Stuttgarter Historische Straßenbahnen

Stuttgarter Historische Straßenbahnen
Die „Straßenbahnwelt Stuttgart“ am Eröffnungswochenende

Der 1987 gegründete Verein Stuttgarter Historische Straßenbahnen e. V. (SHB) dokumentiert mit historischen Fahrzeugen aus den Jahren 1868 bis 1986 sowie Gegenständen aus Betrieb und Technik die Geschichte der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) und benachbarter bzw. betrieblich mit ihr verbundener Verkehrsunternehmen wie z. B. der Filderbahn-Gesellschaft, der Städtischen Straßenbahn Feuerbach (SSF), der Eßlinger Städtischen Straßenbahn und der Straßenbahn Esslingen–Nellingen–Denkendorf (END). Hierzu betreibt der Verein als Eigentümer der Fahrzeuge und technischen Anlagen in Zusammenarbeit mit der Stuttgarter Straßenbahnen AG in Bad Cannstatt das Museum "Straßenbahnwelt Stuttgart"[1] (davor von 1995 bis 2007 das "Straßenbahnmuseum Zuffenhausen"), von dem aus auch Rundfahrten historischer Oldtimerlinien über den erhaltenen Teil des meterspurigen Stuttgarter Gleisnetzes stattfinden.

Ausstellungen beispielsweise über Gleis- und Oberleitungsbau und umfangreiche Dokumentationen präsentierten nahezu die gesamte Entwicklung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Raum Stuttgart (mit Ausnahme der S-Bahn Stuttgart und nicht zur SSB gehörender Autobuslinien).

Inhaltsverzeichnis

Ausstellung

Den Kern der Ausstellung bildeten in der alten Zuffenhäuser Wagenhalle zuletzt 36 historische Straßenbahnfahrzeuge aus Stuttgart und Umgebung, ein historischer Zug der Zahnradbahn, sieben Omnibusse (aus Platzgründen zumeist im Omnibusbetriebshof Gaisburg untergebracht), zwei unterschiedliche Hälften der Stadtbahn-Prototypen sowie schienen- und straßenbündige Arbeitsfahrzeuge. Ein Teil des Museumsbestandes befindet sich allerdings noch in Aufarbeitung oder wurde schon zu Zuffenhäuser Zeiten nach Bad Cannstatt ausgelagert, wodurch er damals für die Öffentlichkeit im Allgemeinen unzugänglich war. Auch in der heutigen Straßenbahnwelt in der unteren Halle Bad Cannstatt aus dem Jahre 1929 kann aus Platzgründen nur ein Teil der Sammlung präsentiert werden, dafür wurden durch unterschiedliche Themeninseln (u.a. "Sitze" oder "Kupplungstechnik"), Schautafeln, oder didaktisch besonders aufbereitete Schaustücke wie eine manuell bedienbare Signalwand oder eine begehbare Wartungsgrube unter einem GT4 verschiedene Themenkomplexe noch besser und direkter erlebbar dargestellt. Auf einer im Aufbau befindlichen Modellstraßenbahnanlage werden außerdem in Eigenbau erstellte Modellfahrzeuge im Maßstab 1:22,5 vorgeführt, die teilweise durch einen originalen Kurbelfahrschalter gesteuert werden.

Einen hohen Stellenwert nahm und nimmt der historische Fahrbetrieb ein, der in der Regel immer sonntags auf den Museumslinien 21 und 23 und zu verschiedenen Anlässen auf dem gesamten verbliebenen Meterspurnetz der SSB durchgeführt wird. Nach Umstellung der letzten Straßenbahnlinie 15 und Aufgabe des Standortes Zuffenhausen sowie der Überführungsstrecke zur Hauptwerkstatt Möhringen sind dies nunmehr folgende Strecken:

