SSB GT6

SSB GT6
SSB GT6
Anzahl: 5 Triebwagen
Hersteller: Waggonfabrik Fuchs, Maschinenfabrik Esslingen
Baujahr(e): 1953–1958
Achsformel: B'2'B'
Länge über Kupplung: 24.960 bzw. 25.000 mm
(je nach Ausführung)
Breite: 2.200 mm
Leermasse: 23,1 bzw. 24,4 t
(je nach Ausführung)
Höchstgeschwindigkeit: 60 km/h
Stundenleistung: 4×48 kW = 192 kW
4×60 kW = 240 kW
(je nach Ausführung)
Sitzplätze: 57–61 (je nach Ausführung)

Der GT6 der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) war ein sechsachsiger meterspuriger Gelenktriebwagen mit zwei Triebdrehgestellen und einem mittig angeordneten Laufdrehgestell der Bauart Jakobs, auf dem sich die Fahrzeughälften und der faltenbalgartige Übergang abstützten. Es handelte sich um fünf Prototypen, die in den 1950er Jahren auf Anregung des damaligen technischen Direktors der SSB, Prof. Alfred Bockemühl (1896–1992), konstruiert wurden, sich gestalterisch am ebenfalls von Bockemühl entworfenen Dresdner „Hechtwagen“ orientierten und sich bewusst technisch und optisch unterschieden.

Inhaltsverzeichnis

Untertypen, Gestaltung und Ausstattung

Bei der Gestaltung spielte unter anderem eine Rolle, dass Alfred Bockemühl Anthroposoph war. Die Vermeidung scharfer Ecken mittels Rundungen am Wagenkasten wie an den Fenstereinfassungen entsprach aber dem damaligen Trend (Vgl. Duewag-Einheitswagen). Das windschnittige Äußere mit den spitz zulaufenden Stirnseiten galt als modern und hatte sich beim Hechtwagen bereits bewährt. Der Innenraum war mit verschiedenen Kombinationen von Pastelltönen gestaltet:

  • Typ 1: Sitze aus rotem Kunstleder, grüne Deckenlackierung
  • Typ 2: Sitze aus grünem Kunstleder, gelbe Deckenlackierung
  • Typ 3–5: Sitze aus blauem Kunstleder, rosa Deckenlackierung

Die Wagen waren für Einrichtungsbetrieb und Solotraktion (allerdings mit Notkupplung zum Abschleppen) ausgelegt und hatten vier druckluftbetätigte, außenliegende, wegen ihres langsamen Laufs als „Eieruhren“ bezeichnete Einzelschiebetüren, keine Innentüren, sie besaßen eine mit einer verglasten Edelholzwand abgetrennte Fahrerkabine mit Fahrersitz und zwei Schaffnerkabinen in Fahrzeugmitte.

Entwicklung und Technik

Der GT6 wurde entwickelt, weil ab den 50er Jahren das Fahrgastaufkommen in Stuttgart geradezu sprunghaft angestiegen war, selbst die nachträgliche Beschaffung von 30 Zweiachsern nach bewährten Vorkriegsplänen zur Deutschen Gartenschau 1950 und zum Evangelischen Kirchentag 1952 brachte kaum eine spürbare Entspannung. In Deutschland zeichnete sich, vor allem nachdem der damalige Verband öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV) seinen „Verbandswagentyp“ (der für Stuttgart aber aus technischen Gründen nicht in Frage kam) vorgestellt hatte, eine Entwicklung zu modernen Großraumtriebwagen ohne Zwischentüren ab, außerdem plädierten SSB-Direktor Bockemühl und andere Nahverkehrswissenschaftler bereits damals für ein weitgehend gestrafftes Netz aus Durchmesserlinien, die an den Ein- und Ausfallstrecken auf besonderem Bahnkörper und mit bis zu 60 km/h geführt werden sollten, wofür leistungsstarke sechsachsige Gelenkwagen zu beschaffen seien.

So besaßen die 1953 und 1954 ausgelieferten Typen 1 bis 3 vier Motoren mit je 48 bzw. 58 kW Leistung, die Typen 4 und 5 zwei Motoren mit je 120 kW Leistung. Ins Auge fielen auch die erstmalig verwendeten Drehgestelle, das von Aufbauten völlig frei gehaltene Dach und der neuartige Scherenstromabnehmer, der anstelle der bisher üblichen Rollenstromabnehmer und bei Typ 1 überhaupt zum ersten Mal bei einem SSB-Fahrzeug zum Einsatz kam. Neu war außerdem das Prinzip des Fahrgastflusses: die Fahrgäste sollten an den mittleren Türen einsteigen und je nachdem, in welcher Wagenhälfte sie sich befanden, nach vorne oder nach hinten an der jeweiligen Schaffnerkabine vorbei Richtung Fahrzeugende durchlaufen. Nicht zuletzt auch durch die edle Ausstattung und das elegante Äußere galten die Wagen bei der SSB als etwas Besonderes; das Fahrpersonal hatte seinen Dienst anfangs sogar in weißen Handschuhen zu versehen.

