SMS Kronprinz Wilhelm

SMS Kronprinz Wilhelm
Kronprinz Wilhelm

Die Kronprinz Wilhelm am Leuchtturm Roter Sand
Technische Daten (Überblick)
Schiffstyp: Passagierdampfer
Klasse: Schnelldampferklasse
Schwesterschiffe Kaiser Wilhelm der Große
Kaiser Wilhelm II.
Kronprinzessin Cecilie
Einsatzzweck: Transatlantik-Linienverkehr
Eigner: Norddeutscher Lloyd, Bremen
Schiffsvermessung: 14.908 BRT
Verdrängung:
Länge (LüA): 202,17 m
Breite (BüA): 20,20 m
Tiefgang (bei 53.147 Tonnen): 8,3 m
Höhe (Unterkante Kiel bis Oberkante Schornstein):
Schiffsantrieb: 2 Propeller,
2 Vierzylinder-Expansions-Dampfmaschinen, je 6 Zylinderkessel
Leistung: 33.000 PS [1]
Geschwindigkeit: 22,5 Knoten Standard
ca. 23,53 Knoten max.
Passagierplätze: 367 Erste Klasse
340 Zweite Klasse
1054 Dritte Klasse
Besatzung: 526
Kiellegung: 1901
Stapellauf (Schiffstaufe): 30. März 1901 (Baunummer 249)
Jungfernreise: 17. September 1901
Indienststellung: 2. April 1902
Schicksal: Ab 1914 Hilfskreuzer der Kaiserlichen Kriegsmarine; 1915 in den USA interniert; ab 1917 als USS Von Steuben in amerikanischen Kriegsdiensten; 1923 bei Boston Iron & Metals Co. in den USA abgewrackt.

Die Kronprinz Wilhelm war ein 1901 fertiggestelltes deutsches Passagierschiff des Norddeutschen Lloyd für die Linienschifffahrt auf der Transatlantikpassage Bremerhaven–New York. Mit ihren vier Schornsteinen verkörperte sie den damals bei Reisenden gefragtesten und spektakulärsten Schiffstyp, der neueste technische Entwicklungen mit Geschwindigkeit und Luxus verband. 1902 gewann die Kronprinz Wilhelm das Blaue Band und versah bis 1914 ihren Liniendienst. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte sie als Hilfskreuzer acht Monate lang im Nordatlantik erfolgreichen Handelskrieg, wurde später von den US-Amerikanern beschlagnahmt und als alliierter Truppentransporter auf der Linie New York–Brest eingesetzt.

Der Doppelschrauben-Schnelldampfer mit seiner überreichen Ausstattung und exquisiten Verpflegung war eine vergrößerte und verbesserte Version der Kaiser Wilhelm der Große. So wurden aus der bei beiden Schiffen gleichartigen Maschinenanlage bei der Kronprinz Wilhelm noch ein paar hundert PS mehr herausgeholt[2], was zu einer bis dahin unerreichten Maschinenleistung von 33.000 PS führte.[3]

Die Kabinen des Schiffes wurden über eine Zentralheizung erwärmt. Überall an Bord gab es elektrisches Licht aus insgesamt 1900 Lampen.[4]

Aus diesen Gründen war die Kronprinz Wilhelm besonders auch technisch ein großer Wurf und so hob der Vorstand des Lloyd den „überaus gelungenen Bau" und die „vorzüglichen Leistungen“ ausdrücklich hervor.[5]

Die Kronprinz Wilhelm besaß wie ihr Schwesterschiff ein sogenanntes „Waldeck“ oder „Buckeldeck“ (die Back war stärker gerundet und mit den Bordwänden nicht durch eine scharfe Kante sondern durch eine Rundung verbunden), so dass überkommendes Wasser schneller ablaufen konnte. Durch diese Rundung am Bug und durch die beiden Masten vorn und achtern war sie gut von den später gebauten Schnelldampfern Kronprinzessin Cecilie und der Kaiser Wilhelm II. zu unterscheiden.

