Schinkelplatz

Schinkelplatz
Der Schinkelplatz, Teilansicht mit Friedrichswerderscher Kirche

Der Schinkelplatz ist ein kleiner, aber städtebaulich wichtiger Platz im alten Zentrum Berlins. Er liegt in der Nähe des Schlossplatzes und gehört zum Stadtteil Friedrichswerder im Stadtbezirk Mitte. Die Fläche von 1700 m² hat die Form eines schmalen Dreiecks; sie wird nach Süden begrenzt durch die Berliner Bauakademie – zurzeit nur als Attrappe vorhanden -, nach Westen durch die Niederlagstraße und nach Osten durch die Unterwasserstraße, die hier als Uferweg entlang des Kupfergrabens – eines Seitenarmes der Spree - verläuft. Der Platz trägt den Namen des preußischen Architekten Karl Friedrich Schinkel, zu dessen stilbildenden Werken auch die zwischen 1832 und 1836 errichtete Bauakademie gehörte.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Die Gegend des heutigen Schinkelplatzes war einst Hauptzollstelle für den Schiffsverkehr von und nach Berlin. Seit etwa 1670 standen dort die Gebäude des so genannten Packhofs, in denen der Zollverkehr für ankommende und abgehende Güter abgewickelt wurde. Diese Bauwerke wurden um 1830 abgerissen. Nachdem das Ufer begradigt worden war - vorher bot eine Bucht den Frachtschiffen geeignete Anlegestellen - war die Fläche nutzbar für den Neubau der Bauakademie, die zuvor an drei verschiedenen Standorten nacheinander mehr oder weniger provisorisch untergebracht war. Ein Neuer Packhof wurde nach Plänen von Schinkel auf der heutigen Museumsinsel errichtet und 1832 fertiggestellt, er ersetzte den alten Packhof auf dem Friedrichswerder sowie eine seit etwa 1750 bestehende neuere Anlage auf dem Gelände des Lustgartens.

Der Platz

Entstehung

In einer Zeichnung von 1831 - als Kupferstich 1833 in der Sammlung Architektonischer Entwürfe veröffentlicht - erkennt man Schinkels Absicht, vor der nördlichen Fassade der Bauakademie einen von Bäumen umstandenen Platz anzulegen. 1837 gestaltete Peter Joseph Lenné an dieser Stelle einen Schmuckplatz, der damals Platz an der Bauakademie hieß. In den 1860er Jahren wurden hier Denkmäler für Albrecht Thaer (1860), Peter Christian Wilhelm Beuth (1861) und Schinkel (1869) aufgestellt. Mit der Errichtung des dritten Denkmals änderte man den Namen des Platzes in Schinkelplatz. Die Ehrung der drei Männer in dieser Form war ein Novum in der Berliner Stadtgeschichte, ein Ausdruck für das gewachsene Selbstbewusstsein des städtischen Bürgertums und das Ansehen seiner Leistungsträger. Der Bildhauer Christian Daniel Rauch sprach von den „ersten Helden auf öffentlichem Platze ohne Degen[1].

Das Denkmal für Albrecht Thaer war die letzte Arbeit von Rauch, es war bei dessen Tod noch nicht vollendet und wurde von seinem Schüler Hugo Hagen fertiggestellt. Thaer gilt als Begründer der modernen Landwirtschaftslehre in Preußen. Sein Standbild zeigt ihn in dozierender Haltung, die linke Hand umfasst den Griff eines Pfluges. Vier Reliefs im oberen Teil des Sockels bilden seine Arbeit in allegorischen Szenen ab, vier weitere darunter geben konkrete biografische Situationen wieder.

Das Denkmal für Peter Christian Wilhelm Beuth ist ein Gemeinschaftswerk von zwei weiteren Schülern Rauchs. Beuth war ein hoher Staatsbeamter und förderte erfolgreich den Übergang vom Manufakturwesen zur industriellen Fertigung in Preußen. August Kiss schuf die Statue, von Friedrich Drake stammen die Sockelreliefs – oben Allegorien über das Zusammenwirken von Handel und Industrie, Kunst und Wissenschaft, unten Szenen der technischen und zivilisatorischen Fortschritte jener Zeit.

Drake entwarf auch das Denkmal für Karl Friedrich Schinkel, der als Architekt das Erscheinungsbild der Berliner Stadtmitte entscheidend geprägt hatte. Schinkel ist dargestellt mit Zeichenstift und dem Grundriss des Alten Museums auf einem Zeichenbrett. Der Sockel des Standbildes war an den abgestumpften Ecken geschmückt mit vier Karyatiden, hier als Sinnbilder für die Geschichte und für Schinkels Tätigkeitsbereiche Architektur, Malerei und Bildhauerei. Mehrere bedeutende Bauwerke des Architekten stehen in der näheren Umgebung des Denkmals: außer dem Alten Museum die Schlossbrücke, die Neue Wache, die Friedrichswerdersche Kirche und die Bauakademie.

Seine langfristig bleibende Gestaltung erhielt der Platz 1886/87. Die Pläne kamen von der Ministerial-Baukommission, die Kosten wurden vom Komitee des Schinkel-Denkmals getragen. Die Fläche vor den Denkmälern erhielt ein farbig ornamentiertes Mosaikpflaster und einen Springbrunnen. Hinter den Denkmälern wurde eine 18 Meter lange, halbrunde Sitzbank aus poliertem Granit aufgestellt – eine formale Entsprechung zu der Rundung des Brunnens und seiner gärtnerischen Einfassung auf der gegenüber liegenden Seite des Platzes.

