Rolf Bossi

Rolf Bossi

Rolf Bossi (* 10. September 1923 in Karlsruhe) ist einer der bekanntesten Strafverteidiger Deutschlands.

Rolf Bossi bei der Präsentation seines Buches "Halbgötter in Schwarz"

Inhaltsverzeichnis

Berufliches

Rolf Bossi begann eine Doktorarbeit mit dem Thema Die Teilnahme Dritter an der Abtreibung. Er schloss die Dissertation aber nie ab, weil die Rechtslage durch eine Entscheidung des BGH eindeutig geklärt worden war.[1]

1952 wurde er in München als Anwalt zugelassen und verbrachte sein Assessorenjahr beim "Ganovenanwalt" Adolf Mier.[2] Besonderes Aufsehen erregte er durch die Verteidigung der Schauspielerin Ingrid van Bergen, die ihren Lebensgefährten erschossen hatte. Bossi vertrat im Laufe seiner Karriere noch andere Prominente, darunter Romy Schneider, aber auch äußerst kontroverse Fälle wie den Kindermörder Jürgen Bartsch, den Entführer Dieter Degowski aus dem Gladbecker Geiseldrama, DDR-Grenzer im so genannten Mauerschützenprozess, den Prozess um den Hamburger Callgirl-Ring oder den Hochstapler Gert Postel.

Darüber hinaus ist Bossi für seine Kritik am Umgang der deutschen Justiz mit den Unrechtsurteilen in der NS-Zeit bekannt. Er fordert den deutschen Gesetzgeber dazu auf, nicht nur die Unrechtsurteile der NS-Zeit, sondern auch ungerechte Urteile aus der Nachkriegszeit aufzuheben, die von Richtern gesprochen wurden, die noch immer in der Tradition der NS-Zeit geurteilt haben.[3]

Auch tat er sich durch seine Vorschläge zur Änderung der Strafprozessordnung hervor; so schlägt Bossi u.a. vor, in allen Strafverfahren eine zweite Tatsacheninstanz zuzulassen und ein exaktes Wortprotokoll zu führen.[4]

In seinem 2006 erschienenen Buch Die gemachten Mörder setzt sich Bossi umfassend mit den Ursachen der wachsenden Jugendgewalt in unserer Gesellschaft auseinander. Seit er den Schauspieler Günter Lamprecht und seine Lebensgefährtin, die 1999 von einem jugendlichen Amokläufer in Bad Reichenhall schwer verletzt worden waren, als Nebenkläger vor Gericht vertreten hatte, beschäftigt den Anwalt, wie prekäre Familienverhältnisse, Mängel im Bildungswesen, schädliche Medieneinflüsse und die in seinen Augen verfehlte bundesdeutsche Integrationspolitik immer mehr Jugendliche zu hoffnungs- und perspektivlosen Gewalttätern – und manchmal eben auch zu Mördern – machten.

In einem Interview vom August 2008 mit dem Focus befürwortete er die Todesstrafe für Täter mit einem „sadistisch-perversen Tötungsimpuls“.[5] Dieser Darstellung seiner Aussagen hat Bossi allerdings in mehreren folgenden Interviews vehement widersprochen, etwa im Deutschlandradio.[6]

Ende 2008 hat sich Rolf Bossi aus seiner Kanzlei zurückgezogen. Im März 2011 gab er seine Anwaltszulassung zurück.

Privates

Rolf Bossis Vater war während der Weimarer Republik Beamter im badischen Innenministerium in Karlsruhe und engagiertes Mitglied der katholischen Zentrumspartei, dann während des Zweiten Weltkrieges Verwaltungsoffizier bei der Luftwaffe. Er wurde 1942 von einem Standgericht wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tode verurteilt und erschossen.[7] Bossi machte im selben Jahr in München Abitur. Als Offiziersanwärter der Wehrmacht wurde er an der Ostfront verwundet. Das Schicksal des Vaters motivierte ihn, während der Genesung im Lazarett das Jurastudium aufzunehmen.[2]

Bossi nahm gelegentlich auch als Darsteller in Filmproduktionen teil. So spielte er 1969 in der Lisa-Film-Produktion „Ehepaar sucht gleichgesinntes“ einen Anwalt. Auch in der 1971 produzierten Tatort-Folge „Der Richter in Weiß“ verkörpert er mit der Figur des Dr. Loissen einen Strafverteidiger.