Inhaltsverzeichnis

Passagierdienst im Nordatlantik

Als die Kronprinz Wilhelm mit der Bau-Nr. 249[6] am 30. März 1901 bei der AG Vulcan in Stettin vom Stapel lief, war sie der modernste Passagierschnelldampfer ihrer Zeit und beeindruckte durch ihre moderne Linienführung, die von den vier Schornsteinen beherrscht wurde. Der Dampfer besaß als einer der ersten auch eine neuzeitliche Telefonanlage, durch die von der Brücke aus mit allen Stationen kommuniziert werden konnte. Zudem war erstmals eine Station für drahtlose Telegraphie eingebaut worden. Das Berliner Tageblatt schrieb am 16. Februar 1902: „Bei der bevorstehenden Amerikareise ... werden die Augen der technischen Welt auf einen unscheinbaren Apparat an Bord des „Kronprinz Wilhelm“ gerichtet sein, welcher vor der Öffentlichkeit seine Feuerprobe zu bestehen haben wird. Es wird nämlich eine Marconische Telegraphenstation mitgeführt werden, deren Aufgabe darin bestehen wird, die Verbindung des auf hoher See befindlichen Schiffes mit dem Lande aufrecht zu erhalten.“ [7]

Wie auf den Dampfern des Norddeutschen Lloyd üblich, fuhr auch auf der Kronprinz Wilhelm stets ein approbierter Arzt mit, der alle Patienten ohne Entgelt versorgte und in den amerikanischen Passagierlisten den individuellen Gesundheitszustand jeder Person an Bord, die in die Vereinigten Staaten einreisen wollte, beurteilen musste.

Das Schiff war für den Liniendienst auf der Route Bremerhaven (Kaiserhafen) – SouthamptonCherbourgNew York (Hoboken), New York – Cherbourg – Southampton – Bremerhaven vorgesehen und sollte neue Maßstäbe in Reisekomfort und Geschwindigkeit setzen. Bereits im September 1902 löste die Kronprinz Wilhelm die in sie gesetzte Erwartungen ein und gewann das Blaue Band für die bis dahin schnellste Überquerung des Nordatlantik. Dafür benötigte sie 5 Tage, 11 Stunden und 57 Minuten von Cherbourg nach New York, wobei sie eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 23,09 Knoten erreichte. Genau ein Jahr später verlor sie die Trophäe jedoch an den 1900 gebauten Schnelldampfer Deutschland, der der konkurrierenden HAPAG gehörte.

Mit ihrem Schwesterschiff, der Kaiser Wilhelm der Große, befuhr sie bis zum Kriegsbeginn 1914 ohne Unterbrechung die Atlantikroute, wobei der Norddeutsche Lloyd in Bremen noch zwei weitere luxuriöse Vierschornstein-Schnelldampfer bauen ließ, die ebenfalls bis 1914 den fahrplanmäßigen Dienst von Bremerhaven nach New York bedienten. Für beschaulichere Atlantikpassagen, die zwei bis drei Tage länger dauerten, stellte der Lloyd zusätzlich eine ganze Flotte von Doppelschrauben-Salonpostdampfern in Dienst.

Ihre letzte Reise als Passagierdampfer auf der Transatlantikroute begann für die Kronprinz Wilhelm am 21. Juli 1914 in Bremerhaven, den Anlegeplatz des Norddeutschen Lloyd in Hoboken/New York erreichte sie am 29. Juli 1914.

In ihrer Zeit als Passagierschiff fuhren viele berühmte internationale Persönlichkeiten der damaligen Zeit mit der Kronprinz Wilhelm. Unter anderem waren an Bord: der Theaterdirektor und Produzent Charles Frohman (1904); Stardirigent Alfred Herz (1909); die Ballett-Tänzerin Adeline Genée (1908); der Musicalautor und Produzent Oscar Hammerstein; der Erfinder und Schriftsteller John Jacob Astor (1906), der 1912 mit der Titanic unterging und der Multimillionär, Politiker und Rechtsanwalt Samuel Untermyer (1910).

Die Kronprinz Wilhelm beförderte nach den Unterlagen auf Ellis Island zwischen 1901 bis 1914 rund 138.526 Personen nach New York, wobei einige der gezählten Passagiere die Reise mehrfach antraten. Über die nach Europa beförderten Personen liegen zur Zeit keine Angaben vor.