  • "Depotrunde": Halle Cannstatt - Daimlerstraße - Mercedesstraße - Halle Cannstatt (eingleisige reine Straßenbahnstrecke, Einsatz von Altbaufahrzeugen mit schmalen Radreifen oder / und Überbreite möglich). Ab Frühjahr 2010 ist die Wendeschleife allerdings aufgrund des Umbaus der oberen Halle und des Gleisvorfeldes an der Daimlerstraße für die Dauer von voraussichtlich zwei Jahren unterbrochen, während dieser Zeit bleibt lediglich das Wendedreieck an der Mercedesstraße befahrbar.
  • "Stadtschleife" (Linie 21): Bad Cannstatt - Charlottenplatz - Berliner Platz (Hohe Straße) - Hauptbahnhof - Bad Cannstatt (Einsatz von Dreiwagenzügen möglich).
  • "Große Runde" (Linie 23): Bad Cannstatt - Pragstraße - Nordbahnhofstraße - Hauptbahnhof - Charlottenplatz - Alexanderstraße - Ruhbank / Fernsehturm und zurück (Panoramastrecke mit bis zu 8,5% Steigung, deshalb nur Einsatz von Solo- und Zweiwagenzügen möglich).

Straßenbahnfahrzeuge

Zurzeit sind folgende Triebwagen (Tw) und Beiwagen (Bw) für den Personenverkehr zugelassen:

  • Tw 222 (Baujahr 1904, sog. „Jubiläumswagen“), wird zu besonderen Anlässen mit einer Sondergenehmigung in Betrieb genommen
  • Tw 418, Baujahr 1925 (mit Holzlängssitzen und Handbremse)
  • Tw 851, Baujahr 1939 (sog. „Gartenschauwagen“)
  • Tw 276, Baujahr 1952 (nach alten Plänen der Reihe 200 von 1926 nachgebaut, letzte Fahrzeugserie mit Holzaufbau in Stuttgart)
  • Tw 802, Baujahr 1954 (Typ T2)
  • Tw 917, Baujahr 1965 (Typ DoT4, aus zwei T2 zusammengebaut)
  • Bw 1369 und 1390, Baujahr 1950 (BW 1369 wahlweise hinter Altbau-Zweiachstriebwagen oder hinter Typ T2 / B2 verwendbar)
  • Bw 1241, Baujahr 1953 (ehemaliger Reutlinger Beiwagen 41, der annähernd der Stuttgarter Vorkriegsbaureihe 1200 entspricht)
  • Bw 1547 und 1605, Baujahr 1955/1956 (sog. „Schiffle“, passend zum Typ T2), davon letzterer auch als Mittelwagen verwendbar.
  • GT4 401, Baujahr 1961 (mit Fahrschuleinrichtung; alle GT4, soweit nicht anders angegeben, führende Triebwagen im letzten, modernisierten Betriebszustand von 2007)
  • GT4 450, Baujahr 1961
  • GT4 471, Baujahr 1961 (nicht modernisiert, weitgehend originale Innenausstattung mit Kunstledersitzen)
  • GT4 629, Baujahr 1963
  • GT4 630, Baujahr 1963
  • GT4 631, Baujahr 1963
  • GT4 632, Baujahr 1963

Omnibusse

O 322
  • Mercedes-Benz O 322, Baujahr 1961, Betriebsnummer 241 (sog. „Kleiner Stadtbus“, wurde bis 1979 als Fahrschulwagen eingesetzt)
  • Mercedes-Benz O 317 G, Baujahr 1974, Betriebsnummer 7177 (bekam den Namen „Gottlieb Schlenkerle“)
  • Mercedes-Benz O 305, Baujahr 1980, Betriebsnummer 5886 (bekam nach seiner Reklamebeschriftung den Namen „Otto Wetzel“ und gehört seit Ende 2005 zum Bestand des Mercedes-Benz Museums in Bad Cannstatt)
  • Mercedes-Benz O 305 G, Baujahr 1984, Betriebsnummer 7453 (sog. „Kunstbus“ mit dem Außengemälde Gentle Chaos von Lowell Boileau)
  • Mercedes-Benz/Vetter O 307, Baujahr 1981, Betriebsnummer 6666
  • Mercedes-Benz O 405 G, Baujahr 1986, Betriebsnummer 7307 (der letzte O 405 G aus der ersten Lieferung dieses Typs an die SSB im Bestand)
  • Mercedes-Benz O 405 GTD, Baujahr 1994, Betriebsnummer 327 des SVE (Duo-Bus, unzugänglich hinterstellt)
  • Mercedes-Benz O 405 GNDE, Baujahr 1997, Betriebsnummer 7014 (Niederflur-Gelenkbus mit Diesel-elektrischem Antrieb durch Radnabenmotoren an Mittel- und Antriebsachse, nicht betriebsfähig, 2010 als Leihgabe im neu eingerichteten "Zentrum für Elektromobilität" in der Stuttgarter Türlenstraße öffentlich ausgestellt)

