Schachgegenolympiade 1976

Schachgegenolympiade 1976

Die Schachgegenolympiade 1976 oder „Anti-Israel-Olympiade“ (englisch Against Chess Olympiad beziehungsweise Against Israel Olympiad), war ein Länderturnier im Schach, das vom 24. Oktober bis 15. November 1976 in der libyschen Hauptstadt Tripolis stattfand. Die Gegenolympiade, deren Durchführung vom Weltschachbund FIDE missbilligt wurde, war politisch gegen Israel gerichtet, wo zeitgleich in Haifa die offizielle 22. Schacholympiade abgehalten wurde.

Inhaltsverzeichnis

Politischer Hintergrund

Israel war 1976 zum zweiten Mal als Ausrichter der Schacholympiade vorgesehen. Während dies bei der Schacholympiade 1964 in Tel Aviv sportpolitisch noch unproblematisch war, wandten sich diesmal viele Mitgliedsverbände der FIDE gegen die Vergabeentscheidung des Weltschachbundes. Grund dafür war die veränderte Lage im Nahostkonflikt, die durch den Sechstagekrieg (1967) und den Jom-Kippur-Krieg (1973) eingetreten war. Die militärischen Erfolge Israels hatten Zorn in der islamisch-arabischen Welt hervorgerufen, zu dem die Solidarität der sozialistischen Länder hinzutrat.

Unter den Nationen, die das Turnier in Haifa boykottierten, waren die Sowjetunion, der Rekordsieger bei den Schacholympiaden, die übrigen sozialistischen Staaten und zahlreiche Staaten der arabisch-islamischen Welt. Letztlich nahmen an der Olympiade in Haifa, die vom 26. Oktober bis 10. November 1976 stattfand, lediglich 48 Herren- und 23 Damenteams teil.

Libyen hatte die Initiative zu einer zeitgleichen Konkurrenzveranstaltung ergriffen, die im Programmheft als Schachgegenolympiade („Against Chess Olympiad“) bezeichnet wurde. Treibende Kraft war Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi, der die Organisation aus Staatsmitteln des erdölreichen Landes sicherstellte. Seine Hoffnung, dass die Ostblockstaaten statt in Haifa in Tripolis spielen würden, erfüllte sich freilich nicht, vielmehr zogen es diese vor, auch der „Anti-Israel-Olympiade“ fernzubleiben.

Teilnehmerländer

Aus Sicht der Gastgeber war der politische Erfolg begrenzt. Nur wenige der klassischen Schachnationen nahmen teil. Den Kern der 38 Teilnehmerteams − darunter vier mit Beobachterstatus − stellten die arabisch-islamischen Staaten, die aber zumeist als schachliche „Entwicklungsländer“ galten.

Aus dem Westen waren Portugal, Italien, das de facto mit einer Vereinsmannschaft aus Palermo vertreten war, Malta und die Türkei vertreten. Die Philippinen entsandten neben Italien als einziges Land zwei Mannschaften zu den parallelen Wettbewerben in Haifa und Tripolis. Dies betraf auch Uruguay, wobei jedoch ein Sonderfall vorlag. Die Mannschaft war aus politischen Dissidenten zusammengesetzt, die der Militärdiktatur in ihrer Heimat entkommen waren.

Organisation

Veranstaltungsort war das „Beach Hotel“ in Tripolis. Um möglichst viele Schachverbände aus den ärmeren Ländern zur Anreise zu bewegen, bot der Veranstalter großzügige finanzielle Bedingungen. Für Anreise und Unterkunft entstanden den Mannschaften keine Kosten, den Gästen wurde sogar eine kleine tägliche Pauschale zuerkannt. Jedem Team wurde ferner ein Wagen mit Fahrer bereitgestellt.

Im Unterschied zu der Olympiade in Haifa wurde auf einen Frauenwettbewerb verzichtet. Die Turnierregeln stimmten mit den Bestimmungen für die offizielle Olympiade weitgehend überein. Die Mannschaften spielten an vier Brettern. Gewinner sollte die Mannschaft mit den meisten Brettpunkten werden. Gespielt wurde in 13 Runden nach Schweizer System − genauso wie in Haifa, wo dieser Turniermodus erstmalig bei einer Schacholympiade zur Anwendung gelangte.

Sportlicher Verlauf

Sportlich gesehen hatte das Länderturnier im Vergleich zu den regulären Schacholympiaden nur geringen Wert. Kein einziger Großmeister und nur sehr wenige Internationale Meister befanden sich unter den Teilnehmern.

Sieger wurde völlig überraschend das Team El Salvadors, das nicht zu den Favoriten gehört hatte. Die Spieler um den damals 17-jährigen späteren FIDE-Meister Boris Pineda am Spitzenbrett übernahmen früh die Tabellenführung und gaben sie bis zum Schluss des Turniers nicht mehr ab. Tunesien errang mit dem Internationalen Meister Slim Bouaziz am Spitzenbrett den zweiten Rang, Pakistan wurde Dritter. Gastgeber Libyen kam nur auf Platz 24. Die erwähnte Mannschaft aus Uruguay, die schließlich auf Rang 17 landete, verlor drei Kämpfe − zwölf Partien −, weil die Spieler zu spät erschienen waren.

Mannschaft Punkte
1 El Salvador 38½
2 Tunesien 36
3 Pakistan 34½
4 Irak 33½
5 Italien 32½
6 Türkei 32½
7 Afghanistan 29½
8 Nikaragua 27½
9 Panama 27½
10 Bangladesh 27
11 Sri Lanka 27
12 Portugal 27
13 Algerien 26½
14 Marokko 26½
15 Philippinen 26½
16 Kenia 26
17 Uruguay 26
18 Südjemen 26
19 Trinidad / Tobago 25½
20 Malta 25½
21 Nordjemen 25½
22 Madagaskar 25½
23 Libanon 25
24 Libyen 24½
25 Jordanien 24½
26 Uganda 24½
27 Kuwait 24½
28 Vereinigte Arab. Emirate 20½
29 Mauritius 20
30 Palästina 18½
31 Mauretanien 18½
32 Gambia 18
33 Oman 18
34 Somalia 07

Nachwirkung

Der brüskierte Weltschachbund ernannte eine Kommission zur Untersuchung der politischen Aspekte und des künftigen Mitgliedsstatus der „abtrünnigen“ Verbände. Letztlich wurde eine dauerhafte Spaltung der FIDE abgewendet, und das Ereignis blieb eine sportpolitische Episode.

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