Der Staatsbesuch im Frühjahr 1902

Am 16. Februar 1902 fuhr Prinz Albert Wilhelm Heinrich von Preußen, der Bruder Kaiser Wilhelms II., zum Staatsbesuch von Bremerhaven nach New York, wo er vom amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt und dessen Frau empfangen wurde.[8] Medienwirksam nutzte er dazu nicht die kaiserliche Jacht, sondern die neue, beeindruckende Kronprinz Wilhelm, auf der ihn eine Vielzahl von Pressevertretern begleiten konnte. Gleichzeitig fuhren 300 Kajütreisende und 700 „Zwischendecker“ (Passagiere der 3. Klasse) mit. Dieser Staatsbesuch war auch ein frühes Beispiel für das neue Medium Film. Erste kinematographische Reportagen entstanden. Mit dieser Reise trat auch ein neuer Kapitän seinen Dienst auf der Kronprinz Wilhelm an, August Richter.

Zwischenfälle und Unglücke

September 1901

Auf der Jungfernfahrt wurde die Kronprinz Wilhelm am 18. September 1901, dem Tag der Abfahrt von Cherbourg nach New York, bei schwerer See von einer riesigen Welle getroffen und erlitt dabei besonders an den vorderen Aufbauten erhebliche Beschädigungen. Unter anderem wurde ein Ventilator auf dem Vordeck und ein weiterer auf dem Sonnendeck weggespült. Die Welle schlug ein Loch in die Wand der Bibliothek unterhalb von Ruderhaus und Kapitänskajüte. Teile der Bibliothek sowie zwei von drei Fenstern dort wurden zerstört. Außerdem wurde ein Fenster auf der Brücke eingeschlagen. Viele begeisterte Passagiere dankten dem erfahrenen Kapitän Störmer, dass es zu keinem schlimmeren Unglück gekommen war. Nach der Ankunft in Amerika wurde zudem festgestellt, dass es mit den Maschinen während der Fahrt nicht die geringsten Schwierigkeiten gegeben hatte. [9]

Oktober 1902

In einer dichten Nebelbank kollidierte die Kronprinz Wilhelm am Morgen des 8. Oktober 1902[10] nach ihrer Abfahrt aus Southampton im Ärmelkanal mit dem britischen Dampfer Robert Ingham, der innerhalb von vier Minuten sank. Die Besatzung der Kronprinz Wilhelm rettete alle dreizehn Besatzungsmitglieder mit Ausnahme des Maats und eines Mannes namens Scott, dem einzigen Passagier an Bord. Bei der Untersuchung des Unglücks befand das Seeamt, „daß ein Verschulden der Führer der beiden Schiffe nicht vorliege. Die Maßnahmen der „Kronprinz Wilhelm“ seien vor und nach der Kollision sachgemäß und mit den gesetzlichen Vorschriften übereinstimmend gewesen.“ [11]

Juli 1907

Am Montag, dem 8. Juli 1907, rammte die Kronprinz Wilhelm unter Kapitän Richter auf einer Fahrt nach New York-Hoboken mit 1.172 Passagieren an Bord morgens um 12:20 Uhr einen Eisberg, der fälschlicherweise für eine Nebelbank gehalten worden war. Aufgrund der schwierigen Sicht war die Geschwindigkeit der Kronprinz Wilhelm bereits deutlich gesenkt worden, was neben dem schnellen Handeln der Mannschaft dazu führte, dass ein Unglück vermieden werden konnte. Die zwanzig Schotts der siebzehn wasserdichten Abteilungen waren innerhalb von dreißig Sekunden nach dem Zusammenstoß über eine Kontrolltafel im Kartenzimmer geschlossen worden. Es stellte sich heraus, dass der Eisberg nur die Farbe am Schiffsrumpf abgekratzt hatte und Tonnen von Eis auf dem Deck lagen. [12]