Entstehung der Museumssammlung

Vorgeschichte

Straßenbahnbetrieb in Cannstatt 1907

Die SSB besaßen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen äußerst vielgestaltigen Fahrzeugpark. Im Zweiten Weltkrieg erlitten die SSB zwar schwere Verluste an Anlagen und Fahrzeugen, trotzdem blieb die Vielfalt im Fuhrpark bis in die 1950er Jahre bestehen. Die besondere Topographie Stuttgarts und die teilweise sehr beengten Verhältnisse erforderten immer wieder neue und besondere Lösungen bei Fahrzeugentwicklungen, hinzu kamen noch die Fahrzeuge der übernommenen Betriebe wie der Filderbahn, der Feuerbacher und der Esslinger Straßenbahn. In den Wiederaufbau- und Wirtschaftswunderjahren standen die Zeichen ganz auf Modernisierung: neue Baureihen wie GT6, T2 und GT4 lösten die teilweise noch aus Pferdebahnzeiten stammenden alten Wagen ab, musealer Erhalt passte damals nicht zum Zeitgeist. Die SSB hatten in jenen Jahren mit einem massiven Imageproblem zu kämpfen, das maßgeblich von Unfällen mit altem Fahrzeugmaterial geprägt war. Gleichwohl gab es engagierte Mitarbeiter und Straßenbahnfans, die mit Wissen der Betriebsleitung historische Fahrzeuge in den nicht benutzten Abstellgleisen pflegten und so vor der Verschrottung bewahren wollten. Dies galt besonders für das ehemalige Depot Nr. 2 „Westend“, das aufgrund seiner Enge von den neuen Fahrzeugen nur teilweise oder gar nicht befahren werden konnte.

Ab dem 19. Juni 1964 wurde die Linie 6 von Stuttgart bis Echterdingen durchgebunden und die obere Filderbahn fortan ausschließlich mit Straßenbahnfahrzeugen bedient. Von einem Tag auf den anderen wurde die komplette alte, historisch wertvolle Filderbahnflotte abgestellt und wenige Wochen später bis auf Wagen 126 verschrottet. Dieser wurde ausgewählt, da man sich die Befahrbarkeit auch auf Innenstadtstrecken versprach, was mit den Maximumtriebwagen nicht möglich gewesen wäre.

Vorgängergruppierungen

Dem aus den Verkehrsfreunden Stuttgart (VfS) hervorgegangenen Verein Gesellschaft zur Erhaltung von Schienenfahrzeugen (GES) gelang es ab 1965 einen Grundstock für eine Fahrzeugsammlung zu legen, bevor sich der Verein ab 1971 ganz auf den Erhalt von Eisenbahn-Fahrzeugen konzentrierte.

1966/1967 mussten auf Anordnung des Technischen Vorstandes die Betriebsanlagen der SSB von allen nicht mehr benötigten Fahrzeugen geräumt werden, die Straßenbahnfreunde wurden aufgefordert, die historischen Fahrzeuge vom Netz der SSB zu entfernen. Da die erforderlichen Finanzmittel nicht aufgebracht werden konnten, wurden die Fahrzeuge in der Folge verschrottet. Lediglich einige Arbeitsfahrzeuge überstanden diese Aktion, sie waren zu dieser Zeit aber auch noch in Gebrauch. Mit Triebwagen 126 konnte erstmals ein Fahrzeug von der GES auf ein privates Grundstück in Ludwigsburg verbracht werden und blieb so erhalten. Wagen 126 kehrte später auf das Gleisnetz der SSB zurück. Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhang die Reutlinger Straßenbahn bleiben. Bis zu deren Einstellung 1974 (und darüber hinaus) überdauerten dort etliche ehemalige SSB-Wagen die Stuttgarter Verschrottungen.

