Sachleistungsprinzip

Sachleistungsprinzip

Unter dem Sachleistungsprinzip in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versteht man die Bereitstellung von Leistungen durch die Krankenkasse. Der Patient, entweder das Krankenkassenmitglied oder ein mitversicherter Familienangehöriger, nimmt dabei Leistungen zur Krankenbehandlung in Anspruch, ohne dafür eine Rechnung vom Leistungserbringer zu erhalten.

Im Sachleistungsprinzip erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht in "Naturalien" - im Gesundheitssektor durch die Bereitstellungen von medizinischen Sachleistungen. Im Kontrast dazu steht die Kostenerstattung, bei der die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit Geldzahlungen erfüllt, indem sie den Versicherten die Ausgaben (teilweise) ersetzt, die ihnen für ärztliche Leistungen, Medikamente usw. entstanden sind. (wie z. B. bei der Hausratversicherung, Kfz-Vollkaskoversicherung).

Alle Versicherten, die ihren Status durch eine elektronische Gesundheitskarte, Krankenversicherungskarte, Krankenschein, Überweisungsschein oder einen anderen Berechtigungsausweis nachweisen, haben Anspruch auf eine Behandlung im Sachleistungssystem, ohne dafür eine Rechnung zu erhalten.

Ein Teil der erbrachten Leistungen, beispielsweise für Medikamente oder Krankenhausbehandlungen, wird dem Leistungserbringer dabei in der Höhe bezahlt, die vertragliche Vereinbarungen vorsehen. Beispielsweise haben Apotheker den Krankenkassen einen gesetzlich festgelegten Rabatt auf die Arzneimittelfestpreise einzuräumen. Krankenhäuser schließen Verträge mit den Krankenkassen über die Höhe der Vergütung.

Ärztliche Behandlung

Ein anderer Teil der erbrachten Leistungen, beispielsweise bei ärztlichen Behandlungen, wird pauschal vergütet. Dazu zahlen die Kassen eine sogenannte Kopfpauschale pro Mitglied an die Kassenärztliche Vereinigung (KV). Mit dieser Kopfpauschale sind die Leistungen der Ärzte an die Versicherten (das Krankenkassenmitglied und dessen kostenfrei mitversicherten Angehörigen ohne eigenes Einkommen) abgegolten. Die KV wiederum teilt diese Kopfpauschale in einem nur sehr schwer nachvollziehbaren System aus Einheitlichem Bewertungsmaßstab und Honorarverteilungsvertrag unter ihre Mitglieder auf.

Die Höhe der Zahlungen der Kasse steht dadurch in keinem Zusammenhang mit dem echten Behandlungsbedarf des Mitglieds bzw. der mitversicherten Familienangehörigen. Die Kassen zahlen diese Kopfpauschale an die KV „mit befreiender Wirkung“. Mit befreiender Wirkung bedeutet, dass die KV keine Möglichkeit hat, bei höherem Behandlungsbedarf einen die Kopfpauschale übersteigenden Betrag geltend machen zu können.

Die über das Sachleistungsprinzip an die Ärzte verteilten Honorare sind seit vielen Jahren wegen gesetzlicher Beschränkung nur marginal angestiegen. Derzeit erhält beispielsweise ein Augenarzt pro Patient und Quartal je nach Zugehörigkeit zu einer regionalen KV zwischen 20 und 30 Euro für die Behandlung, unabhängig davon, wie häufig der Patient die Praxis aufsucht. Im Laufe der Jahre sind durch Fortschritte der Medizin, neue Methoden und durch demographische Gründe die Kosten für die Behandlung weitaus stärker gestiegen als die Kopfpauschalen. Aus Sicht der Krankenkassen hat das Sachleistungssystem im ambulanten Bereich dazu beigetragen, die Ausgabensteigerungen im ambulanten Bereich auf einem sehr niedrigen Niveau zu halten.

Die Kehrseite des für die Krankenkassen günstigen Sachleistungsprinzips ist das sinkende Honorar für die Ärzte. Inzwischen betragen die Ausgaben der Krankenkassen für ärztliche Behandlung nicht mehr 22 %, sondern nur noch etwa 16 % der Beitragseinnahmen. Der Preis für die niedrigen Arzthonorare, die politisch gewollt sind, ist auf längere Sicht das Absinken des Versorgungsniveaus. Ein Indiz für das Absinken des Versorgungsniveaus ist ein stetig zunehmender Ärztemangel. Der Ärztemangel trat zuerst in den ostdeutschen Flächenländern auf, ist aber seit 2005 auch in Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz zum Thema geworden.

Diskussion

Das Sachleistungsprinzip ist das vorherrschende Prinzip in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Nachteilig ist seine Intransparenz: Weder weiß der Patient, welche Kosten er für ärztliche Behandlung, Medikamente, Krankengymnastik, Krankenhausbehandlung, Krankengymnastik usw. der Versichertengemeinschaft verursacht, noch weiß der Arzt die Höhe seines Honorars. Die Folge sind Sorglosigkeit beim Inanspruchnahmeverhalten, Anspruchsdenken, die Anfälligkeit des Systems für Manipulationen und infolgedessen eine erhebliche bürokratische Kontroll-, Überwachungs-, Regulierungs- und Rationierungsmaschinerie.

Alternativ zum Sachleistungsprinzip gibt es als Wahlmöglichkeit für den Patienten gemäß § 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) das Verfahren der Kostenerstattung, das diese Nachteile nicht hat, jedoch aufgrund der zahlreichen abschreckend wirkenden Nebenbestimmungen derzeit nur für wenige Versicherte attraktiv ist.

Literatur

Fischer, Mattias G.: Der Sachleistungsgrundsatz - ein unantastbares Urprinzip der GKV?, in: Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 2008, S. 461-466

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