Sammlung Prinzhorn

Sammlung Prinzhorn
Prinzhorn-Geburtshaus in Hemer
Brief der Psychiatriepatientin Emma Hauck 1909, von Prinzhorn als Beispiel für „Kritzeleien“ angeführt, Sammlung Prinzhorn
Aus der Sammlung Prinzhorn: August Natterer (Neter): „Hexenkopf“ (Vorder- u. Rückseite), ca. 1915

Hans Prinzhorn (* 6. Juni 1886 in Hemer, Westfalen; † 14. Juni 1933 in München) war ein deutscher Psychiater und Kunsthistoriker. Nach ihm ist die "Prinzhorn-Sammlung" benannt, eine Sammlung mit Bildwerken von Geisteskranken.

Prinzhorn studierte Kunstgeschichte und Philosophie an den Universitäten Tübingen, München und Leipzig, wo er 1908 promovierte. Er reiste nach England, um eine Gesangsausbildung zu erhalten, da er Berufssänger werden wollte. Er erhielt eine medizinische und psychiatrische Ausbildung, als er einem Militärchirurgen während des Ersten Weltkriegs assistierte.

Inhaltsverzeichnis

Anlage der Sammlung und erste Buchveröffentlichung

1919 wurde er Assistent von Karl Wilmanns an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg. Seine Aufgabe war es dort, eine Sammlung mit Bildwerken von Geisteskranken zu betreuen, die Emil Kraepelin angelegt hatte. Als er die Stelle 1921 verließ, war die Sammlung auf mehr als 5.000 Arbeiten von ungefähr 450 „Fällen“ angewachsen.

1922 veröffentlichte er sein erstes und einflussreichstes Buch Die Bildnerei der Geisteskranken, reich illustriert mit Beispielen aus der Sammlung.[1] Während seine Kollegen reserviert reagierten, war die Kunstszene davon begeistert. Das Buch, das sich an der Grenze zwischen Psychiatrie und Kunst bewegt, bildet einen der ersten Versuche, die Schöpfungen psychisch Kranker zu analysieren.

Folgejahre

Nach kurzen Aufenthalten an Sanatorien in Zürich, Dresden und Wiesbaden führte er 1925 eine psychotherapeutische Praxis in Frankfurt am Main. Er verfasste weitere Bücher, die nie den Erfolg seines Erstlings erreichten. Seine Hoffnung, eine feste Anstellung an einer Universität zu erreichen, wurde nie erfüllt.

Desillusioniert durch die berufliche Misserfolge und nach dem Scheitern dreier Ehen übersiedelte er zu einer Tante nach München. Zurückgezogen lebte er von gelegentlichen Vorträgen und dem Verfassen von Texten. Politisch stand er in seinen letzten Lebensjahren dem italienischen Faschismus Mussolinis und dem Nationalsozialismus nahe und publizierte zwischen 1930 und 1932 eine positive Artikelserie Über den Nationalsozialismus.[2]

Er starb 1933 in München an Fleckfieber.

Nachleben und Museum

Bald nach seinem Tod wurde die Prinzhorn-Sammlung auf einem Dachboden der Universität verstaut. 1937 wurden einige Blätter in der nationalsozialistischen Propagandaausstellung Entartete Kunst in München präsentiert, um Werke damals moderner Künstler im Vergleich zu diffamieren.

Seit 2001 ist der Sammlung Prinzhorn ein eigenes Museum der Universität Heidelberg im umgebauten ehemaligen Hörsaal der Neurologischen Klinik des Altklinikums gewidmet, in dem die Beiträge auch weiter wissenschaftlich bearbeitet werden.[3]

Seit 1965 wird jährlich die Hans-Prinzhorn-Medaille von der Deutschsprachige Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks verliehen. Preisträger sind unter anderen Leo Navratil, Alfred Hrdlicka, Hans Küng und Lothar-Günther Buchheim.

Sonstiges

In seiner Geburtsstadt Hemer sind nach Hans Prinzhorn die städtische Realschule und die dortige Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie mit differenzierten Behandlungsaufgaben in der Pflicht- und Vollversorgung benannt worden. Träger der Klinik ist der Landschaftsverband Westfalen-Lippe; sie ist auch eine Aus-, Fort- und Weiterbildungsinstitution. Ferner gibt es im dortigen Felsenmeermuseum des Bürger- und Heimatvereins ein (weitgehend aus Kopien bestehendes) Prinzhorn-Archiv.

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Röske, Der Arzt als Künstler. Ästhetik und Psychotherapie bei Hans Prinzhorn (1886-1933), Bielefeld: Aisthesis 1995. ISBN 3-927670-90-1
  • Bettina Brand-Claussen, Das "Museum für pathologische Kunst" in Heidelberg. Von den Anfängen bis 1945, in: Wahnsinnige Schönheit, Prinzhorn-Sammlung, Ausstellungskatalog Osnabrück, Kulturhistorisches Museum u.a., Heidelberg: Wunderhorn 1997, S. 6-23.
  • Thomas Röske, Zoe Beloff: Air loom: der Luft-Webstuhl und andere gefährliche Beeinflussungsapparate, Ausstellungskatalog Sammlung Prinzhorn Heidelberg, Heidelberg: Wunderhorn 2006. ISBN 978-3-88423-237-8
  • Bettina Brand-Claussen & Thomas Röske (Hrsg.) Künstler in der Irre, Ausstellungskatalog Sammlung Prinzhorn Heidelberg, Heidelberg: Wunderhorn 2008. ISBN 978-3-88423-306-1

Film

  • Christian Beetz (Regie): Zwischen Wahnsinn und Kunst. Die Sammlung Prinzhorn. D, 2007, 75 Min. Adolf-Grimme-Preis 2008 [4]

Weblinks

Zitatnachweise, Fußnoten

  1. Prinzhorn: Bildnerei der Geisteskranken
  2. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 467.
  3. Siehe dazu die ausführliche Literatur-Liste zum Artikel auf der Diskussions-Seite
  4. "Adolf Grimme Preis 2008" und Beetz-Homepage zum Film

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