Der Münchner Bildhauer Nicolai Tregor porträtierte ihn in einer Bronzebüste.

Im Sommer 2003 versuchte er vergeblich beim Verwaltungsgericht München gegen den drohenden Entzug seines Führerscheines aufgrund der Überschreitung von 18 Punkten im Flensburger Verkehrszentralregister vorzugehen.[8] Seine Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde im Januar 2005 vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abgewiesen.[9] Im April 2004 wurde ihm dann der Führerschein auch tatsächlich entzogen. Im April 2006 wurde er vom Landgericht München I zu einer Strafe von 18.000 Euro verurteilt, da er trotz Entzug noch zweimal am Steuer erwischt wurde.[10]

Im Jahr 2006 nahm er eine von der Zeitschrift Tempo fingierte Ehrendoktorwürde der nicht existierenden Deutschen Nationalakademie an. Zu diesem Zweck erklärte er sich mit dem Programm der Akademie einverstanden, ohne zu merken, dass es mit etlichen Zitaten aus Hitlers Mein Kampf und NPD-Leitlinien gespickt war. Aufgrund der Berichterstattung kündigte er rechtliche Schritte gegen das Blatt an und bestritt, dass die Zitate dem Brief an ihn beigelegt waren.[11][12]

2002 heiratete er seine langjährige Lebenspartnerin, die gleichfalls verwitwete Ingrid Nöckel (*1936).[13] Bossi lebte zeitweise im Münchener Stadtteil Bogenhausen, verlegte nach dem Ruhestand aber seinen Lebensmittelpunkt ganz zum Wohnort seiner Ehefrau in Gevelsberg.

Schriften

  • Ich fordere Recht. 24 Jahre Strafverteidiger in Deutschland Bertelsmann, München Gütersloh Wien 1975, ISBN 3-570-02141-6
  • Ich fordere Recht. Erinnerungen eines Strafverteidigers Heyne, München 1977, ISBN 3-453-00769-7
  • Halbgötter in Schwarz. Deutschlands Justiz am Pranger. Eichborn-Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-8218-5609-2
  • Die gemachten Mörder. Wenn Jugendliche zu Tätern werden. Wege aus der Gewaltspirale. Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2007, ISBN 3-7857-2279-6
  • Hier stehe ich. Späte Bekenntnisse zu Glaube, Wahrheit und Gerechtigkeit Gütersloher Verlag, Gütersloh 2008, ISBN 978-3-579-06992-0

Belege

  1. "Erinnerungen eines Strafverteidigers", Seite 46
  2. a b Referentenbiografie aus "Jura Perspektiven 2007 - Facebook", Seite 17 des JAK e.V. Verein zur Förderung der juristischen Ausbildung an der Universität zu Köln eingesehen am 7. April 2008
  3. "Halbgötter in Schwarz", Seite 257
  4. "Halbgötter in Schwarz", Seite 275-279
  5. Rolf Bossi plädiert für Todesstrafe, Focus, 17. August 2008
  6. „Ich bin nicht für die Todesstrafe“, Deutschlandradio Kultur, 10. September 2008
  7. "Halbgötter in Schwarz", Seite 211
  8. Rolf Bossi bekommt keine Schnellfahrer-Lizenz
  9. BayVGH: «Vielfahrer» sind bei drohendem Führerscheinentzug nicht privilegiert (Link nicht mehr abrufbar)
  10. Ohne Führerschein: Staranwalt Bossi muß 18.000 Euro zahlen
  11. Schmutziger Journalismus? Reporter, Scoops, Lügen: Die „Nationalakademie“ von „Tempo“ und die Folgen, Tagesspiegel, 8. Dezember 2006
  12. Ehrendoktor-Affäre: Ein Ex-Staatsminister wehrt sich, Berliner Zeitung, 14. Dezember 2006
  13. Bossi: Hochzeit mit 78 , Hamburger Abendblatt, 6. August 2002,

Weblinks


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