Aussonderungsaxiom

Aussonderungsaxiom

Das Aussonderungsaxiom stammt aus der Zermelo-Mengenlehre von 1907[1] und ist daher auch Bestandteil der erweiterten, heute maßgeblichen Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ZF. Es besagt informell, dass alle Teilklassen von Mengen ebenfalls Mengen sind. In der prädikatenlogischen Sprache wird das Aussonderungsaxiom präzisiert als Axiomenschema, das unendlich viele Axiome umfasst; daher wird es heute auch oft als Aussonderungsschema bezeichnet.

Präzisierung

Aussonderungsaxiom für jedes einstellige Prädikat P(x):

\forall A\colon \exist M\colon \forall x\colon (x\in M \iff x\in A \and P(x))

Verbalisierung und Schreibweise:

Zu jeder Menge A existiert eine Menge, die genau die Elemente x aus A enthält, für die P(x) gilt. Aufgrund des Extensionalitätsaxioms ist diese Menge eindeutig bestimmt und wird als \{x\in A| P(x)\} notiert.

Bedeutung

Zermelo führte in der Mengenlehre das Aussonderungsaxiom ein, weil die in der naiven Mengenlehre des ausgehenden 19. Jahrhunderts übliche Komprehension, die jede Klasse {x | P(x)} als Menge einstuft, die Russellsche Antinomie erzeugt. Russell übernahm noch diese naive Komprehension in seine Logik [2] und war daher gezwungen, in seiner Typentheorie zur Vermeidung des Widerspruchs die Syntax der zulässigen Prädikate stark einzuschränken. Im Gegensatz zu Russell nahm Zermelo keine Einschränkungen der Syntax vor, sondern zeigte mit seinem Aussonderungsaxiom, das die Komprehension stark abschwächte, dass die in der Russelschen Antinomie widersprüchliche Klasse keine Menge mehr ist.[1] Er erreichte auf diesem Weg eine wesentlich einfachere und leistungsfähigere Mengenlehre.

Abraham Fraenkel zeigte jedoch 1921, dass die Zermelo-Mengelehre mit Aussonderungsaxiom zu schwach war, um die Mengenlehre Georg Cantors abzuleiten, und ergänzte aus diesem Grund ein stärkeres Ersetzungsaxiom, das die Lücke füllte.[3] Dieses Axiom integrierte Zermelo 1930 in sein ZF-System und bemerkte dazu, das aus ihm das Aussonderungsaxiom ableitbar ist, so dass es im ZF-System entbehrlich ist.[4] Man erhält nämlich die Aussonderungsmenge \{x\in A\mid P(x)\} offenbar als \{y\mid \exist x \in A \colon P(x)\and x=y\} per Ersetzungaxiom.

Einzelnachweise

  1. a b Ernst Zermelo: Untersuchungen über die Grundlagen der Mengenlehre, 1907, in: Mathematische Annalen 65 (1908), 261-281, dort Axiom III S. 263f.
  2. Betrand Russell: Mathematical logic as based on the theory of types, in: American Journal of Mathematics 30 (1908), S 250.
  3. Abraham Fraenkel: Zu den Grundlagen der Cantor-Zermeloschen Mengenlehre, 1921, in: Mathematische Annalen 86 (1922), 230-237.
  4. Ernst Zermelo: Grenzzahlen und Mengenbereiche, Fundamenta Mathematicae 16 (1930), S. 31 Bemerkung zur Redundanz.

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