März 1908

Am 18. März 1908 wurde die Kronprinz Wilhelm unter Kapitän Nierich morgens um 7:25 Uhr bei der Einfahrt in die Upper New York Bay nahe Robbins Reef von dem britischen Frachter Crown of Castile gerammt. Bei dichtem Nebel hatte die Kronprinz Wilhelm mit nur 392 Zwischendeck-Passagieren an Bord durch regelmäßiges Pfeifen und Läuten auf sich aufmerksam gemacht, als das Unglück geschah, das glücklicherweise nur einen Steward des Passagierdampfers verletzte. Die Schäden wurden im New Yorker Hafen an der Pier des Norddeutschen Lloyd in Hoboken behoben. [13] Im anschließenden Gerichtsverfahren, das in New York stattfand, wurden beide Schiffe für schuldig befunden, da sich die Kronprinz Wilhelm in einer nicht vorschriftsmäßigen Position befunden haben soll und die Crown of Castile zu schnell fuhr. [14]

1914–1915: Hilfskreuzer der Kaiserlichen Marine

Leutnant Alfred Graf von Niezychowski. 1928 kam mit The Cruise of the Kronprinz Wilhelm seine Beschreibung der 251 Tage auf dem Hilfskreuzer heraus. 1931 erschien mit Kronprinz Wilhelm, der Luxusdampfer als Kaperschiff die deutsche Übersetzung

Nach dem Kriegsausbruch traf sich die Kronprinz Wilhelm auf hoher See mit dem Kleinen Kreuzer SMS Karlsruhe, um von diesem Geschütze, Munition und eine Marinebesatzung zu übernehmen. Vom 6. August an operierte die Kronprinz Wilhelm als Handelsstörer im Nordatlantik. Ihre Bewaffnung bestand aus zwei 8,8-cm-Geschützen und zwei 12-cm-Geschützen (wobei letztere allerdings ohne Munition waren). In den folgenden acht Monaten brachte die Kronprinz Wilhelm unter dem Kommando von Kapitänleutnant Paul Thierfelder (dem vormaligen Navigationsoffizier der Karlsruhe) insgesamt 14 Schiffe mit zusammen etwa 56.000 BRT auf, die entweder versenkt oder als Prisen nach Deutschland geschickt wurden. Einer der Offiziere Thierfelders war Leutnant Alfred Graf von Niezychowski, der nach der Internierung der Kronprinz Wilhelm in den USA nicht mehr nach Hause zurückkehrte, sondern die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangte und u.a. politisch aktiv wurde. In seinem 1928 in den USA erschienenen Buch The Cruise of the Kronprinz Wilhelm (dt. Titel: Kronprinz Wilhelm, der Luxusdampfer als Kaperschiff), werden viele Details der Kaperfahrt geschildert.

Am 14. September 1914 erreichte die Kronprinz Wilhelm, herbeigeführt durch Funksprüche des Hilfskreuzers SMS Cap Trafalgar, den Schauplatz des Gefechts zwischen der Cap Trafalgar und dem britischen Hilfskreuzer RMS Carmania nahe der brasilianischen Insel Trindade, allerdings war die Cap Trafalgar zu diesem Zeitpunkt bereits gesunken. Obwohl sie der schwer angeschlagenen Carmania möglicherweise ein Ende hätte bereiten können, dampfte die Kronprinz Wilhelm davon, um nicht selbst ein Opfer britischer Kriegsschiffe zu werden, die durch die Hilferufe der Carmania alarmiert worden waren.

Folgende Schiffe wurden innerhalb von acht Monaten von der SMS Kronprinz Wilhelm versenkt oder aufgebracht:

  • Fischer-Schoner Pittan, Russland, Heimathafen: Riga
  • Handelsdampfer SS Indian Prince, Großbritannien; aufgebracht am 7. September 1914
  • Hilfskreuzer SS La Correntina, Großbritannien; Houlder-Linie, Heimathafen: Liverpool; mit zwei 4,7-Zoll-Heckgeschützen bewaffneter Ex-Liniendampfer; aufgebracht am 7. Oktober 1914[15]
  • Viermastbark Union, Frankreich; aufgebracht am 28. Oktober 1914
  • Bark Anne de Bretagne, Frankreich; aufgebracht am 21. November 1914
  • Handelsdampfer SS Bellevue, Großbritannien; aufgebracht am 4. Dezember 1914
  • Handelsdampfer SS Mont Agel, Frankreich; aufgebracht am 4. Dezember 1914
  • Handelsdampfer SS Hemisphere, Großbritannien; Hemisphere SS Co. Ltd., Heimathafen: Liverpool; aufgebracht am 28. Dezember 1914
  • Handelsdampfer SS Potaro, Großbritannien; Royal Mail Steam Packet Co., Heimathafen: Belfast; aufgebracht am 10. Januar 1915
  • Liniendampfer SS Highland Brae, Großbritannien; H & W Nelson Ltd., Heimathafen: London; aufgebracht am 14. Januar 1915
  • Dreimastschoner Wilfred M., Großbritannien, Heimathafen: Bridgetown (Barbados); aufgebracht und versenkt am 14. Januar 1915
  • Bark Semantha, Norwegen; aufgebracht am 3. Februar 1915
  • Handelsdampfer SS Chasehill, Großbritannien; aufgebracht am 23. Februar 1915
  • Handelsdampfer SS Guadeloupe, Frankreich; aufgebracht am 9. März 1915
  • Passagierdampfer SS Tamar, Großbritannien, aufgebracht und versenkt im 24. März 1915
  • Handelsdampfer SS Coleby, Großbritannien; versenkt am 27. März 1915

Ernährungsprobleme

Auch an Bord des militärisch genutzten Hilfskreuzers Kronprinz Wilhelm herrschte keine Mangelernährung. So aßen sich die Matrosen nach Darstellung des Zahnarztes und Ernährungswissenschaftlers Carl Röse (1864 – 1947) „wahrhaft schlemmerhaft". Die tägliche Ration bestand aus drei Pfund Fleisch, Weißbrot und Büchsengemüse. Dennoch erkranke ein Viertel der Mannschaft an vermeintlichen „Hungerödemen" und wurde bettlägrig, da das deutsche Oberkommando die seit Jahren bekannten Warnungen anerkannter Ärzte vernachlässigt hatte, für eine ausgewogene Ernährung mit frischem Gemüse und weniger Fleisch zu sorgen. Balaststoffarmes Weißbrot sowie das zur Konservierung abgebrühte Büchsengemüse konnte nicht die notwendige Nahrungsergänzung liefern. Röse schloss in seiner Aussage über das Ende der Kronprinz Wilhelm als Kriegsschiff damit, dass der Kapitän aufgrund dieser hohen Ausfälle die Flagge streichen und einem amerikanischen Hafen anlaufen musste. Daher war für den Zahnarzt klar: „Das deutsche Schwein hat uns besiegt.“[16]

1915–1917 Internierung in den USA

Interniert 1915, aber noch unter deutscher Flagge

Nach insgesamt acht Monaten auf See, in denen die Kohleversorgung und der Gesundheitszustand der Mannschaft immer größere Probleme aufwarfen, war die Maschinenanlage schließlich in so schlechtem Zustand, dass der Kapitän das Schiff im April 1915 in den neutralen USA internieren ließ. Am 11. April nahm Kapitän Thierfelder vor der Chesapeake Bay einen amerikanischen Lotsen an Bord und ankerte am selben Tag vor Newport News in Virginia. Die Besatzung wurde interniert und das Schiff in Philadelphia eingemottet.

1917–1919 Truppentransporter der USA

Nach dem Kriegseintritt der USA am 6. April 1917 wurde das Schiff noch am selben Tag durch die Behörden des Hafens Philadelphia im Namen der USA in Besitz genommen. Am 22. Mai bestätigte eine Verordnung des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson diese Beschlagnahmung nachträglich. Gleichzeitig wurde die US-Navy mit dem Umbau des Schiffes zum Truppentransporter betraut. Nach Abschluss der Arbeiten, am 9. Juni 1917, erhielt die Kronprinz Wilhelm den neuen Namen USS Von Steuben, um an den preußischen Offizier und amerikanischen Revolutionsgeneral Freiherr Friedrich Wilhelm von Steuben zu erinnern. Ihr amerikanischer Liegeplatz blieb die Pier des Norddeutschen Lloyd in Hoboken.