Nach dem Erfolg des Jubiläumsverkehrs 1968 änderte die SSB ihre Einstellung zur Geschichtspflege und hinterstellte die verbliebenen, historisch bedeutsamen Wagen für eine künftige Museumssammlung zunächst in Ostheim und ab 1976 im kaum noch genutzten Depot Gerlingen.

Der 1976 gegründete Amateurverein Straßenbahnmuseum Stuttgart (SMS) konnte zunächst Erfolge vorweisen, als er zum 50-jährigen Bestehen der Städtischen Straßenbahn Feuerbach–Gerlingen (SSF) einen äußerlich das Vorbild nachahmenden Feuerbacher Zug präsentierte (s. u.), 1978 zwei Pferdebahnwagen für Sondereinsätze nachbaute und die fahrbereite Aufarbeitung des heutigen Museumstriebwagens 418 veranlasste.

Mit der Zeit übernahm sich der Verein jedoch. Der Versuch, 1978 bis 1980 aus den übernommenen END-Anlagen eine Museumsstraßenbahn aufzubauen, schlug ebenso fehl wie Pläne, die Härtsfeldbahn von Aalen bis Ebnat wiederzubeleben (1984) oder im badischen Schönau ein Freiluft-Großmuseum mit multifunktionaler Museumsstrecke nach Neckarsteinach einzurichten (ab 1985). Die Sammlung wurde aufgrund eines Beschlusses der HV geteilt, da in Stuttgart und Umgebung zu dieser Zeit keine Unterbringungsmöglichkeiten für eine Gesamtsammlung vorhanden waren. Nach Schönau wurden überwiegend Fahrzeuge gebracht, die weniger Stuttgarter Lokalbezug hatten und meist nicht aufgearbeitet waren. Die SSB verweigerte dem SMS, der sich von seinen Wurzeln völlig entfernt hatte, jede weitere Zusammenarbeit, die letzten Reste der Schönauer Fahrzeugsammlung fanden Mitte der 1990er Jahren ein trauriges Ende.

Geschichte des Vereins Stuttgarter Historische Straßenbahnen

In Stuttgart entstand ab 1985 die Interessengemeinschaft Stuttgarter Straßenbahnmuseum (IGSSM) aus Mitgliedern des SMS, um mit in Stuttgart verbliebenen Sammlungsteilen des SMS mit lokalem Bezug ein Museum zu eröffnen. Die IGSSM setzte verstärkt auf enge Zusammenarbeit und Austausch mit der Stuttgarter Straßenbahnen AG. Dabei ist zu bemerken, dass ohne diese weitgehende Kooperationsbereitschaft auch keine Möglichkeiten für das Wirken eines Vereins gegeben gewesen wären, vielmehr wollten die SSB dieses mal „die Zügel in der Hand behalten“. Die IGSSM konnte als erstes Projekt 1986 den äußerlich hergerichteten Tw 276 auf einer großen Fahrzeugschau anlässlich des Gerlinger Straßenfestes präsentieren. 1987 ging die IGSSM im Verein Stuttgarter Historische Straßenbahnen auf und konnte am 29. April 1989 in der kleinen ehemaligen Gerlinger Wagenhalle der SSB ein provisorisches Straßenbahnmuseum eröffnen. 1993 verlor dieses durch den Stadtbahnausbau seinen meterspurigen Gleisanschluss. Am 16. Mai 1995 wurde das neue „Straßenbahnmuseum Zuffenhausen“ im 1994 stillgelegten SSB-Betriebshof Zuffenhausen eröffnet, von wo aus wieder ein Verkehr auf dem verbliebenen Meterspurnetz möglich war. Mit Umstellung der am Museum vorbeiführenden Linie 15 als letzter Meterspur-Straßenbahnlinie der SSB auf Stadtbahnbetrieb wurde ein weiterer Umzug notwendig, wegen der Bauarbeiten wurde das Museum am 28. Oktober 2007 geschlossen. Am 4. Juli 2009 wurde im denkmalgeschützten ehemaligen Straßenbahn-Betriebshof Nr. 5 in Bad Cannstatt die neue „Straßenbahnwelt Stuttgart“ eröffnet.