Einsatz

Die GT6 verfügten mit ihrer Breite von 2,20 m (statt bisher 2,10 m), verbunden mit ihrer Überlänge von nahezu 25 m bzw. 2 x 12 m, über ein ungewohnt breites Lichtraumprofil und einen Kurvenausschlag, der dem von starren Vierachsern nahe kam. Auf dem Anfang der 50er Jahre vorhandenen Schienennetz der SSB wäre unter diesen Umständen ein Einsatz ohne Zugbegegnungsverbote nur auf dem Abschnitt Hauptbahnhof – Neue Weinsteige – Möhringen (Südabschnitt Linie 5), der seit den 30er Jahren durch den Mischbetrieb mit Filderbahnfahrzeugen großprofilig ausgebaut war, sowie auf einigen eingleisigen Abschnitten in Außenbezirken (sofern Wendeschleifen vorhanden waren) möglich gewesen. Ein Ausbau oder notwendigerweise auch die Einstellung des engprofiligen innerstädtischen Restnetzes war aber, wie bereits bei der Auftragsvergabe für den GT6 klar wurde, allenfalls mittelfristig zu verwirklichen. Aus der Not heraus, aber auch mit der Vorgabe, von den neuen technischen Errungenschaften des GT6 weiterhin zu profitieren und Züge aus Trieb- und Beiwagen bedarfsgerecht zusammenstellen zu können, entwickelten die SSB und die Maschinenfabrik Esslingen (ME) ab 1954 zusätzlich den T2 als „kleinen Hecht“ der es immerhin auf 123 Exemplare zuzüglich 146 Beiwagen des Typs B2 brachte.

Bockemühl betonte aber bei der (verspäteten) Lieferung der letzten beiden GT6 1958 weiterhin, der Betrieb müsse sich auf größere Einheiten umstellen, also den GT6, den unterdessen von der ME angekündigten Kurzvierachser (den späteren GT4 und aus älteren Zweiachsern zu konstruierende Zwillingstriebwagen. Allerdings blieb es bei letztgenannten ebenfalls lediglich bei einem Prototypen.

Ab Herbst 1958 begann auf den zwischenzeitlich ausgebauten Linien 5 und 6 (Gerlingen –) Hauptbahnhof – Möhringen der offizielle Probebetrieb in planmäßigen Kursen sowie als Verstärker auf der Linie 16 Feuerbach – Nordbahnhof – Charlottenplatz. Technische „Kinderkrankheiten“, die fehlkonstruierten Schiebetüren und der für die Fahrgäste schwer nachvollziehbare Fahrgastfluss sorgten bei diesen und beim Personal für Unmut, es kursierten bald sogar Schimpfworte wie „Bocke-Mühle“ und „Stefanie“ (= “steht immer, fährt nie“). Mit Erleichterung reagierten also alle Beteiligten 1959 auf die Lieferung der ersten GT4, die die ME inzwischen unabhängig von der Entwicklung des GT6 herausgebracht hatte. Dieser übernahm zwar die gefälligen äußeren Attribute der Vorgängertriebwagen, zeichnete sich aber mit seiner neuartigen Gelenkkonstruktion und der Kompatibilität mit T2 und B2 durch hohe Flexibilität und sofortige Einsetzbarkeit auf den meisten Strecken aus. Durch den übersichtlichen Fahrgastdurchlauf von hinten nach vorne, funktionssichere Schwingtüren mit Trittkontakt und die Einsparung eines Schaffners war der GT4 zum bevorzugten Fahrzeugtyp bei der SSB geworden, die GT6 hatten sich als personell und betrieblich unwirtschaftlich erwiesen und somit ihre Bedeutung verloren. Zug um Zug verschwanden die Wagen schon ab 1959 wieder aus dem Planeinsatz, mehrere Rahmenbrüche und ein Brandschaden führten 1965, als die letzten der insgesamt 350 GT4 ausgeliefert waren, zur endgültigen Stilllegung und anschließenden Verschrottung der Sechsachser.

Weiterverwendung

Die gut laufenden Drehgestelle der Wagen 4 und 5 gingen nach deren Verschrottung 1968 an die Straßenbahn Esslingen–Nellingen–Denkendorf (END), die sie als Ersatzteilspender für ihre Neubauzüge 12 und 13 verwendete. Das Laufgestell des Wagens 3 wurde 1970 in den SSB-Schneepflug 2097 (verkauft 1990) eingebaut, seine beiden Triebgestelle kamen 1973 im Untersatz für den Schienenkran ("Gleisbaukran" ) mit Betriebsnummer 2032 (verkauft 2000 nach Beschädigung ) zur Verwendung.

Sechsachsige und später acht- bis zwölfachsige Jakobs-Gelenkwagen stellte u. a. die Firma Düwag ab 1956 in großer Serie her, sie kamen in vielen Städten in Westdeutschland jahrzehntelang und teilweise bis heute zum Einsatz, nur eben gerade nicht in ihrer Entwicklungsstadt Stuttgart.

Literatur

  • Gottfried Bauer, Ulrich Theurer u. Claude Jeanmaire: Die Fahrzeuge der Stuttgarter Strassenbahnen = Tramcars of Stuttgart. - Verl. Eisenbahn, Villigen (Schweiz) 1979, ISBN 3-85649-033-7
  • Über Berg und Tal – Nachrichtenblatt der Stuttgarter Straßenbahnen AG / Stuttgarter Straßenbahnen AG (Hrsg.)
  • Sinntalkurier 10 - Informationsschrift der Interessengemeinschaft Sinntalbahn (weitere Informationen zum Verbleib des Schienenkrans 2032 nach dem Jahr 2000, s.S. 80 ebd.) [1]

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