- Schacholympiade 1939
-
Die 8. Schacholympiade fand vom 24. August bis 19. September 1939 im Teatro Politeama in Buenos Aires statt. Sie war ein Schachturnier, das als Rundenturnier ausgeführt wurde.
Inhaltsverzeichnis
Turnierablauf
Es nahmen 27 Mannschaften mit 133 Spielern teil, wobei die als Favoriten geltenden Vereinigten Staaten aus finanziellen Gründen absagten. Einige US-Spieler hatten Forderungen wie die Übernahme von Reisekosten für Ehefrauen gestellt, die weder der amerikanische Schachverband noch die argentinischen Gastgeber erfüllen konnten. Die europäischen Spieler reisten beim Hinweg auf dem Schiff „Piriapolis“ drei Wochen lang über den Atlantik.
In Buenos Aires waren insgesamt 1012 Partien angesetzt (vier pro Match), von denen 928 gespielt und 24 wegen des Kriegsausbruchs kampflos entschieden wurden. Für den Sieg sollte die Anzahl der Brettpunkte maßgeblich sein. Bei einem Gleichstand sollten die Mannschaftspunkte berücksichtigt werden. Die Bedenkzeitregelung ist bis heute unbekannt.
Zu den prominentesten Spielern gehörten der für Kuba antretende Exweltmeister José Raúl Capablanca und der für Frankreich spielende Weltmeister Alexander Aljechin. Max Euwe, der zwei Jahre zuvor seinen Weltmeistertitel verloren hatte, nahm nicht teil.
Vom 23. bis 31. August wurde eine Vorrunde abgehalten. Dabei wurden die Mannschaften in vier Gruppen aufgeteilt, von denen jeweils die vier besten Mannschaften in die Finalgruppe A weiterkommen sollten, der Rest sollte untereinander die Finalgruppe B ausspielen, was offiziell als Copa Argentina bezeichnet wurde. Am 1. September, als das Finale begann, brach der Zweite Weltkrieg aus, weshalb einige Spieler nicht mehr teilnehmen wollten. Obwohl viele Mannschaften zunächst die Olympiade abbrechen wollten, schaffte es die Organisation, sie zur Absolvierung der noch ausstehenden Runden zu überreden. Durch den politisch motivierten Ausfall dreier englischer Spieler beendete die englische Mannschaft, die für Finalgruppe A qualifiziert war, die Teilnahme und reiste vorzeitig ab. Drei Spieler dieser Mannschaft, Conel Hugh O’Donel Alexander, Harry Golombek und Philip Stuart Milner-Barry, übernahmen nach ihrer Rückkehr im Bletchley Park kriegswichtige Aufgaben bei der Entzifferung der deutschen Schlüsselmaschine Enigma. Sechs Wettkämpfe, darunter Deutschland gegen Polen, wurden nicht ausgetragen, sondern kampflos mit 2-2 gewertet. Gegen die Mannschaft Palästinas wollte die deutsche Mannschaftsführung einem kampflosen Unentschieden zunächst nicht zustimmen. Erst als die jüdischen Spieler ankündigten, nicht antreten zu wollen und den Deutschen dadurch de facto den Turniersieg zu schenken, erklärte sich Delegationsleiter Albert Becker zu der Absprache bereit.[1] Um eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden, vereinbarte auch die argentinische Mannschaft, die zu diesem Zeitpunkt noch um den Turniersieg mitspielte, ein Unentschieden gegen Palästina. Alexander Aljechin trat in den Wettkämpfen gegen Polen und Argentinien nicht an, um seinem Protest gegen die Deutschen Ausdruck zu geben.
Am Schluss gewann die deutsche Mannschaft knapp vor Polen – dies blieb der einzige deutsche Sieg bei einer Schacholympiade.
In den Bulletins wurde ein Silberpokal für die beste Partie ausgelobt. Es konnte nicht recherchiert werden, ob dieser vergeben wurde. Zum einzigen Mal wurden die Preise für Individualleistungen vergeben, ohne die Vorrunden zu berücksichtigen.