Einige besondere Fahrzeugschicksale

Tw WN 26

Der ehemalige Filderbahn-Triebwagen Nr. 126, Baujahr 1912, hat wohl die aufwändigste Rettungsgeschichte hinter sich. Mitglieder der später gegründeten GES konnten 1964 in Möhringen die Verschrottung des Wagens fürs erste abwenden, wobei die freizügige Einsetzbarkeit auf dem gesamten SSB-Netz bei zugleich "typischem" Überlandbahnwagen-Erscheinungsbild bei der Entscheidung für diesen Fahrzeugtyp ausschlaggebend war. Die zunächst gescheiterte Vereinsgründung und weitere Querelen führten zur damaligen Verfügung, dass alle nicht mehr benötigten Fahrzeuge umgehend vom Netz zu entfernen seien. Um ein Zeichen zu setzen, gaben GES-Mitglieder dem Fahrzeug mit Billigung der SSB seine ursprüngliche grüne Lackierung zurück und stellten es 1966 mit einer Presse-Abschiedsfahrt nach Plieningen der Öffentlichkeit vor. Anschließend wurde der Wagen, um der Forderung der SSB nachzukommen, im Wangener Gleislager verladen und vorübergehend auf einem Gartengrundstück hinter der Musikhalle in Ludwigsburg abgestellt.

Erst 1968/1969 setzte bei den SSB nach dem erfolgreichen Jubiläum mit Oldtimerverkehr zum hundertjährigen Bestehen allmählich ein Umdenken ein. Anlässlich einer Fahrzeugschau am 16. September 1969 auf dem Cannstatter Wasen holten die SSB den Triebwagen nach Stuttgart zurück und führen ihn seither im Museumsbestand, zu einer erneuten Wiederinbetriebnahme kam es allerdings nicht mehr.

Sein Beiwagen WN 32 überlebte als Gleismesswagen, da er während der großen Wagenparkbereinigung der 1960er Jahre noch nicht verzichtbar war.

Tw 222

Tw 222 auf Rundfahrt

Der heute älteste Triebwagen der Museumssammlung war als Streusalztransportwagen in Zuffenhausen hinterstellt und wurde bereits in den Fahrzeuglisten der 1960er Jahre mit dem Vermerk „Museum“ geführt. Für das 100. Jubiläum der Straßenbahn in Stuttgart 1968 suchte man einen vorzeigbaren Wagen, der als Nostalgiefahrzeug dienen sollte. Die bereits begonnene Aufarbeitung des so genannten „Königswagen“ Nr. 300 (ein Einzelstück aus dem Baujahr 1903) wurde auf Anraten von Straßenbahnfreunden eingestellt, stattdessen arbeitete man Wagen 222 als typischeren Vertreter in kurzer Zeit auf, weswegen die Qualität der Aufarbeitung etwas litt. Der Wagen wurde in ein das Erscheinungsbild von 1904 nachahmendes Nostalgiefahrzeug für die Jubiläumsfahrten umgestaltet, dabei wurden für die Betriebsfähigkeit zahlreiche Kompromisse (Schleifbügelstromabnehmer der Bauart Lyra aus Amsterdam, neue Heizgebläse) akzeptiert. Der Wagen erhielt eine befristete Fahrerlaubnis für Einsätze bei Tageslicht während des Jubiläumssommers. Seitdem wird er sporadisch bei Sonderveranstaltungen auf kurzen Rundfahrten eingesetzt und bildet ansonsten einen wichtigen Bestandteil der Schausammlung des Museums.

