren Vorteile die Nachteile in der Schnittstellenproblematik überkompensieren. Festzuhalten ist, dass beide Theorien nur Tendenzen vorgeben können. Eine genaue Beschreibung (z. B. der Skalierung) ab wann welche Organisationsform sinnvoller ist, kann nicht abgeleitet werden. Zusätzlich ist ein großer Forschungsrückstand in Bezug auf die Aufbau- und die Ablauforganisation festzustellen. In der Regel wird beides losgelöst voneinander betrachtet, obwohl beides zusammengehört.

Aufbau der Prozessorganisation

Ein prozessorientiertes Unternehmen ist nach durchgängigen, funktionsübergreifenden Prozessen, die vom Lieferanten bis zum Kunden reichen, organisiert. Die einzelnen Prozesse bestehen aus zusammenhängenden Tätigkeiten, die zu überschaubaren Einheiten zusammengefasst sind. Sie sind weitgehend autonom und verfolgen das Ziel, Kundenbedürfnisse effizient zu erfüllen. Am Anfang der Prozessgestaltung ist es wichtig, die strukturierten Prozesse nach ihrer Bedeutung für das Unternehmen zu gewichten. Hier gilt es, eine exakte Trennung zwischen

vorzunehmen.

Um Schnittstellen zu vermeiden werden die Prozesse einem Prozessverantwortlichen unterstellt. Diese Aufgabe wird von einer eigenständigen Führungskraft wahrgenommen, die für die Ergebnisse verantwortlich ist und die Koordination innerhalb der Prozesse und zwischen diesen übernimmt. Die Mitarbeiter werden bestimmten Prozessteams zugeordnet, die einen Prozess vom Anfang bis zum Ende betreuen. Im Idealfall kommt es zu einer Selbstorganisation der Teams und somit zu einer Verflachung der Hierarchie.

Vorteile

Die Vorteile einer Prozessorganisation liegen in

  • der Konzentration auf die wertschaffenden und damit vom Kunden honorierten Aktivitäten.
  • der Zusammenfassung der Prozesse zu übersichtlichen Organisationseinheiten, wodurch eine Vereinfachung der Administration und Koordination ermöglicht wird.
  • der besseren Beherrschung der Arbeitsabläufe
  • dem dynamischen Prozessdenken und der Abkehr von der statischen Problemlösungsfindung
  • der hohen Transparenz.[4]
  • dem funktionsübergreifenden Charakter, der durch die Verteilung der Prozesse über mehrere Unternehmensbereiche entsteht. Diese Eigenschaft bietet den Mitarbeitern eine abwechslungsreiche Tätigkeit und wirkt motivierend.

Weitere Vorteile sind

  • die überschaubare Anzahl von Schnittstellen, was zu einer Reduktion der Abstimmungs- und Koordinationsprobleme führt.
  • die klar definierte Verantwortung, wodurch sich Fehlerquellen auf ein Minimum reduzieren lassen und somit die Durchlaufzeiten der Prozesse verkürzen.[5]
  • die hohe Flexibilität im Hinblick auf die sich ständig und rasch ändernde Umwelt. Erfahrungen haben deutlich gemacht, dass prozessorientierte Unternehmen bei wechselnden Anforderungen des Marktes, schnell und kundenorientiert reagieren können.

Nachteile

  • Durch den Perspektivenwechsel von einer vertikalen zu einer horizontalen Betrachtung wird ein fundamentales Umdenken des gesamten Unternehmens verlangt, welches sich in hohen Kosten für Teambildungsmaßnahmen und Trainings widerspiegelt.
  • Die Prozessgestaltung und die ständige Optimierung der Prozessabläufe führt zu einem hohen Koordinationsaufwand, insbesondere bei den Prozessschritten, die mehreren wertschöpfenden Prozessen zugeordnet werden müssen.
  • Wenn bei der Unternehmensleitung die Befürchtung besteht, Autorität zu verlieren, kann es zu Konflikten und Abwehr der neuen Organisation kommen.
  • Oft kann auch die Identifikation der Kernprozesse problematisch und zeitintensiv ausfallen und zu kostenerhöhenden Veränderungen führen.
  • Durch eine Konzentration auf den Prozess - an Stelle einer Konzentration auf die Funktion - gehen Effizienzvorteile der tayloristischen Arbeitsteilung und Spezialisierung verloren.

Anwendung

Die Aussagen zur Prozessorientierung sind eher Tendenzen und Handlungsempfehlung als konkret festgelegte Richtlinien. Sie müssen unternehmens- und situationsspezifisch interpretiert werden und können somit nicht auf jede spezielle Unternehmenssituation umgelegt werden. Eine idealtypische Prozessorganisation wird in der Realität nur sehr selten erreicht. Letztlich kann man nur versuchen, die Anforderungen der Prozessorientierung so gut wie möglich zu erfüllen.

Einzelnachweise

  1. M. Gaitanides: Prozessorganisation, 2. Aufl., München 2007, S. 54 f.
  2. M. Hammer, J. Champy: Business Reengineering. Die Radikalkur für das Unternehmen, 7. Aufl., Frankfurt/New York 1997
  3. M. Schulte-Zurhausen: Organisation, 3. Aufl., München 2002, S.57
  4. Kohlbacher, M. (2009): The Perceived Effects of Business Process Management. Studie präsentiert auf der IEEE International Conference in Toronto, 26-27 September 2009 Webseite der Konferenz Zusammenfassung des Artikels.
  5. Kohlbacher, M. (2010): The Effects of Process Orientation: A Literature Review. Business Process Management Journal 16(1), S. 135-152.

Literatur

  • Hartmut F. Binner: Handbuch der prozessorientierten Arbeitsorganisation. 2. Auflage. Hanser 2005, ISBN 3-446-40395-7
  • Guido Fischermanns: Praxishandbuch Prozessmanagement. 9 Auflage. Verlag Dr. Götz Schmidt, Gießen 2008, ISBN 978-3-921313-77-0.
  • Michael Gaitanides: Prozessorganisation. 2. Aufl. Vahlen, München 2007, ISBN 3-800-62372-2
  • Michael Hammer, James Champy: Business reengineering. 7. Auflage. Campus,Frankfurt 2003, ISBN 3-59335017-3
  • Helmut Kasper, Wolfgang Mayrhofer (Hrsg.): Personalmanagement,Führung,Organisation. 3. Auflage. Lindeverlag, Wien 2002, ISBN 3-7073-0430-2
  • Thilo Knuppertz, Frank Ahlrichs: Controlling von Geschäftsprozessen. Prozessorientierte Unternehmenssteuerung umsetzen. Schäffer-Poeschel (Mai 2006) ISBN 3791024965
  • Manfred Schulte-Zurhausen: Organisation. 4. Auflage. Vahlen, München 2005, ISBN 3-8006-3205-5
  • Rudolf Wilhelm: Prozessorganisation. Oldenbourg, München 2007, ISBN 978-3-486-58302-1

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