Endstand
-
# Mannschaft Schachspieler 1 Deutsches Reich Erich Eliskases, Paul Michel, Ludwig Engels, Albert Becker, Heinrich Reinhardt 2 Polen Savielly Tartakower, Mieczysław Najdorf, Paulin Frydman, Teodor Regedziński, Franciszek Sulik 3 Estland Paul Keres, Ilmar Raud, Paul Felix Schmidt, Gunnar Friedemann, Johannes Türn
Finalgruppe A als Kreuztabelle
-
Rg Mannschaft Code 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 BP MP + = - 1 Deutschland GER ● 2 2½ 3 3 3 3 2 2 2 3½ 3 2 2½ 2½ 36 24 9 5 0 2 Polen POL 2 ● 2½ 1½ 2½ 2 2 1½ 2 4 3½ 4 2 2½ 3½ 35½ 20 7 5 2 3 Estland EST 1½ 1½ ● 2 1½ 3 1½ 2½ 2 2 3 3½ 3 3½ 3 33½ 18 7 3 4 4 Schweden SWE 1 2½ 2 ● 3½ 1½ 1½ 1½ 2 3 3½ 2½ 3 1½ 4 33 17 7 2 5 5 Argentinien ARG 1 1½ 2½ ½ ● 3½ 2½ 1½ 2 2½ 2½ 3 3½ 3½ 2½ 32½ 20 9 1 4 6 Böhmen und Mähren CSR 1 2 1 2½ ½ ● 3½ 3½ 2½ 2 3 2 2½ 3½ 2½ 32 20 8 3 3 7 Lettland LAT 1 2 2½ 2½ 1½ ½ ● 2 3 2½ 2½ 3 3½ 2½ 2½ 31½ 21 9 2 3 8 Niederlande NED 2 2½ 1½ 2½ 2½ ½ 2 ● 1½ 2 2 2 3 2½ 4 30½ 18 6 5 3 9 Palästina ISR 2 2 2 2 2 1½ 1 2½ ● 2½ 3 1½ 1 2½ ½ 26 14 4 5 5 10 Frankreich FRA 2 0 2 1 1½ 2 1½ 2 1½ ● 2 2 1 2 4 24½ 10 1 7 6 11 Kuba CUB ½ ½ 1 ½ 1½ 1 1½ 2 1 2 ● 3 3 2½ 2½ 22½ 11 4 2 8 12 Litauen LTU 1 0 ½ 1½ 1 2 1 2 2½ 2 1 ● 2½ 2 3 22 11 3 4 7 13 Chile CHI 2 2 1 1 ½ 1½ ½ 1 3 3 1 1½ ● 2½ 1½ 22 9 3 2 9 14 Brasilien BRA 1½ 1½ ½ 2½ ½ ½ 1½ 1½ 1½ 2 1½ 2 1½ ● 2½ 21 7 2 2 10 15 Dänemark DEN 1½ ½ 1 0 1½ 1½ 1½ 0 3½ 0 1½ 1 2½ 1½ ● 17½ 5 2 0 12
- Die Begegnungen Deutschlands gegen Polen, Frankreich und Palästina wurden ohne Spiel als 2:2 gewertet. Ebenso wurden die Partien der Mannschaft aus Böhmen und Mähren gegen Polen bzw. Frankreich und das Duell Argentinien - Palästina als 2:2 gewertet.
- England hatte sich für das A-Finale qualifiziert, trat aber wegen des Kriegsausbruchs nicht dazu an.
Finalgruppe B als Kreuztabelle
-
Rg Mannschaft Code 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 BP MP + = - 16 Island ISL ● 2½ 2 3 2½ 3 3½ 2½ 2 4 3 28 18 8 2 0 17 Kanada CAN 1½ ● 3 2 3 3 2 3½ 3½ 3½ 3 28 16 7 2 1 18 Norwegen NOR 2 1 ● 2½ 1½ 3 4 2 3½ 3½ 4 27 14 6 2 2 19 Uruguay URU 1 2 1½ ● 3 2 3½ 3½ 2½ 3 4 26 14 6 2 6 20 Bulgarien BUL 1½ 1 2½ 1 ● 3 4 2½ 3½ 3½ 3 25½ 14 7 0 3 21 Ecuador ECU 1 1 1 2 1 ● 3 2½ 3 3½ 3 21 11 5 1 4 22 Guatemala GUA ½ 2 0 ½ 0 1 ● 2½ 3 3 3 15½ 9 4 1 5 23 Irland IRE 1½ ½ 2 ½ 1½ 1½ 1½ ● 1½ 2½ 2½ 15½ 5 2 1 7 24 Peru PER 2 ½ ½ 1½ ½ 1 1 2½ ● 2 2½ 14 6 2 2 6 25 Bolivien BOL 0 ½ ½ 1 ½ ½ 1 1½ 2 ● 2½ 10 3 1 1 8 26 Paraguay PAR 1 1 0 0 1 1 1 1½ 1½ 1½ ● 9½ 0 0 0 10
Folgen für die Schachwelt
Nach der Schacholympiade wollten viele Spieler nicht nach Europa zurückkehren. Die argentinische Regierung bot diesen an, dass sie Schach in Argentinien unterstützen und dafür dort bleiben könnten. Die ganze deutsche Mannschaft sowie viele weitere Spieler (u.a. Miguel Najdorf, Paulino Frydman, Gideon Ståhlberg, Moshe Czerniak, Jorge Pelikan) nahmen das Angebot an. Dies führte zu einem Schachboom in Argentinien, durch den später fünf Medaillen bei Schacholympiaden gewonnen wurden.
Die Heimreise der rückkehrwilligen Spieler nach Europa erfolgte ab dem 28. September auf dem Schiff „Copacabana“.