Zerstörung

Im Zweiten Weltkrieg brannte die Bauakademie weitgehend aus, auch der Schinkelplatz und die umliegende Bebauung erlitten schwere Schäden. Die Statue Schinkels war vom Sockel gestürzt, die Denkmäler von Beuth und Thaer hatten Einschüsse und Splitterschäden davongetragen. Durch Diebstähle gingen 1949 die vier Karyatiden vom Sockel des Schinkeldenkmals sowie fünf Reliefs vom Denkmal Thaers verloren. Die maßgeblichen Instanzen der DDR entschieden sich gegen die mögliche Restaurierung der Bauakademie, zwischen 1964 und 1967 entstand stattdessen hier und auf der Fläche des Schinkelplatzes ein Neubau für das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR. Die drei Denkmäler fanden Plätze an anderen Standorten im Stadtgebiet.

Wiederherstellung

Blick über den Schinkelplatz im Jahre 2005

Nach dem Ende der deutschen Teilung wurde das Gebäude des Außenministeriums wieder abgerissen. Städtebauliches Ziel war die Rekonstruktion des historischen Stadtgrundrisses. Die Bauakademie sollte wieder aufgebaut werden, der Schinkelplatz wurde neu angelegt, zunächst nur als Rasenfläche. 1996 kehrte die Statue Schinkels hierher zurück, 1999 die von Beuth und 2000 als Kopie die Figur von Thaer, deren Original in der landwirtschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität blieb. In den Jahren 2007 und 2008 erfolgte im Rahmen der Entwicklungsmaßnahme „Hauptstadt Berlin – Parlaments- und Regierungsviertel“ die umfassende Rekonstruktion des Platzes.

Anhand von Fotos und überlieferten Unterlagen wurde der Zustand von 1886/87 wieder hergestellt. Die Brunnenschale von 6 m Durchmesser bekam einen Rand aus rötlichem schwedischen Granit, die Fontäne in ihrer Mitte ist von einem Kranz bronzener Akanthusblätter umgeben, entsprechend den historischen Brunnen am Hausvogteiplatz und am Pariser Platz. Höhe und Intensität der Fontäne können durch die Messwerte eines Windmessers gesteuert werden, der in einer nahe stehenden Laterne installiert wurde. Zu den umfangreichen Arbeiten gehörten auch Nachbildungen bzw. Nachgüsse der verschollenen oder beschädigten Sockelreliefs an den Denkmälern für Thaer und Beuth. Zunächst fehlten wegen ungesicherter Finanzierung noch die Karyatiden am Sockel des Schinkeldenkmals; Nachbildungen dieser Figuren sind im Juli 2011 am Denkmal angebracht worden. Die Gesamtkosten der Wiederherstellung betrugen rund 1,6 Millionen Euro. Am 17. Oktober 2008 wurde der erneuerte Platz eingeweiht.

Die Umgebung

Lageskizze von Schinkelplatz und Umgebung

Bei der Einweihung des Platzes glaubte man, die aufwändige gartendenkmalpflegerische Wiederherstellung des Schinkelplatzes in der historischen Mitte Berlins werde sich „auch positiv auf die Gestaltung des umliegenden Bereichs auswirken“[2]. Diesem Ziel ist man bisher nicht nahe gekommen. Nur das Gebäude der Kommandantur nördlich des Platzes hat die endgültige Form, seine Rekonstruktion war schon 2003 beendet. Der Wiederaufbau der Bauakademie ist seit Jahren beschlossen, die Finanzierung jedoch nicht gesichert.

Auch bei der westlichen Randbebauung an der Niederlagstraße, zwischen Schinkelplatz und Friedrichswerderscher Kirche, soll der historische Stadtgrundriss wieder aufgenommen werden. Die Fläche wurde in sieben Parzellen einzeln veräußert. Der Berliner Bausenat entwickelte eine strenge Gestaltungssatzung, um ein allzu unruhiges Erscheinungsbild der verschiedenen Neubauten zu verhindern. Danach sind vorgeschrieben: eine einheitliche Gebäudehöhe – niedriger als die Friedrichswerdersche Kirche -, eine symmetrische Fassadengestaltung mit Betonung der Mitte, ein Putzauftrag im Farbbereich zwischen Gelb und Grau sowie die Begrenzung von Fenster- und Türflächen auf maximal 40% der gesamten Fassadenfläche [3].

Die Fortführung dieses Bauprojekts wurde unterbrochen. Zwar hatte das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Eigentumsverhältnisse geprüft und den Verkauf der Grundstücke für unbedenklich erklärt. Inzwischen hat aber die Jewish Claims Conference im Namen früherer Grundstückseigentümer Restitutionsansprüche geltend gemacht. Eine konkrete Terminplanung ist wegen dieser offenen Frage zurzeit nicht möglich [4].

Literatur

  • Helmut Engel, Ernst Freiberger, Rupert Scholz: Helden ohne Degen. Der Schinkelplatz in Berlin. Wasmuth Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-8030-4021-3.
  • Werkbund Berlin (Hg.): "Bauen und Wohnen am Schinkelplatz", JOVIS Verlag Berlin 2011, ISBN 978-3-86859-109-5

Weblinks

 Commons: Schinkelplatz (Berlin) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Helmut Engel, Ernst Freiberger, Rupert Scholz: Helden ohne Degen. Der Schinkelplatz in Berlin. Wasmuth Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-8030-4021-3.
  2. Einweihung Schinkelplatz in Berlin-Mitte. 17. Oktober 2008, Presseinformation
  3. Streit um den Schinkelplatz. In: Berliner Morgenpost. 10. Juni 2008
  4. Geschäfte auf unsicherem Boden - Bauten am Schinkelplatz verzögern sich um Jahre. In: Der Tagesspiegel. Berlin, 21. November 2006.
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