Ein freizügiger Einsatz des Wagens auf stadtbahnmäßig ausgebauten Strecken war wegen der schmalen Radreifen bis zu einer Grundüberholung im Jahr 2009 nicht möglich, soll aber mit Rücksicht auf das Alter und den historischen Wert des Fahrzeugs auch künftig auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.

Tw 340

Tw 340 (ehemals 240) wurde 1910 erbaut und 1955 umgebaut. Der neue Aufbau wurde wie der alte in Holzbauweise ausgeführt, obwohl z.B. die Gartenschauwagen aus dem Jahr 1939 schon als Leichtbau-Stahlwagen ausgeführt worden waren. Neuerungen gegenüber der ursprünglichen Gestaltung des Wagens waren die Form der Fenster, abgerundete Plattform und das Tonnendach, das das ursprüngliche Laternendach des Wagens ersetzte.

Zusammen mit Bw 1255 von 1929, der das nahezu gleiche Schicksal hatte, ist er außerdem der am weitesten gereiste Museumswagen der SSB: nach seiner Ausmusterung durch die SSB 1961 kam er zunächst zur Reutlinger Straßenbahn, wo er die Nr. 34 erhielt, nach deren Einstellung 1974 zum Verein der Kärntner Eisenbahnfreunde (heute "Kärntner Museumsbahnen") in den Raum Klagenfurt. Da sich der Aufbau des geplanten Straßenbahnmuseums (heute Historama Ferlach) auf unabsehbare Zeit verzögerte und die gesammelten Fahrzeuge zum Teil auf Kinderspielplätzen dem Verfall preisgegeben waren,[2] wurde Tw 34 im Jahr 1977 zunächst leihweise an das damalige "Deutsche Straßenbahnmuseum" (DSM) bei Hannover abgegeben. Dort stand er allerdings auf einem ehemaligen Werksgelände in Sehnde-Wehmingen weiterhin ungeschützt im Freien, bis er 1988 auf Betreiben von SHB-Mitgliedern schließlich nach Stuttgart zurückgeholt werden konnte. Bei seiner Ankunft besaß er noch die Reutlinger Ausstattung einschließlich grüner Lackierung, bedingt durch die 14-jährige Abstellzeit im Freien war allerdings eine umfangreiche äußerliche Aufarbeitung erforderlich. Wegen der unterbliebenen Aufarbeitung und Rückanpassung der technischen Einrichtungen auf Stuttgarter Belange ist der Wagen heute jedoch nicht mehr betriebsfähig.

Tw 859

Tw 859

Tw 859 (ehemals 714) wurde 1939 wie sein Schwesterfahrzeug Tw 851 anlässlich der Reichsgartenschau 1939 angeschafft. Während Tw 851 jedoch seit 1978 im Museumsbetrieb in Stuttgart ist und gegenüber seinem ursprünglichen Zustand stark verändert wurde, befand sich Tw 859 seit den 1970er Jahren auf dem Gelände des Straßenbahnmuseums in Hannover und kehrte erst Ende 2003 nach Stuttgart zurück. Der Triebwagen ist originalnah erhalten geblieben, bedarf jedoch einer grundlegenden Sanierung und Restaurierung.[3] Zu diesem Anlass soll er auch seine ursprüngliche Wagennummer zurückerhalten. Mit Beginn der Arbeiten wurde das Fahrzeug 2010 aus der ständigen Ausstellung entfernt, nach seiner teilweisen Zerlegung in der museumseigenen Werkstatt befindet es sich seit Februar 2011 zur Aufarbeitung des Wagenkastens in Gera.[4]

Bw 20

Der rekonstruierte Sommerbeiwagen 20

Der offene Sommerwagen ist eine komplette Rekonstruktion von 1992 nach alten Plänen auf ehemaligen Pferdebahn-Radsätzen. Interessant ist, dass der Vorgängerverein SMS 1978 mit Bw 21 bereits ein ebensolches Fahrzeug nachgebaut hatte, das später an den privaten Betreiber der Museums-Pferdebahn auf der Insel Spiekeroog verkauft wurde und dort noch im Einsatz steht.