Zusammenstoß mit der USS Agamemnon 1917

Als Truppentransporter bediente die Von Steuben die Route New York–Brest. Am 31. Oktober 1917 trat sie mit 1223 Soldaten und Passagieren ihre erste Transatlantikfahrt unter amerikanischer Flagge an. Am Morgen des 9. November, gegen 6:05 Uhr, stieß sie mit dem Truppentransporter USS Agamemnon zusammen und wurde beschädigt. Die Agamemnon war das Schwesternschiff der Kronprinz Wilhelm gewesen und 1903 als Kaiser Wilhelm II. in Dienst gestellt worden. Neben einem im oberen Bereich eingedrückten Bug wurden zwei ihrer 5-inch-Kanonen und eine ihrer 3-inch-Kanonen beschädigt. Mit einem gedrosselten Tempo von rund zwölf Knoten erreichte die Von Steuben drei Tage später Brest.

Hilfssaktion nach der Halifax-Explosion 1917

Die kanadische Provinzhauptstadt Halifax, im Ersten Weltkrieg Dreh- und Angelpunkt militärischer Operationen und Logistik, erlebte am 6. Dezember 1917 die größte nicht-nukleare Explosion der Geschichte, die Halifax-Explosion. Bei einer Kollision geriet der französische Munitionsfrachter Mont Blanc in Brand und explodierte, wobei mindestens 1635 Personen getötet und viele tausend weitere verletzt wurden. Die Explosion war so gewaltig, dass sie eine Flutwelle und heftige Erderschütterungen auslöste, während die enorme Druckwelle Bäume entwurzelte, Eisenbahnschienen verbog und zahlreiche Gebäude zerstörte, deren Trümmer über Hunderte von Metern weggeschleudert wurden. Am Morgen des 6. Dezember gegen 9:14 Uhr befand sich die Von Steuben rund 40 Meilen vor Halifax auf ihrem Weg in die USA, als der Ausguck die Flammen und Rauchsäulen der Explosion erkannte und sofort Männer in Booten angelandet wurden, um in der Stadt Hilfs- und Patroulliendienste zu leisten. Das Schiff blieb bis zum 10. Dezember vor Anker, bevor es seine Reise nach Philadelphia fortsetzte und dort am 13. Dezember eintraf.

Begegnung mit U 151 1918

Die USS Von Steuben am 28. Juni 1918 mit Tarnanstrich an der Pier des Norddeutschen Lloyd in Hoboken.

Am 18. Juni 1918 befand sich das Schiff auf der Rückreise von Frankreich nach New York, als es in den Hinterhalt eines deutschen U-Boots geriet. Gegen 12:30 Uhr hatte der Ausguck der Von Steuben Wrackteile gemeldet. Beim vorsichtigen zick-zack-förmigen Annähern fielen sieben Rettungsboote unter Segel auf, in denen es mögliche Überlebende zu retten gab. 20 Minuten nach der ersten Meldung machte der Ausguck einen Torpedo aus. In einem dramatischen Wendemanöver konnte das Schiff aus dem Schussfeld gedreht werden und begann nun seinerseits, Wasserbomben abzuwerfen und U 151 zu vertreiben. Die Überlebenden in den Rettungsbooten stammten von dem britischen Dampfer SS Dwinsk, den das U-Boot zuvor versenkt hatte. Nach dem Abschuss lag U 151 gestoppt in der Nähe der Boote auf Seerohrtiefe. Der Plan des deutschen Kommandanten war gewesen, die Überlebenden als Köder für mögliche hilfeleistende alliierte Schiffe zu benutzen. Am 20. Juni erreichte die Von Steuben New York und lief am 29. Juni erneut mit frischen Truppen aus.

Brand der USS Henderson 1918

Am 30. Juni bildete die Von Steuben auf der Fahrt nach Frankreich mit anderen Transportern einen Konvoi. Gegen Mittag des 2. Juli brach an Bord der mitfahrenden USS Henderson ein Brand aus. Es gelang der Von Steuben, sich dem brennenden Schiff zu nähern und über Nacht mehr als 2000 Soldaten zu übernehmen. Die beschädigte Henderson kehrte in die USA zurück, während die nun überbesetzte Von Steuben am 9. Juli in Brest eintraf.

