- Reichholf
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Josef Helmut Reichholf (* 17. April 1945 in Aigen am Inn) ist ein deutscher Zoologe, Evolutionsbiologe und Ökologe.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Reichholf ist Honorarprofessor der Technischen Universität München und seit 1974 Sektionsleiter Ornithologie der Zoologischen Staatssammlung München.[1][2]
Reichholf war Präsidiumsmitglied des WWF Deutschland.
2005 wurde er mit der Treviranus-Medaille des Verbands deutscher Biologen (vdbiol) ausgezeichnet, 2007 mit dem Sigmund-Freud-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung für seine allgemeinverständlichen Beiträge zur Ökologie.
Thesen
Reichholf vertritt die These, dass die Produktivität der Natur (z. B. fruchtbare Böden) sowie das Klima den Bestand oder Niedergang von Kulturen und Weltreichen bestimmt haben. Er behauptet, dass sich viele sehr verschiedene Ereignisse der Menschheitsgeschichte durch Klimaveränderungen erklären lassen. So lassen sich ihm zufolge z.B. die Kreuzzüge im Mittelalter und die Epoche der Romantik im 18. und 19. Jahrhundert letztlich auf das damalige warme Klima zurückführen.[3] Für die Bewältigung der Zukunft des Lebens auf der Erde müsse immer die Vergangenheit berücksichtigt werden. Reichholfs evolutionäre Betrachtung folgt drei Prinzipien:
- Aus dem Einen geht Vielfalt hervor.
- Leben ist steter Wandel. Es gibt keine besten oder einzig richtigen Zustände.
- Die Zukunft ist offen.
Reichholf plädiert für „überlebensfähige Ungleichgewichte“. Gleichgewicht bedeute Stillstand, nur Spannung erzeuge Aktivität.
Reichholf hat sich auch zum Spannungsfeld von Naturwissenschaften und Glauben geäußert. Die Hauptfunktion des Glaubens ist für Reichholf die Reduktion der realen Komplexität, um sie verständlich zu machen. Glaube erfülle somit in sozialen Gruppen einen konkreten Zweck zur Ordnung innerhalb der Gruppen und stelle einen Vorteil für diese dar. Die Hinwendung eines bestimmten Anteils der Menschen zur Religion sei somit als durch Evolution entstandener Vorteil zu verstehen.
Kritik
Klimaforscher Stefan Rahmstorf warf Reichholf 2007 vor, in seinen Veröffentlichungen mit „falschen und irreführenden Klimakurven“ zu arbeiten und somit gegen die Regeln der „guten wissenschaftlichen Praxis“ zu verstoßen. Er ignoriere die im IPCC-Bericht dokumentierten Rekonstruktionen der Klimaentwicklung im letzten Jahrtausend und die aktuellen Forschungen in der Biologie zu den Auswirkungen der globalen Erwärmung auf Tier- und Pflanzenarten.[4]
Anlässlich der Veröffentlichung des Buches Stabile Ungleichgewichte und eines begleitenden Essays[5] wurde ihm vom Wolfgang Cramer, Geograf und Professor für Globale Ökologie an der Universität Potsdam, vorgeworfen, er rechtfertige mit seiner These anthropogen verursachte Fehlentwicklungen als biologische Notwendigkeit. Reichholf stelle Raubzüge und Kriege als „menschliche Ungleichgewichte“ dar und verleihe ihnen damit einen ungerechtfertigten Platz im Ökosystem.[6]
Werke
- Warum die Menschen sesshaft wurden: Das größte Rätsel unserer Geschichte S.Fischer, 2008, ISBN 978-3-10-062943-2
- Ende der Artenvielfalt? Gefährdung und Vernichtung der Biodiversität (Herausgeber Klaus Wiegand) von Fischer (Tb.), Frankfurt, 2008
- Stabile Ungleichgewichte: Die Ökologie der Zukunft. Suhrkamp, 2008
- Der Bär ist los: Ein kritischer Lagebericht zu den Überlebenschancen unserer Großtiere. München: Herbig Verlag, 2007, ISBN 978-3-7766-2510-3
- Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends. Frankfurt/M: Fischer, 2007, ISBN 3-10-062942-6
- Stadtnatur. München: oekom verlag, 2007, ISBN 978-3-86581-042-7
- Die Zukunft der Arten. München: C. H. Beck, 2005, ISBN 3-406-52786-8
- Der Tanz um das goldene Kalb : der Ökokolonialismus Europas. Berlin: Wagenbach, 2004, ISBN 3-8031-3615-6
- Die falschen Propheten : unsere Lust an Katastrophen. Berlin: Wagenbach, 2002, ISBN 3-8031-2442-5
- Warum wir siegen wollen : der sportliche Ehrgeiz als Triebkraft in der Evolution des Menschen. München: dtv, München 2001, ISBN 3-423-24271-X
- Der blaue Planet: Einführung in die Ökologie. München: dtv, 1998
- Das Rätsel der Menschwerdung. München: dtv, 1997
- Der schöpferische Impuls : eine neue Sicht der Evolution. München, dtv, 1992
- Erfolgsprinzip Fortbewegung. DTV, 1992
- Der Tropische Regenwald. Die Ökobiologie des artenreichsten Naturraums der Erde DTV, 1990
Weblinks
- Literatur von und über Josef H. Reichholf im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Veröffentlichungen von Josef H. Reichholf auf der Website der Zoologischen Staatssammlung München
- Judith Rauch: Der Tausendsassa – Josef H. Reichholf – Bild der Wissenschaft, Oktober 2002
- Gespräch mit Josef Reichholf über sein Buch „Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends“ – taz, 18. April 2007
- Peter Voß im Gespräch mit Josef Reichholf in der Reihe „Bühler Begegnungen“ – Sendung auf 3sat, 21. April 2008, als komplette Sendung (45 Minuten) in der 3sat-Mediathek
Fußnoten
- ↑ TU München: Veranstaltungen und Termine – Vortrag: Dem Glück auf der Spur. 30. Januar 2006
- ↑ Zoologische Staatssammlung München: Mitarbeiter der Sektion Ornithologie
- ↑ Warum das Klima an den Kreuzzügen schuld war. Ein Gespräch mit dem streitbaren Biologen Josef Reichholf. In: Zeit Campus. 4/2007, S. 54/55
- ↑ Stefan Rahmstorf: Alles nur Klimahysterie? In: Universitas. 9/2007, S. 894–913 (PDF; 237 KB); gekürzte Fassung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: Klimawandel: Deutsche Medien betreiben Desinformation. 31. August 2007
- ↑ Spiegel Online: Essay von Josef H. Reichholf: Leben kämpft stets gegen das Gleichgewicht. 13. Juni 2008
- ↑ Spiegel Online: Replik von Wolfgang Cramer: Sprechblasen im Ungleichgewicht. 13. Juni 2008
Personendaten NAME Reichholf, Josef H. ALTERNATIVNAMEN Reichholf, Josef Helmut; Reichholf, Joseph Helmut KURZBESCHREIBUNG deutscher Zoologe, Evolutionsbiologe und Ökologe GEBURTSDATUM 17. April 1945 GEBURTSORT Aigen am Inn
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