Bw 1255

Bw 1255 wurde 1929 ausgeliefert und ist heute der letzte vollständig erhaltene SSB-eigene Beiwagen aus der Vorkriegszeit. Aus diesem Grund und wegen des verhältnismäßigen Mangels an Beiwagen im historischen Fahrzeugbestand entschloss sich der Verein SHB im Jahr 1994 trotz des äußerst desolaten Zustandes des Wagens und des laufenden Umzugs nach Zuffenhausen zur Rückholung nach Stuttgart, nachdem er aus der Sammlung des Hannoverschen Straßenbahn-Museums (HSM) aufgrund von Restrukturierungsmaßnahmen ausgegliedert werden musste. Zuvor war er, ganz ähnlich wie Tw 340, 1962 an die Reutlinger Straßenbahn verkauft worden, ging mit diesem zusammen 1974 an die "Kärntner Eisenbahnfreunde" und folgte ihm 1979 auch ins DSM Richtung Hannover, wo er bis zuletzt ungeschützt im Freien abgestellt stand. Durch diese 20-jährige Abstellzeit unter allen Witterungseinflüssen ist nach der langwierigen Austrocknung des Wagenkastens eine grundlegende Aufarbeitung bzw. teilweise Rekonstruktion des Fahrzeugs erforderlich.

Tw SSF 15

Bei dem „Feuerbacher Triebwagen“ handelt es sich in Wirklichkeit um den SSB-Tw 259 (Baujahr 1929), der zuletzt als Tw 35 bei der Reutlinger Straßenbahn im Einsatz war und 1976 vom Verein SMS aufgrund nicht mehr vorhandener Originalfahrzeuge entsprechend umgestaltet wurde, da er durch vorangegangene Umbauten tatsächlich Ähnlichkeit mit einer Feuerbacher Bauserie aufwies. Die damals eher halbherzig und unfachmännisch durchgeführte Umgestaltung wurde 1996 durch den Verein SHB weiter verbessert, dabei aber die alte technische Ausstattung aus Reutlinger Zeiten belassen, weshalb der Wagen heute nicht mehr betriebsfähig ist. Das Fahrzeug erhielt wohl deshalb die Betriebsnummer 15, da sein historisches Vorbild, der ursprüngliche Triebwagen SSF 15, zeitgleich mit dem Stuttgarter Triebwagen 259 bei der Maschinenfabrik Esslingen produziert wurde, als SSB-Triebwagen 301 alle anderen originalen Feuerbacher Fahrzeuge überlebte und erst 1964 verschrottet worden ist.

Der 1976 vom SMS mitgekaufte Beiwagen mit der Phantasienummer 22 (ehemals Bw RTS 42), eigentlich ein Schwesterfahrzeug des betriebsfähigen Beiwagens 1241 von 1953, ist ebenfalls noch im Magazinbestand in Stuttgart vorhanden, spielt aber mangels Authentizität und Bezug zur Stuttgarter Straßenbahngeschichte in der aktuellen Museumskonzeption keine Rolle mehr.