Grippe-Epidemie 1918

Der Truppentransporter USS Von Steuben (ID-3017) am 1. September 1919 in New York, als er amerikanische Soldaten aus Frankreich nach Hause brachte.

Auf einer anderen Reise von New York nach Brest im Jahr 1918 ereignete sich an Bord eine Grippe-Epidemie unter den 2700 geladenen Soldaten. 400 mussten ins Lazarett eingeliefert werden und 34 starben.

1919–1923 Kommerzieller Dienst

Obwohl der Name des Schiffes am 14. Oktober 1919 von der Liste der US-Marine gestrichen wurde, blieb sie der United States Shipping Board (USSB) unterstellt und fuhr zunächst als Baron von Steuben und ab 1921 wieder als Von Steuben für die Vereinigten Staaten in kommerziellen Diensten. 1923 wurde sie aus dem Handelsregister gestrichen und von der Boston Iron & Metals Co abgewrackt.

Kapitäne

SS Kronprinz Wilhelm

Nr. Name Lebensdaten Borddienst Bemerkung
1 Berhard Friedrich Adolf Ludwig Störmer (* 17. Januar 1844 – † 6. Juli 1905) 17. September 1901 bis Dezember 1901 Am 15. November 1902 wurde er Navigationsinspektor beim Lloyd und ging am 1. April 1904 in Rente.[17][18]
2 August Richter Februar 1902 bis August 1907 Er wurde für die 100. Fahrt in seiner Karriere am 6. März 1907 vom Großherzog von Oldenburg mit dem Ritterkreuz Zweiter Klasse mit silberner Krone und vom Norddeutschen Lloyd mit einem Ehrengeschenk ausgezeichnet.[19]
3 Richard Nierich September 1907 bis November 1912 Nierich war 1877 beim Lloyd eingetreten, 1889 Kapitän geworden und hatte ab April 1899 das Kommando über die Bremen (1897). 1904 wurde er für seine 100. Ozeanüberquerung vom Norddeutschen Lloyd mit einem Ehrengeschenk ausgezeichnet.[20][21]
4 Burghard Wilhelmi April 1913 bis Juni 1914
5 Kurt Grahn † 1928 [22] Juli 1914 bis 6. August 1914 Er wurde ab 6. August 1914 Erster Offizier an Bord der Kronprinz Wilhelm. Grahm starb 1928 mit 60 Jahren auf der Brücke des NDL-Dampfers Stuttgart an Herzversagen.[23]
6 Kapitänleutnant Paul Wolfgang Thierfelder 6. August 1914 bis 11. April 1915

USS Von Steuben

Nr. Name Lebensdaten Borddienst Bemerkung
1 Leutnant Charles H. Bullock, USN ab 9. Juni 1917

Atlantiküberquerungen

Die Kronprinz Wilhelm wurde im regelmäßigen monatlichen Liniendienst von Bremen über Southampton, Cherbourg nach New York und zurück eingesetzt. Unregelmäßig, auch aufgrund von Überholungen und Umbauten, kam es zum Aussetzten des Linienverkehrs. In dieser Zeit mussten die Schwesternschiffe der Kronprinz Wilhelm den Verkehr auffangen.

  • 17. September 1901 bis Dezember 1901 unter Kapitän Ludwig Störmer. Im Januar 1902 erfolgte keine Fahrt.
  • Februar 1902 bis August 1907: unter Kapitän August Richter. In folgenden Monaten erfolgten keine Fahrten: Januar 1903; Januar, Februar, November, Dezember 1904; Dezember 1905; Januar, Februar, November 1906.
  • September 1907 bis November 1912: unter Kapitän R. Nierich. In folgenden Monaten erfolgten keine Fahrten: Januar, Februar, November, Dezember 1908; Januar, Februar, November, Dezember 1909; Februar, März, Dezember 1910; Dezember 1911; März, November 1912; Januar, Februar, März 1913.
  • April 1913 bis Juni 1914 unter Kapitän B. Wilhelmi. Von November 1913 bis März 1914 erfolgte keine Fahrt.
  • Juli 1914 bis 6. August 1914 unter Kapitän Kurt Grahn.