Polen kehrte durch die Abwanderung seiner Spitzenspieler Najdorf, Frydman und Tartakower, der künftig für Frankreich spielte, niemals zu seiner alten Stärke zurück. Nach dem Krieg begann, von der Olympiade weitgehend unbeeinflusst, die Jahrzehnte dauernde sowjetische Dominanz der Schachwelt.
Kriegsbedingt fand die nächste Schacholympiade erst 1950 statt.
Frauenweltmeisterschaft
Zeitgleich fand in Buenos Aires das Turnier um die Schachweltmeisterschaft der Frauen statt, das von Titelverteidigerin Vera Menchik (England) vor Sonja Graf (Deutschland) und Berna Carrasco (Chile) gewonnen wurde. Die andere deutsche Spielerin Frieda Rinder erreichte den vierten Platz. Insgesamt nahmen zwanzig Frauen an der Weltmeisterschaft teil.[2]
Einzelnachweise
- ↑ Brief von Albert Becker an Max Blümich vom 5. Oktober 1939 (PDF)
- ↑ Kreuztabelle der Frauenweltmeisterschaft
Weblinks
- Frank Große: Die Geschichte der Schacholympiade. Teil 3: Vor dem Zweiten Weltkrieg (1931–1939)
- Informationen zur 8. Schacholympiade auf olimpbase.org (englisch)
London 1927 | Den Haag 1928 | Hamburg 1930 | Prag 1931 | Folkestone 1933 | Warschau 1935 | Stockholm 1937 | Buenos Aires 1939 | Dubrovnik 1950 | Helsinki 1952 | Amsterdam 1954 | Moskau 1956 | München 1958 | Leipzig 1960 | Warna 1962 | Tel Aviv 1964 | Havanna 1966 | Lugano 1968 | Siegen 1970 | Skopje 1972 | Nizza 1974 | Haifa 1976 | Buenos Aires 1978 | Valetta 1980 | Luzern 1982 | Thessaloniki 1984 | Dubai 1986 | Thessaloniki 1988 | Novi Sad 1990 | Manila 1992 | Moskau 1994 | Jerewan 1996 | Elista 1998 | Istanbul 2000 | Bled 2002 | Calvià 2004 | Turin 2006 | Dresden 2008 | Chanty-Mansijsk 2010 | Istanbul 2012 | Tromsø 2014
Frauen: Emmen 1957 | Split 1963 | Oberhausen 1966 | Lublin 1969 | Skopje 1972 | Medellín 1974 | ab 1976 gemeinsam veranstaltet
Inoffizielle Veranstaltungen: Paris 1924 | Budapest 1926 | Schach-Olympia 1936 | Gegenolympiade 1976
Wikimedia Foundation.
Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:
Schacholympiade 1936 — Schach Olympia 1936 war ein Schach Länderturnier, das vom 17. August bis 1. September 1936 in München stattfand. Obwohl es keine offizielle Veranstaltung der FIDE war, wurde es vom Großdeutschen Schachbund als Schacholympiade deklariert. Es fand… … Deutsch Wikipedia
Schacholympiade 1978 — River Plate Stadion (Spielort) Sond … Deutsch Wikipedia
Schacholympiade 2010 — Die Schacholympiade 2010 war ein Mannschaftsturnier im Schach, das vom 20. September bis 3. Oktober in Chanty Mansijsk ausgetragen wurde. Es handelt sich um die 39. Schacholympiade des Weltschachbundes FIDE. Zum vierten Mal nach 1956, 1994… … Deutsch Wikipedia
Schacholympiade 1976 — Schacholympiade in Haifa Die 22. Schacholympiade 1976 wurde vom 26. Oktober bis 10. November 1976 in Haifa ausgetragen. Inhaltsverzeichnis 1 Übersicht … Deutsch Wikipedia
Schacholympiade — Spielsaal bei der Schacholympiade in Dresden 2008 Die Schacholympiade ist der bedeutendste Mannschaftswettbewerb im Schach. Inhaltsverzeichnis 1 Übersich … Deutsch Wikipedia
Schacholympiade 2008 — Logo der Schacholympiade 2008 Veranstaltungsort … Deutsch Wikipedia
Schacholympiade 1986 — Der Eingang zur Austragungsstätte der Schacholympiade 1986 … Deutsch Wikipedia
Schacholympiade 1992 — Sporthalle in Manila Schacholympiade 1992 … Deutsch Wikipedia
Schacholympiade 1974 — Palais des Expositions (Spielort) Die 21. Schacholympiade fand vom 6. bis 30. Juni 1974 im Palais des Expositions in Nizza statt.[1] Das Mannschaftsschachturnier war die erste Schacholympiade ohne Beteiligung der Deutschen Demokratischen Republik … Deutsch Wikipedia
Schacholympiade 1980 — Valletta auf Malta zur Zeit der Schacholympiade 1980 F.I.D.E. CONGRES … Deutsch Wikipedia
-