Bw ESS 22

Beiwagen 22 der Eßlinger Städtischen Straßenbahn

Der halboffene Beiwagen (Baujahr 1912) wurde 1930 als einziger dieser Serie zum geschlossenen Fahrzeug umgebaut und modernisiert. Er ging nach Einstellung der Eßlinger Städtischen Straßenbahn 1944 zunächst zu den SSB und 1951 zur END, die ihn unter der Nr. 41 in Sonderzügen und im Schwachlastverkehr hinter dem sog. „Königswagen“ einsetzte. 1965 kamen beide Fahrzeuge zu den SSB zurück, um als Jubiläumszug zum 100-jährigen Bestehen der SSB hergerichtet zu werden. Dazu gestaltete man den Beiwagen zum vorbildfreien SSB-Nostalgiefahrzeug Nr. 70 mit offenen Plattformen um, der Umbau des Triebwagens kam jedoch durch aus verschiedenen Gründen nicht mehr zustande, letztlich wurde er im Tausch gegen Wagen 610 von Straßenbahnfreunden für einen Schrotthändler abgebrochen. Dafür wurde der „Bw 70“ nunmehr hinter Tw 222 in den (nicht betriebsfähigen) Museumsbestand eingereiht, da er sich für einen etwaigen gemeinsamen Einsatz mit diesem als zu schwer erwiesen hatte, und seitdem zu besonderen Anlässen sowie als Bestandteil des ersten Gerlinger Museums als Schaustück präsentiert. 1995 bekam er schließlich seine historisch korrekte Gestalt als Esslinger Beiwagen hinter Tw ESS 7 zurück, eine Wiederinbetriebnahme des Zuges ist derzeit aber nicht vorgesehen.

GT4 519

Der älteste in Stuttgart noch vorhandene GT4 (Baujahr 1959) repräsentiert heute im Museum als einer von insgesamt drei historischen, nicht betriebsfähigen Museumstriebwagen die "modernste" Version als geführter Beitriebwagen im Zustand von 1990. Die sieben fahrbereiten weiteren GT4-Triebwagen befinden sich dagegen allesamt im letzten Einsatzzustand der frühen 2000er-Jahre. Der erste GT4 Nr. 501 ging übrigens ebenso wie der jüngste mit der Nummer 750 (Baujahr 1965) durch einen Unfall verloren.

Phantasie bewiesen die früheren Museumsmacher auch bei der Ersatzteilbeschaffung: So stammt eine der Längssitzbänke von Tw 418 aus dem Tw 610 (wo man sie später rekonstruieren musste), der zudem seine Fahrschalter an Tw 222 abgetreten hatte. In diesem befinden sich wiederum die Original-Längssitzbänke aus Tw 418. Ein Ersatz der Fahrschalter aus SSB-Beständen war zwar ursprünglich geplant, kam dann aber nicht mehr zustande und ginge zudem auf Kosten der Fahrtüchtigkeit von Tw 222. Tw 610 verfügt heute nur über leere Fahrschaltergehäuse ohne Kontaktsätze und ist daher lediglich rollfähig.

Literaturhinweise

  • Gottfried Bauer, Ulrich Theurer, Claude Jeanmaire: Stuttgarter Straßenbahnen. Verlag Eisenbahn, Villigen (Schweiz) 1976, ISBN 3-85649-026-4.
  • Gottfried Bauer, Ulrich Theurer, Claude Jeanmaire: Die Fahrzeuge der Stuttgarter Straßenbahnen. Verlag Eisenbahn, Villigen (Schweiz) 1979, ISBN 3-85649-033-7.
  • Gottfried Bauer, Ulrich Theurer, Claude Jeanmaire: Straßenbahnen um Stuttgart. Verlag Eisenbahn, Villigen (Schweiz) 1984, ISBN 3-85649-047-7.
  • Gottfried Bauer, Ulrich Theurer: Von der Straßenbahn zur Stadtbahn Stuttgart 1975–2000. Verlag Eisenbahn, Villigen (Schweiz) 2000, ISBN 3-00-006615-2.
  • Gottfried Bauer: SHB-Sammelblätter. Stuttgarter Historische Straßenbahnen e. V., Stuttgart 1988–1995.
  • Über Berg und Tal. Stuttgarter Straßenbahnen AG (Hrsg.)

Weblinks

48.7991666666679.2186111111111

Einzelnachweise

  1. Straßenbahnwelt Stuttgart eröffnet
  2. [1]
  3. Alte Liebe wird entrostet aus: Hier im Stuttgarter Norden, 12. Dezember 2003 (Zeitungsausschnitt wird im Museum am Wagen präsentiert.)
  4. http://www.shb-ev.info/web/index.php?id=206

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