Die Schnelldampferklasse des Norddeutschen Lloyd vor 1914

Alle vier Dampfer dieser Klasse besaßen vier Schornsteine und entsprechend starke Antriebsmaschinen mit Leistungen von etwa 30.000 PS.

  • Kaiser Wilhelm der Große (1897 bis 1914; 23 kn Durchschnittsgeschwindigkeit, Blauer-Band-Gewinner)
  • Kronprinz Wilhelm (1901 bis 1923; Schwesterschiff der Kaiser Wilhelm der Große; 23 kn Durchschnittsgeschwindigkeit, Blauer-Band-Gewinner)
  • Kaiser Wilhelm II. (1902 bis 1940; 23,57 kn Durchschnittsgeschwindigkeit, Gewinner des Blauen Bandes)
  • Kronprinzessin Cecilie (1907 bis 1940; 23,6 kn Durchschnittsgeschwindigkeit)

Literatur

  • Alfred Graf von Niezychowki, Kronprinz Wilhelm – der Luxusdampfer als Kaperschiff, Wilhelm Köhler Verlag, Leipzig 1931; übersetzt von Georg von Hase mit einer Einleitung von Felix Graf von Luckner

Filmographie

  • „Kronprinz Wilhelm“ with Prince Henry (of Prussia) on Board Arriving in New York, Dokumentation, USA, Februar 1902

Einzelnachweise

  1. „Norddeutscher Lloyd, Bremen, Jahrbuch“, Verlag H.M. Hauschild, Bremen 1910, S. 64
  2. Armin Wulle: Der Stettiner Vulcan. Koehlers Verlagsgesellschaft mbH, Herford 1989, ISBN 3-7822-0475-1, S. 41
  3. Horst Adamietz, Barbara Fiebelkorn: Gezeiten der Schiffahrt, Verlag H. Saade, 1984, ISBN 3922642098, S. 95
  4. Robert Schachner: Das Tarifwesen in der Personenbeförderung der transozeanischen Dampfschiffahrt, G. Braun Verlag, 1904, S. 52
  5. Georg Otto Adolf Bessell: Norddeutscher Lloyd, Verlag C. Schünemann, 1957, S. 76
  6. Armin Wulle: Der Stettiner Vulcan. Koehlers Verlagsgesellschaft mbH, Herford 1989, ISBN 3-7822-0475-1, S. 41
  7. Sonntags-Ausgabe des Berliner Tageblatts vom 16. Februar 1902, S. 10
  8. Sonntags-Ausgabe des Berliner Tageblatts vom 16. Februar 1902, S. 1
  9. The New York Times vom 26. September 1901, S. 16
  10. Morgen-Ausgabe der Vossische Zeitung vom 6. März 1903, S. 12
  11. Morgen-Ausgabe der Vossische Zeitung vom 6. März 1903, S. 12
  12. The New York Times vom 11. Juli 1907, S. 7
  13. The New York Times vom 19. März 1908, S. 14
  14. The New York Times vom 19. August 1908, S. 4
  15. J. H. W. Verzijl, Verzijl: „International law in historical perspective: Law of Neutrality V. 10“, Martinus Nijhoff Publishers, 1979, ISBN 9028601589, S. 255
  16. Uwe Heyll: „Wasser, Fasten, Luft und Licht“, Campus Verlag, 2006, ISBN 3593379554, S. 225
  17. The New York Times vom 7. Juli 1905, S. 7
  18. Reinhold Thiel: Die Geschichte des Norddeutschen Lloyd 1857-1970, Band 3, Verlag H.M. Hauschild, 2004, ISBN 3897571668, S. 64
  19. The New York Times vom 21. Februar 1907, S. 7
  20. Thomas Stamm-Kuhlmann, Jürgen Elvert, Birgit Aschmann, Jens Hohensee (Hrsg.): Geschichtsbilder, Franz Steiner Verlag, 2003, ISBN 3515082522, S. 581
  21. Reinhold Thiel: Die Geschichte des Norddeutschen Lloyd 1857-1970, Band 3, Verlag H.M. Hauschild, 2004, ISBN 3897571668, S. 128
  22. Time-Magazin vom 01. Oktober 1928
  23. Time-Magazin vom 01. Oktober 1928

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